Die Energiepreise zwingen erste Firmen in die Knie, zum Beispiel den Toilettenpapierhersteller Hakle. Auch andere Hersteller spüren den Kostendruck. Doch wer als Verbraucher jetzt Rollen hamstert, macht den gleichen Fehler wie 2020.

Wer 2020 in der Coronakrise Klopapier gehamstert hat, dürfte jetzt wieder alarmiert sein: Am Montag hat der Düsseldorfer Toilettenpapierhersteller Hakle Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Der Grund: Die Kosten für Erdgas, Strom, Holzfasern sowie für die Logistik seien massiv gestiegen und hätten bislang nicht hinreichend an die Verbraucher weitergegeben werden können.

 

Die Preissteigerungen treffen die energieintensiven Industrien besonders hart. Hygienepapierhersteller hatten schon im März vor den Folgen der explodierenden Gas- und Strompreise und eines möglichen Lieferstopps von russischem Gas gewarnt. Nicht nur Hakle, dessen Unternehmensgeschichte 1928 in Ludwigsburg begann, hat zu kämpfen: „Die gesamte Papierindustrie steht unter enormem Kostendruck“, sagt der Geschäftsführer des Branchenverbandes, Gregor Geiger.

Preise für Toilettenpapier werden steigen

Im März hatte der Verpackungshersteller Delkeskamp aus Nortrup Insolvenz angemeldet. Der japanische Spezialpapierhersteller Mitsubishi Hi-Tec Paper mit Sitz in Bielefeld musste seine Preise in diesem Jahr bereits mehrfach erhöhen und sieht sich nun gezwungen, sein Werk in Flensburg schließen. Den schwedischen Hygienepapierhersteller Essity, hinter dem unter anderem Marken wie Tempo, Tork oder Zewa stehen, belaste die Lage ebenfalls enorm, sagt eine Sprecherin . Aktuell könne man aufgrund der Größe und Struktur der Unternehmen zwar einen Teil der Kosten durch „Effizienzmaßnahmen“ kompensieren, zukünftig werde an Preiserhöhungen aber kein Weg vorbeiführen.

Auch bei Fripa, der neben seiner Eigenmarke auch die Hausmarken von Supermarktketten, Discountern und Drogeriemärkten herstellt, führen die Energiepreise zu einer „Kostenexplosion“, sagt Torsten Bahl, der Geschäftsleiter für den Vertrieb. Mehrere Hundert Millionen Kilowattstunden Gas benötige man pro Jahr, fielen Teilmengen weg, könne man teilweise mit dem Zukauf von Öl und Strom kompensieren, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Dies würde jedoch zu einer weiteren „Kostenkatastrophe“ führen. Vor einigen Jahren habe man zudem in eine umweltfreundlichere Gasturbine investiert. „Diese Entscheidung belastet nun sehr“, erklärt Bahl. Maßnahmen zur Kosteneinsparung seien bereits in den vergangenen Jahren umgesetzt worden, Einsparpotenzial gebe es nicht mehr, sagt Bahl nüchtern. Bereits seit Anfang 2022 habe man in immer kürzeren Abständen die Kostenerhöhungen an Kunden weitergeben und die Preise regelmäßig anpassen müssen.

Dass die Toiletten- und Küchenpapierhersteller hart getroffen sind, liegt zum einen an der besonders energieintensiven Produktionsweise der Ware. Während herkömmliches Papier zum Trocknen über eine dampfbeheizte Rolle geführt wird, laufen die dünnen, aber verhältnismäßig schweren Lagen des Toilettenpapieres bei etwa 460 Grad über große Zylinder, die ringsum mit Gas beheizt sind und rund um die Uhr laufen müssen. Mehrere Lagen werden dann zusammengefügt. Nur durch dieses energieintensive Verfahren könne reißfestes, weiches und saugfähiges Papier hergestellt werden, erklärt Geiger.

Normalerweise würden die Ausgaben für Strom und Gas etwa ein Drittel der Zellstoffkosten ausmachen, sagt ein von Hakle mit der Krisenkommunikation beauftragter Sprecher. Nun aber seien die Energiekosten höher als die Ausgaben für Zellstoff. Während im Jahr 2021 eine Megawattstunde Gas bei 20 bis 25 Euro gelegen habe, koste diese aktuell 300 Euro. Eine gleiche Entwicklung zeige sich bei Strom, dessen Pre is von 50 Euro pro Megawattstunde 2021 auf zeitweise bis zu 1000 Euro gestiegen sei.

Ist Toilettenpapier systemrelevant?

Ob die Versorgungssicherheit mit Toilettenpapier gesichert sei, hänge von der Gasverfügbarkeit ab, sagt Gregor Geiger. Es sei jedoch davon auszugehen, dass Toilettenpapier zu den systemrelevanten Produkten gehöre, die nicht nur in der privaten Hygiene, sondern auch in Medizin und Pflege unverzichtbar sind. Jetzt mit Hamstern auf die Hakle-Insolvenz zu reagieren sei jedenfalls der falsche Weg: „Hamsterkäufe sind sinnlos und strapazieren Produktion und Logistik von Herstellern und Handel“, betont Geiger. Die Produktion sei auf eine konstante Stückmenge über das Jahr verteilt ausgerichtet, solange es keine großflächigen Produktionsbeschränkungen gebe, dürfte es auch zu keinen Engpässen in diesem Bereich kommen, fügt der Geschäftsführer hinzu.

Seit der Pandemie erleben Hygienepapierhersteller eine Achterbahnfahrt. Auf Hamsterkäufe 2020 reagierten die Hersteller mit höheren Materialkäufen und gesteigerter Produktion. Lager waren dann voll, ebenso die Vorratsräume der Kunden. Absatzeinbrüche im ersten Quartal 2021 waren die Folge. Im vergangenen Jahr zeigte sich trotz aller Preissteigerungen insgesamt eine positive Entwicklung: Dem Marktforschungsunternehmen GfK zufolge lagen die Umsätze mit Papiertaschentüchern, Toilettenpapier und Küchenrollen im Lebensmittelhandel im Juni deutlich über dem Vorjahresniveau. Den stärksten Zuwachs gab es mit einem Plus von 36,2 Prozent bei Papiertaschentüchern, gefolgt von Toilettenpapier (+27,8 Prozent) und Küchenrollen (+21,7 Prozent).

Fakten zum Toilettenpapier

Unverzichtbar
In Deutschland werden 750 000 Tonnen Toilettenpapier im Jahr produziert. Das entspricht 3,4 Prozent der gesamten Papierproduktion. 125 000 Tonnen Toilettenpapier werden exportiert, etwa ebenso viel importiert.

Nachhaltigkeit
Um eine Tonne Papier zu produzieren, müssen 2,2 Tonnen Holz als Rohstoffbasis eingesetzt werden. Holz ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, dennoch werden allein für die Produktion von Papier, Pappe und Karton jährlich 13 Millionen Hektar Wald gerodet. Eine Alternative sind Recyclingpapiere mit Altpapieranteil. Hakle setzt unter anderem auf Papier mit Grasanteil, Essity nutzt für die Marke Zewa unter anderem Stroh als Zellstoff. Die hierfür neu gebaute Anlage arbeitet mit niedrigeren Temperaturen und weniger Druck.