Das hat Modellcharakter: In Merklingen werden Kinder betreut und Flüchtlinge qualifiziert.

Weil der Stadt - Sie lassen sich gar nicht beeindrucken von dem Trubel, der an diesem heißen Nachmittag um sie herum herrscht – die bunt gemischte Gruppe der Kids in der Krümelkiste in Merklingen. Duplos und Mini-Hubschrauber, der Kaufmannsladen und die Kugelbahn sind viel interessanter als die Reden, die die Erwachsenen schwingen. Doch als der Chor der Manufaktur dazwischen immer wieder singt, kommt das eine oder andere Kind vorbei, um zu schauen, wo die Musik herkommt. Es herrscht viel Trubel bei der offiziellen Eröffnung der Großtagespflege, wie diese neue Einrichtung im Amtsdeutsch heißt.

 

Schon im Februar hatte die Krümelkiste in der Hofmauerstraße ihre Türen für Kleinkinder geöffnet. Inzwischen werden neun Kleinkinder in den ehemaligen Räumen eines Radiogeschäfts von morgens bis nachmittags gegen 16 Uhr von Tagesmüttern betreut. Anne Krätschmer ist Gründerin und Chefin von sechs angestellten Mitarbeiterinnen. Die Sozialpädagogin arbeitet als Integrationsbeauftragte bei der Stadt Weil der Stadt. Den Umfang dieser Tätigkeit hat sie nun reduziert, um ihr Projekt Krümelkiste auf die Beine zu stellen. Denn dahinter steckt nicht nur ein Angebot zur Kleinkindbetreuung, sondern ein Programm zur beruflichen Qualifizierung von geflüchteten Frauen. Unterstützt wird dies über den Lokalen Aktionsplan des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“.

Damit Frauen Sprachkurse besuchen können, ist die Betreuung der Kinder wichtig

Frauen seien der Motor der Integration, sagt Anne Krätschmer, deswegen sei es ihr wichtig, diese zu fördern. Der Erwerb von Deutschkenntnissen spielt dabei eine große Rolle. Damit Frauen überhaupt Sprachkurse besuchen können, ist die Betreuung der Kinder wichtig. Bisher gab es in Merklingen kein Angebot für die Unter-Dreijährigen. Dies hat sich mit der Krümelkiste nun geändert. Sechs Mitarbeiterinnen beschäftigt Anne Krätschmer, darunter drei mit Fluchthintergrund, denen sie die Chance gibt, sich als Tagesmutter auszubilden.

Eine von ihnen ist Raoca Beik. Die Vierzigjährige flüchtete vor drei Jahren mit ihrer Familie aus Syrien. Die Mutter von drei inzwischen fast erwachsenen Söhnen arbeitete in ihrem Heimatland auch in der Kinderbetreuung, erzählt sie in schon recht gutem Deutsch, das sie in der Volkshochschule lernt. Bevor sie zur Krümelkiste kam, hat sie ein sechsmonatiges Praktikum im Merklinger Kindergarten Rabennest absolviert. Was sie nach ihrer Ausbildung machen möchte, lässt sie noch auf sich zukommen. Vielleicht macht sie sich selbstständig, sagt sie.

Die Anforderungen an angehende Tagesmütter sind recht hoch. Sie müssen eine zweijährige Ausbildung und eine Prüfung absolvieren, bei der sie Deutschkenntnisse auf dem mittleren Niveau B 2 nachweisen. Um die Ausbildung kümmert sich der Verein „Tages- und Pflegemutter Leonberg“. Dessen Geschäftsführerin Katrin Müller ist von der neuen Einrichtung angetan. Die Krümelkiste sei ein einzigartiges Projekt mit Modellcharakter, in dem Flüchtlingsfrauen qualifiziert, und Kinder in gemischter Gruppe betreut werden. „Wir haben dabei auch viel lernen dürfen“, sagt sie.

Lob von der Stadtverwaltung

Auch von Seiten der Stadtverwaltung findet das neue Angebot Zuspruch. „Wir sind sehr froh, dass es die Krümelkiste gibt“, sagt der Beigeordnete Jürgen Katz und lobt Tanja Kübler, die Leiterin des Amtes für Jugend und Soziales. Sie habe das Projekt mitgesteuert und im Gemeinderat durchgebracht, erklärt Katz. Das sei ein Angebot, das man dringend in der Stadt brauche. Katz lobt den pädagogischen Ansatz, mit dem gearbeitet werde und die Einbeziehung von Tagesmüttern mit Migrationshintergrund. Er betont aber auch, dass es wichtig sei, dass sich im Umgang miteinander und in der Betreuung „unsere Werte wiederfinden“. Und er gehe davon aus, dass die Kinder zweisprachig erzogen würden, Deutsch und Schwäbisch, fügte er mit einem Lachen augenzwinkernd hinzu. Die Stadt bezuschusst die Einrichtung jährlich mit 150 000 Euro. Das sei noch günstig im Vergleich zu anderen Einrichtungen, so Katz.

Anne Krätschmer ist der Stadt dankbar, dass das Projekt schneller als gedacht genehmigt wurde. „Uns geht es um Integration und um Spracherwerb“, sagt sie. Und es sei ihr und den anderen Projektpartnern wichtig, die Kinder, die sie betreuen, „an unsere Werte heranzuführen“.