Schon 2010 hat Integrationsministerin Bilkay Öney der CDU bescheinigt, sie betreibe eine „türkenfeindliche Politik“. Die Landtagsfraktion sieht darin eine systematische Diffamierung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Schon vor ihren umstrittenen Äußerungen über angeblichen Rassismus in der Südwest-CDU hat Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) der Union Ausländerfeindlichkeit vorgeworfen. In einem jetzt bekannt gewordenen Protokoll eines Internetchats aus dem Herbst 2010 wurde Öney gefragt, ob die Türken mit ihren traditionellen Rollen- und Familienbildern nicht eigentlich CDU-Klientel seien. Die Antwort der damaligen SPD-Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus: „Die CDU betreibt eine sehr türkenkritische und teilweise türkenfeindliche Politik. Deswegen wählen die Türken, auch wenn sie konservativ sind, lieber linke Parteien in Deutschland.” Der „Expertenchat” mit Öney und einem weiteren SPD-Abgeordneten wurde im September 2010 unmittelbar vor einem SPD-Bundesparteitag geführt und auf der Internetseite der Bundespartei veröffentlicht.

 

Der Sprecher der Ministerin sagte der Stuttgarter Zeitung, man könne „heute nicht mehr sagen, ob die Verschriftlichung des drei Jahre zurückliegenden SPD-Chats korrekt ist”. Öney habe „wohl darauf hinweisen wollen, dass es einen Zusammenhang zwischen den Haltungen von Parteien bzw. Politikern zur Türkei und den politischen Präferenzen türkischstämmiger Wähler gibt”; darum gehe es auch in einer Studie aus dem Jahr 2003. Auf die Frage, ob die SPD-Politikerin die CDU noch heute für teilweise türkenfeindlich hält, gab es keine klare Antwort. „Wie die CDU ihre Haltung zur Türkei und den in Deutschland lebenden Türken definiert, bleibt ihr überlassen”, so der Sprecher.

Die CDU fühlt sich gezielt diffamiert

Der Integrationsexperte der Landtags-CDU, Bernhard Lasotta, zeigte sich empört über die Äußerungen. „Die von der SPD veröffentlichten Aussagen Öneys belegen einmal mehr, dass sie die CDU in unerträglicher Weise gezielt diffamiert”, sagte er der StZ. Die Ministerin offenbare darin „ihre grundlegende Geisteshaltung, die nun auch in Baden-Württemberg verbreitet wird”. Damit spalte sie in der Integrationspolitik, anstatt Brücken zu bauen. Dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) sei es offenbar gleichgültig, dass Öney „wiederholt durch gezielte Diffamierungen einer demokratischen Partei in der Mitte der Gesellschaft auffällt”, rügte Lasotta.

Erst im Sommer hatte Öney im Landtag einen Abwahlantrag von CDU und FDP wegen angeblicher Äußerungen über Türkenfeindlichkeit in der CDU überstanden. Den Tenor der von einem Internetportal veröffentlichten Aussagen bezeichnete Kretschmann damals als „durchaus kritikwürdig”. Öney hatte bestritten, sich gegenüber Medien so geäußert zu haben, aber nicht ausgeschlossen, dass ein privates Gespräch unerlaubt verwendet worden sei. Zugleich kündigte sie rechtliche Schritte gegen das Internetportal an.

„Herkunft der Meldung nicht aufklärbar“

In der Antwort auf eine CDU-Anfrage berichtet sie nun, dass man „von weiteren rechtlichen Schritten” abgesehen habe. Da die Herkunft der Meldung „nicht aufklärbar” sei, könne auch nicht ermittelt werden, ob private Gespräche etwa widerrechtlich mitgeschnitten worden seien. Das Internetportal hatte eine Nachrichtenagentur als Quelle angegeben, die jedoch eine solche Meldung dementierte. Nach einer Intervention des Ministeriums war der Beitrag zunächst verschwunden, später wurde er jedoch wieder online gestellt. Zu privaten Gesprächen lehnt Öney jede Auskunft ab, weil diese „dem Schutz des gesprochenen Wortes unterliegen”.

Der CDU-Abgeordnete Lasotta warf der SPD-Ministerin daraufhin vor, ihrer Aufklärungspflicht nicht nachzukommen. Wie bei ihren Äußerungen zum „tiefen Staat” in Deutschland bleibe die Quelle der Veröffentlichung im Dunkeln. Dass es sich wirklich um ein Privatgespräch gehandelt habe, werde nicht belegt.