Insolventer Zahlungsdienstleister Wirecard Wirecard-Konten wurden leer geräumt

Die Aktionäre des Konzerns blieben im Regen stehen. Foto: dpa/Peter Kneffel

In den Monaten vor der Insolvenz des Münchner Zahlungsdienstleisters sind offenbar dreistellige Millionensummen abgeflossen.

München - Das Rundschreiben von Insolvenzverwalter Michael Jaffe an das Restpersonal der Skandalfirma Wirecard hat es in sich. Seine Verkaufsbemühungen um das Kerngeschäft seien in der Endphase. Im November sei mit einer Entscheidung zu rechnen – trotz belastender Erkenntnisse über die Vergangenheit des ehemaligen Dax-Konzerns. Dann folgt ein Satz, der das Ausmaß der Abgründe offenbart. „Die Konten der Schuldnerin sind in den Monaten vor der Insolvenz leer geräumt worden“, hat Jaffe herausgefunden.

 

Wie viel Geld das frühere Spitzenpersonal vor der Pleite verschwinden ließ, sagt Jaffe nicht. Staatsanwälte schweigen. Dafür redet ein Insider. „Es geht um eine dreistellige Millionensumme“, sagt er. Wer diese hat verschwinden lassen, weiß er nicht. Sofort in Verdacht gerät der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek.

Manche verdächtigen Wirecard-Topmanager

In dunklen Kanälen verschwunden ist aber viel mehr Geld, was auch Staatsanwälte beschäftigt. So sind angeblichen Wirecard-Partnern, die größtenteils oder komplett nur auf dem Papier existierten, durch Wirecard und die konzerninterne Bank dreistellige Millionenkredite ausgereicht worden. Dubios ist zudem der Kauf einer Firma durch Wirecard zu einem weit überhöhten Preis, der an einen unbekannten Empfänger auf Mauritius geflossen ist. Auch hier geht es um eine dreistellige Millionensumme. Manche vermuten Wirecard-Topmanager dahinter.

Allein Gläubigerbanken und Investoren schuldet der Pleitekonzern 3,2 Milliarden Euro. Im Umfeld Jaffes rechnet man aber mit noch mehr, allein wegen zu erwartender Schadenersatzklagen. Dagegen nehmen sich die von Jaffe bislang gesicherten Gelder recht bescheiden aus.

Selbst im günstigsten Fall wären am Ende weit über 4000 Jobs vernichtet

Der Wert schon verkaufter Firmenteile addiert sich auf eine mittlere dreistellige Millionensumme, wissen Insider. Größter Brocken ist das jüngst verkaufte US-Geschäft. Noch auf der Verkaufsliste steht neben dem Kerngeschäft auch die Wirecard-Bank. Wenn alles klappt, könnte Jaffe inklusive schon erzielter Verkaufserlöse ungefähr eine Milliarde Euro an Insolvenzmasse zusammenbekommen, schätzen Experten. Ein Mehrfaches dessen wäre demnach unwiederbringlich verbrannt.

Die vorläufige Bilanz für das Personal sieht ähnlich aus. Mit 5800 Beschäftigten ist der Konzern vor vier Monaten in die Pleite gegangen. Weiterverkaufen oder anderweitig retten konnte Jaffe bislang gut 700 Jobs. Im Kerngeschäft und für die Wirecard-Bank arbeiten noch weitere 570 Leute. Jaffe will möglichst viele Stellen retten. Selbst im günstigsten Fall wären am Ende weit über 4000 Jobs vernichtet.

Noch zwei Interessenten im Rennen

Verpflichtet ist der Insolvenzverwalter zudem den Gläubigern, also der Vergrößerung der Insolvenzmasse. Für das Kerngeschäft sind dem Vernehmen nach noch zwei Interessenten im Rennen, die spanische Bank Santander und die britische Mobilfunkfirma Lycamobile. Im November sollte man erfahren, ob einer von beiden den Zuschlag erhält und was das für Insolvenzmasse sowie Jobs bedeutet.

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