Instagram-Star Philipp Genz 1,9 Millionen Klicks für eine Grillfackel

Martin Ebensperger (links) und Philipp Genz produzieren Grillfackeln. Foto: Ines Rudel

Der Kirchheimer Metzgergehilfe Philipp Genz ist über Nacht bekannt geworden. Der 24-jährige mit Downsyndrom verzaubert die Instagram-Gemeinde.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Philipp Genz ist 24 Jahre jung, Metzgergehilfe und seit Kurzem so etwas wie ein Social-Media-Star. Denn seit drei Wochen kursiert von Philipp Genz ein Reel – also ein kurzer Film – auf Instagram. Darin wickelt der junge Mann mit Downsyndrom - untermalt von Udo Lindenbergs „Ich mach mein Ding“ – überaus geschickt, mit großem Engagement und einem wunderbaren Strahlen auf dem Gesicht eine Grillfackel.

 

Das klingt eher unspektakulär. Aber daran kann sich die Instagram-Familie nicht satt sehen: Mittlerweile ist das Reel mehr als 1,9 Millionen Mal angeklickt worden. Mehr als 45 000 User haben dem Beitrag ein Herz spendiert. Das Nachfolge-Reel, in dem Philipp Genz bei der Produktion von Hamburgern zu sehen ist, wird demnächst wohl die Millionengrenze knacken. „Ich fühle mich gut dabei“, sagt der 24-Jährige: „Ich habe Spaß daran, so was zu machen und die Menschen sehen, dass ich das mit Liebe tue.“

Hinter diesen Reels steckt eine bemerkenswerte Geschichte. Denn allein die Tatsache, dass Philipp Genz überhaupt eine Festanstellung bekommen hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Zu verdanken hat er das seinem Chef Martin Ebensperger.

In der fünften Generation – die Ursprünge der Ebensperger-Dynastie reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück – betreibt der 44-jährige zusammen mit 21 Mitarbeitern die in der Mitte des Kirchheimer Stadtteils Jesingen gelegene Metzgerei. Seit 1863 bildet das Haus Ebensperger, einst zunächst als Gaststätte, das wahre Zentrum von Jesingen: Hier treffen sich seither die Menschen, hier kennt jeder jeden, und hier ist vieles möglich, was an anderer Stelle oft unmöglich erscheint.

Seit mehr als einem Jahr ist Philipp Genz fest angestellt

Dazu gehört die Tatsache, dass Philipp Genz nun schon seit mehr als einem Jahr bei Martin Ebensperger fest angestellt ist. Im Rahmen eines Praktikums im Stuttgarter Anna-Haag-Mehrgenerationenhaus hatte Genz zunächst die Bereiche Hauswirtschaft, Reinigung und Hausreinigung kennengelernt. Schließlich durfte der Weilheimer auch noch auf Außenstation in die Metzgerei hinein schnuppern.

Dort entdeckten Chef und Praktikant ihre Sympathie füreinander: „Der Philipp ist ein sehr herzlicher Mensch“, beschreibt Ebensperger seinen Angestellten. Seit Mai 2023 arbeitet Philipp Genz dort montags bis freitags jeweils von 9 bis 15 Uhr. Die Probezeit hat er längst überstanden. Mittlerweile ist er aus dem Team der Metzgerei nicht mehr wegzudenken. Er hilft überall dort, wo seine Fähigkeiten gebraucht werden. Krank war er noch nie – und jeden Morgen bringt er seine ansteckende Fröhlichkeit mit. „Ich habe Philipp wirklich noch nie mit schlechter Laune erlebt“, sagt Martin Ebensperger: „Damit hilft er uns, uns immer wieder zu erden. Von ihm können wir viel lernen.“

Instagram-Erfolg kam eher zufällig

Das Verdienst, dass er Philipp Genz die Anstellung ermöglicht hat, will Martin Ebensperger aber nicht für sich allein beanspruchen: „Ohne die Hilfe von Kai Böbel vom IFD, dem Integrationsfachdienst Plochingen, hätte das wohl nicht geklappt“, betont der Metzgermeister. Auf dem Weg zum festen Job für Philipp habe man gemeinsam etliche Hürden nehmen müssen. Da sei die Hilfe aus Plochingen höchst willkommen gewesen. Ebensperger ermutigt deshalb alle Arbeitgeber, die es sich überlegen, Menschen wie Philipp Genz eine Chance zu geben, dieses Angebot zu nutzen.

Die Sache mit dem Instagramkanal und dem daraus resultierenden Instagram-Ruhm kam eher zufällig zustande. Erst seit Anfang Mai versuchte Ebensperger sein Glück in den sozialen Medien. Anfangs stellte er mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Fleischbilder ins Netz. Dann griff er den Tipp eines Bekannten auf: „Er hat mir geraten, ich solle nicht nur Fleisch, sondern auch Menschen mit Persönlichkeit zeigen.“ Der Metzgermeister fragte Philipp Genz, ob er Lust hätte, mitzumachen. Das hatte er. An nur einem Nachmittag entstanden sowohl der Grillfackel- als auch der Hamburger-Reel. Der Rest ist Geschichte. „Mit einem solchen Erfolg haben wir natürlich überhaupt nicht gerechnet“, sagt Martin Ebensperger und lacht.

Es wird mit harten Bandagen gekämpft

Allerdings mussten die beiden auch feststellen, dass in den sozialen Medien mit harten Bandagen gekämpft wird. Nicht alle User können sich mit dem Grillfackel-Reel anfreunden. Immer wieder taucht heftige Kritik auf, weil Philipp Genz die Fackel ohne Handschuhe wickelt.

Diese Kritik kann Martin Ebensperger nicht verstehen: „Die wenigsten Metzger ziehen Handschuhe an – und Handschuhe alleine garantieren ja noch nicht, dass alles sauber ist. Zudem ist nirgends geschrieben, dass Metzger Handschuhe tragen müssen.“ Immerhin, einen kleinen Vorteil hat die Episode: Denn mit ihrem nächsten Reel wollen Genz und Ebensperger auf humorvolle Weise diesen Streit aufgreifen.

Metzgerei in fünfter Generation

Anfänge
Der Ur-Ur-Ur-Großvater von Martin Ebensperger war am 11. November 1863 aus Fellbach nach Jesingen gekommen und hatte Maria Gmälin geheiratet. Die Mitgift hatte unter anderem 1000 Gulden in bar betragen – das wären heute immerhin rund eine Million Euro.

Metzgerei
Früher gab es allein im heutigen Kirchheimer Stadtteil Jesingen drei Metzgereien. Heute versorgt Martin Ebensperger mit seinen 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allein das Gebiet.

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