Migrantenkinder brauchen kleinere Gruppen und frühere Hilfen zum Deutschlernen in der Kita. Eltern sollen mehr einbezogen werden.

Mannheim - Seit etwa zehn Jahren gibt es vermehrte Bemühungen um Kinder aus Migrantenfamilien, die daheim von ihren Eltern kaum Deutsch lernen können. Ihnen soll in Förderprojekten vor dem Beginn der Schule ausreichende Sprachkenntnisse vermittelt werden. Doch die Ergebnisse dieser Bemühungen lassen, wie Untersuchungen zeigen, bis jetzt zu wünschen übrig. "Viele Kinder sind noch immer unterfördert und kommunikativ unterfordert", fasst die Sprachwissenschaftlerin Rosemarie Tracy von der Universität Mannheim zusammen.

 

Alle Bewertungen bisheriger Projekte gehen in die gleiche Richtung und zeigen, dass die Förderung noch nicht ausreichend ist, sagte die Anglistikprofessorin und Leiterin des Mannheimer Zentrums für Mehrsprachigkeitsforschung bei einem Treffen von Experten aus der Region mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU).

Zu wenig Gesprächspartner

Meist begännen die Fördermaßnahmen erst im letzten Kindergartenjahr - und damit zu spät, um vor der Schule ausreichend Deutsch zu lernen. Die Förderzeit sei zu kurz, zu viele Stunden fielen aus, und die Gruppen seien, mit neun bis zwölf Kindern, auch zu groß, um in ruhiger Atmosphäre mit ihren sprechen zu können. Dazu komme, dass Lehrer und Erzieher für die Aufgabe oft noch nicht ausreichend qualifiziert seien, stellte Tracy fest.

"Der Erwerb von Sprachen funktioniert nicht telepathisch", sagte die Wissenschaftlerin. "Die Kinder brauchen Ansprechpartner und Gelegenheiten zum Sprechen, sie müssen viel sprechen können", stellte sie fest. Daran mangle es derzeit noch. "Sie haben zu wenig Gesprächspartner und hören auch nicht genug Deutsch." Für die Praxis bedeute dies, dass die Personalstruktur der Kindertagesstätten verbessert und das vorhandene Stammpersonal aufgestockt werden müsse, erklärte Tracy. 

Das Programm "Sag mal was" dient als Vorbild

Das "Minimum" einer Förderung liege bei dreimal wöchentlich in kleinen Gruppen. Beim Spielen, Kochen oder Spazierengehen solle der jeweils passende Wortschatz vermittelt, geübt und anschließend in größeren Gruppen noch einmal vertieft werden. Dies zeigt auch das Programm "Sag mal was" für zwei- bis vierjährige Kinder im Land. Es ist von Fachleuten der Universität Mannheim gemeinsam mit der Stadt Ludwigshafen und Unterstützung der BASF entwickelt worden und hat inzwischen in der ganzen Region und darüber hinaus Verbreitung gefunden. Zu dem Projekt gehört das Angebot einer Eltern-Kind-Gruppe, die sich einmal in der Woche unter Anleitung von Erziehern trifft und in der es, neben Spielangeboten, auch Tipps und Hinweise zum Sprachgebrauch für Väter und Mütter gibt. 

Es ist ein Irrglaube, dass Migranteneltern kein Interesse am Spracherwerb der Kinder und deren Bildung haben, sagte Tracy. Man müsse ihnen aber helfen, sich in unserem Bildungssystem zurechtzufinden. "Die Welt für die Eltern aus anderen Ländern ist schwierig geworden, es werden verwirrende und vielfältige Erwartungen an sie gestellt", meinte auch Maria Böhmer und kündigte an, sich bei der Kultusministerkonferenz für die Umsetzung der Empfehlungen der Mannheimer Experten zum besseren Spracherwerb einzusetzen.

Bis jetzt gebe es noch zu viele Einzelakteure, die man besser vernetzen müsse, erklärte Maria Böhmer. Sie unterstützt auch das Bemühen um einen früheren Förderbeginn. "Man sollte schon im dritten Lebensjahr einsetzen - das zweite wäre auch nicht schlecht", meinte sie.