Integrationsminister Manfred Lucha will auch Erdogan-Anhänger von der Demokratie und einer offenen Gesellschaft überzeugen.

Stuttgart -

 
Herr Lucha, Präsident Erdogan hat unter den türkischstämmigen Bürgern in Deutschland viele Anhänger. Wie erklären Sie sich das?
Wie viele Anhänger es wirklich sind, wissen weder Sie noch ich genau. Meine Aufgabe als Minister für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist es jedenfalls, für unsere Demokratie und unsere offene Gesellschaft zu werben. Das mache ich im Gespräch mit allen Bürgerinnen und Bürgern, die davon noch nicht überzeugt sind, selbstverständlich auch mit den türkischstämmigen.
Seit 2015 stehen beim Thema Integration vor allem die Flüchtlinge im Zentrum – haben Sie die seit langem hier lebenden Einwanderer aus dem Blick verloren?
Nein, das habe ich nicht. Viele unserer Integrationsprogramme haben einen breiten Fokus und sind offen für alle Menschen mit Migrationshintergrund. Auch für die, die schon lange unter uns leben. Wir wollen in Zukunft übrigens noch weniger unterscheiden, welche Geschichte und Herkunft die Menschen mitbringen, sondern stattdessen schauen, welche Unterstützung sie ganz konkret brauchen – immer unter dem Aspekt Hilfe zur Selbsthilfe.
Wo sehen Sie die größten Mängel bei der Integrationspolitik?
Einen großen Mangel sehe ich in der oft unsachlichen Debatte über das Thema. Wir sollten aufhören, andauernd nur symbolisch aufgeladene Diskussionen über Burkas und Kopftücher zu führen, die uns in der Sache kaum voranbringen. Schauen Sie sich stattdessen mal die Tagesordnung der Integrationsministerkonferenz Ende der Woche in Friedrichshafen an. Die ist randvoll mit guten, sinnvollen Vorschlägen aus den Ländern, wie wir die Integration voranbringen. Da arbeiten wir im Maschinenraum der Politik.
Was müssen und können Bund, Länder und Kommunen besser machen?
Wir bringen die Integration in den Kommunen weiter voran. Dort findet jeden Tag ganz konkret Integration statt, dort setzen wir an. Dafür handeln wir mit den kommunalen Landesverbänden gerade den Pakt für Integration aus. Kernpunkt soll sein, dass wir flächendeckend Integrationsmanager in den Kommunen einsetzen, die die Menschen vor Ort bei ihrer persönlichen Integration begleiten, ganz nah dran. Der Bund kann beispielsweise die arbeitsrechtlichen Regelungen verbessern oder den Zugang zum Spracherwerb. Damit beschäftigen sich auch diverse Anträge bei der Integrationsministerkonferenz. Zum Beispiel wollen wir, dass Geduldete, die eine einjährige Helferausbildung machen, während dieser Zeit vor der Abschiebung geschützt sind. Bislang galt das nur für diejenigen, die eine längere Ausbildung machen.
Unionspolitiker fordern, den Doppelpass wieder abzuschaffen. Was halten Sie davon?
Ich betrachte den Doppelpass als ein Instrument, das die Integration befördert.
Was erwarten Sie von Menschen, die in Deutschland leben wollen?
Ich erwarte von allen Menschen, die hier leben, dass sie die Grundwerte unserer demokratischen, offenen Gesellschaft aktiv leben, achten und mitgestalten.