Eine alleinerziehende Mutter schafft es mit einer Teilzeitausbildung heraus aus der Spirale von Minijob und Arbeitslosengeld II. Immer mehr Betriebe bieten dieses flexible Ausbildungsmodell an. Auch die Integration von Geflüchteten kommt voran.

Stuttgart - Baravan Khudher ist im deutschen Alltag angekommen. Der 22-jährige Iraker schlägt sich mit den gleichen Problemen herum wie seine Kollegen und Mitschüler – etwa den Widrigkeiten bei der Wohnungssuche im Raum Stuttgart oder dem Lernstress vor der ersten Klausur, die in dieser Woche in der Berufsschule angestanden ist. „Manche Fachbegriffe sind schwer für mich zu verstehen, aber die Arbeit gefällt mir sehr gut“, sagt der junge Mann, der seit rund vier Jahren in Deutschland lebt.

 

„Bari saß vor einem Jahr noch relativ schüchtern vor uns“, erinnert sich Thorsten Leiff, Ausbildungsleiter bei K2 Systems in Renningen (Landkreis Böblingen). Der Mittelständler stellt Montagesysteme für Solaranlagen her und beschäftigt rund 130 Mitarbeiter, drei davon mit Fluchthintergrund. „Die IHK kam damals auf uns zu und fragte, ob wir einen Geflüchteten in die Ausbildung nehmen wollen“, sagt Leiff. Im letzten Jahr ist viel geschehen: Zuerst hat Khudher ein Praktikum gemacht, dann eine mehrmonatige Einstiegsqualifizierung (EQ). Im September begann er schließlich eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik und ist heute, wie sein Kollege sagt, „bei uns integriert und ein großer Gewinn für unsere Firma“.

Fünf Prozent der neuen Azubis sind Geflüchtete

Der Iraker ist kein Einzelfall. Von den 14 000 jungen Frauen und Männern, die in diesem Jahr eine Ausbildung in der Region Stuttgart begonnen haben, stammen bereits 700 oder fünf Prozent aus einem der Hauptherkunftsländer von Geflüchteten. Um auch EQ-Praktikanten besser vor Abschiebung zu schützen, machen sich Handwerkskammern und IHKs für eine Erweiterung der 3-plus-2-Regelung stark. Dadurch bekommen Personen, die in Deutschland nur geduldet sind, ein Bleiberecht für die Dauer von drei Ausbildungsjahren sowie von zwei weiteren Jahren bei Übernahme. „Um mehr Planungssicherheit für unsere 160 000 Mitgliedsbetriebe zu haben, brauchen wir eine 1+3+2-Regelung“, fordert IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl.

Die Betriebe würden angesichts der guten Konjunktur zunehmend Beschäftigungschancen für Menschen bieten, „die auf dem Arbeitsmarkt zu unrecht aus dem Blick geraten, weil ihre Voraussetzungen für eine berufliche Entwicklung nicht optimal sind“, sagt IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. Die Kammern beraten und vermitteln diese Gruppen, beispielsweise Berufswechsler, Menschen mit Behinderung, Berufserfahrene ohne Abschluss oder junge Menschen, für die keine Vollzeitausbildung in Frage kommt, weil sie Angehörige pflegen oder alleinerziehend sind.

Teilzeitausbildung statt Minijob und Jobcenter

Letzteres trifft auf Kammilla Mannke zu. Die 30-jährige Mutter eines dreijährigen Sohnes hat trotz vorherigem Abschluss mehrere Jahre keine Arbeit gefunden. Neben der Kindererziehung pendelte sie höchstens einmal zwischen Minijob und Jobcenter. Als Ausweg bot sich schließlich eine staatlich geförderte Teilzeitausbildung zur Zahntechnikerin an, die sie im September in einem Stuttgarter Labor begonnen hat. „Es ist auch anstrengend, aber mein Chef hat Verständnis dafür, dass ich manchmal später kommen oder früher gehen muss.“ Die junge Mutter arbeitet nun 30 statt 40 Stunden in der Woche, die Unterrichtszeit in der Berufsschule ist bei ihr die gleiche wie bei Vollzeit-Azubis.

Das Modell der Teilzeitausbildung, das in Deutschland seit 2005 praktisch in jedem der rund 400 Ausbildungsberufe möglich ist, setze sich allmählich auch in den Betrieben durch, erläutert Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. In der Region Stuttgart absolvieren derzeit rund 250 Menschen eine Lehre in Teilzeit, landesweit sind es mehr als 1000. Beim Start sind die überwiegend weiblichen Azubis im Schnitt um die 24 Jahre alt, erklärt Julia Behne von der Handwerkskammer. Manche Teilzeitazubis seien aber auch über 40. „Es gehört Mut dazu, dass Menschen, die eine Familie gegründet haben oder Angehörige pflegen, auch noch eine Lehre machen“, sagt Kammer-Präsident Reichhold.