Landwirte verzichten auf Anbaufläche und legen Blühstreifen zum Schutz der Artenvielfalt an. Das private, nicht kommerzielle Projekt „Blühende Alb“ startet im Kreis Reutlingen, von dort aus soll es in die Region Stuttgart ausstrahlen.

Kreis Reutlingen/Kreis Esslingen - Christoph Loser und Peter Werner bauen Futter für ihre Milchkühe an. Doch von diesem Frühjahr an werden die beiden gemeinsam mit weiteren Landwirten aus Hülben, Grabenstetten, Wittlingen, Hengen, Böhringen, Strohweiler, Zainingen und Donnstetten nicht nur Futter für Vieh und Nahrungsmittel für Menschen produzieren. Mit ihrem Projekt „Blühende Alb“ werden die Landwirte – derzeit sind es schon 45 – nun auch Bienen, Käfern und anderen Insekten einen reich gedeckten Tisch bieten. Sie legen Blühstreifen an und verhelfen bedrohten Arten zu neuen Lebensräumen. Damit wirken sie dem Insektensterben und dem Rückgang der Artenvielfalt entgegen. Das im Kreis Reutlingen gestartete Projekt streckt seine Fühler bereits in den Kreis Esslingen aus und soll weiter in die Region ausstrahlen.

 

Klee, Klatschmohn und Kornblume blühen

Die beiden Initiatoren, die an der Hochschule Nürtingen Agrarwirtschaft studiert haben, sitzen bei Peter Werner am Küchentisch und erklären, wie es zur „Blühenden Alb“ gekommen ist. Zusammen entwickelten sie im Februar die Idee. Sie sprachen andere Landwirte in ihren und in angrenzenden Ortschaften an und rannten damit offene Türen ein. Dass inzwischen fast 50 Kollegen den Schulterschluss für Biodiversität üben, übertrifft ihre kühnsten Erwartungen und erfüllt sie auch mit Stolz für den Berufsstand. Denn häufig steht die intensiv betriebene Landwirtschaft wegen des Insektensterbens am Pranger. Nun wird gezeigt, dass es auch anders geht.

„Blühende Alb“ ist ein privates, auf Freiwilligkeit basierendes Projekt. Die Blühstreifen sind circa 2,50 bis sechs Meter breit. Die Landwirte säen bunte Blühmischungen aus, die für Insekten und Vögel besonders geeignet sind. Wachsen werden etwa Kleesorten, Kornblume, Klatschmohn, Koriander, Ringelblumen, Sonnenblumen und weitere Pflanzen. Bei der Auswahl werden die Landwirte vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg unterstützt. Beratend hilft auch das Landwirtschaftsamt Reutlingen.

Eine Fläche von neun Fußballfeldern ist schon vorhanden

Christoph Loser zufolge ist die Landwirtschaft prädestiniert für den Artenschutz. „Wir haben die Flächen, wir können es“, sagt der 36-Jährige. „Das Thema Artenschutz ist im Bewusstsein der Landwirte angekommen“, fügt Peter Werner hinzu. Bisher entspricht die vorgesehene Projektfläche circa neun Fußballfeldern. „In Streifen geschnitten“, so Peter Werner, gibt das eine Fahrspur von circa 40 Kilometern. Wichtig bei „Blühende Alb“ ist die Vernetzung. Es soll kein Flickenteppich entstehen, sondern ein zusammenhängender Lebensraum.

Die Aussaat wird im Mai erfolgen. Frühestens Mitte September umbrechen die Landwirte die Streifen und säen an der Stelle Winterpflanzen. Im nächsten Frühjahr entstehen die Streifen dann an anderer Stelle. So soll im Wechsel immer ein ausreichendes Nahrungsangebot für Insekten zur Verfügung stehen. Angedacht ist auch, bestimmte Streifen dauerhaft anzulegen. Nachhaltigkeit ist das erklärte Ziel.

Das Projekt „Blühende Alb“ beschränkt sich nicht auf die Alb

Peter Werner und Christoph Loser zufolge ist das Projekt durch den Idealismus der Landwirte getragen, kommerzielle Interessen seien damit nicht verbunden. Es fließen keine Fördermittel, daher ist die Bauerninitiative auf Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen. Damit die Landwirte über den Einsatz ihrer Arbeitszeit hinaus finanziell nicht noch drauflegen, gibt es eine Spendenaktion für die Anschaffung von Saatgut. Mit fünf Euro können 25 Quadratmeter Blühstreifen angelegt werden. Und es gibt für interessierte Privatleute auch die Möglichkeit, einen Blühstreifen per Patenschaft zu verschenken.

Noch vor wenigen Tagen war das Projekt auf den Kreis Reutlingen begrenzt, mit Heiko Heinsch aus Erkenbrechtsweiler ist jetzt aber bereits der erste Landwirt aus dem Kreis Esslingen mit im Boot. „Es kann jeder Landwirt hier mitmachen“, sagt Peter Werner. „,Blühendes Stuttgart‘ wäre toll“, spinnt Christoph Loser den Faden weiter.