Wie lässt sich einem Flüchtling das Leben in Deutschland erklären? Am besten mit einem Spiel, findet Gabriella Hünnekens. Ihre Deutschlandreise macht jetzt in Flüchtlingsheimen Karriere. Doch manche Fragekarte sorgt dabei regelmäßig für ratlose Gesichter.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Schwäbisch Gmünd - Der Mann stammt vermutlich aus Syrien. Mit Bergen von Weißbrot auf dem Arm steht er abseits der Supermarktkassen und beobachtet mit großen Augen, wie die Einheimischen ihre Waren auf das Band legen. Dann drängt er sich irgendwo dazwischen. „Hinten anstellen“, ruft einer genervt. Für Gabriella Hünnekens ist diese Beobachtung aus den ersten Tagen der so genannten Flüchtlingswelle eine Schlüsselszene gewesen. „Die einen wissen nicht, wie es hier funktioniert. Und die anderen bringen dafür weder Geduld noch Verständnis auf.“

 

Daran müsse sich etwas ändern, beschloss die 49-Jährige. Zuerst entwickelte die aus Schwäbisch Gmünd stammende Projekt- und Kulturmanagerin eine kleine Handreichung. Mit leichter Bildsprache wollte sie den Neuankömmlingen das Leben in Deutschland näher bringen. Doch dann wurde ihr klar, dass Integration zwar gewiss kein Kinderspiel ist, sich aber vielleicht spielend einüben lässt. So saß sie mit ihrem Mann zu Hause und bastelte. Die beiden schnitten Kärtchen aus und formulierten Fragen zum Zusammenleben in Deutschland im Allgemeinen und zum politischen System im Besonderen. „Wie viele Bundesländer gibt es? Wie finde ich eine Apotheke? Was muss ich in der Mittagspause beachten?“, heißt es da im Stil eines Multiple-Choice-Tests. Wer etwas nicht weiß, muss zum Beispiel ein Lied aus seiner Heimat vortragen. Dazu konzipierte Hünnekens eine Deutschlandreise als Spielbrett. Vom Startpunkt – sinnigerweise an der der südbayerischen Grenze, wo die meisten Flüchtlinge stranden – geht es quer durch die Republik. Mit dem Prototypen tingelte die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin durch Übergangsheime und stellte erstaunt fest, welche Fragen nach Ansicht der Testpersonen dringend noch Aufnahme finden sollten. „Muss man bei Rot an der Ampel wirklich immer stehen bleiben?“ sei zum Beispiel für viele Syrer, Afghanen und Afrikaner nicht so leicht zu beantworten. Mehr als die Hälfte der 300 Fragen gingen auf Anregungen der Flüchtlinge zurück, sagt Hünnekens.

Inzwischen liegt das Würfelspiel in professioneller Ausgabe auf Deutsch und Arabisch vor. Weitere Sprachen sind in Vorbereitung. Ziel der Spielreise ist übrigens Berlin. Dass das die deutsche Hauptstadt ist, dürften die Spieler dann gelernt haben.