Marc-Oliver Hendriks, der Geschäftsführende Intendant der Staatstheater, setzt beim Umbau der Stuttgarter Oper auf gute Vorplanung. Im Interview spricht er über die stetig steigenden Risiken im Umgang mit dem alten Gebäude und eine schlechte Heizleistung im Winter.

Stuttgart - Oliver Hendriks, der Geschäftsführende Intendant der Staatstheater, setzt beim Umbau der Stuttgarter Oper auf gute Vorplanung und spricht im Interview über steigende Risiken und eine schlechte Heizleistung im Winter.

 
Herr Hendriks, beim Rundgang kürzlich durchs Haus warnte der Technikchef Arno Laudel am Fuß der Leiter zu einer Beleuchtungsbrücke: „Achtung, wackelt, hält aber.“ Wie lange hält das Opernhaus noch, ohne dass Zuschauer und Mitarbeiter gefährdet sind?
Das weiß ich nicht. Aber das Risiko steigt von Jahr zu Jahr. Die Geschäftsführung ist zur Risikoanalyse verpflichtet, unser jährlicher Lagebericht an den Verwaltungsrat enthält selbstverständlich entsprechende Hinweise. Das Thema ist allgegenwärtig: wir haben Ausfälle bei den Aufführungen, Störungen der technischen Abläufe, wenn zum Beispiel die elektronische Steuerung der Bühne ausfällt. Aber auch die „einfache“ Haustechnik ist veraltet. Sie merken das im Winter, wenn das Haus nicht mehr richtig geheizt ist.
Was haben Sie von der Delegationsreise des Verwaltungsrats der Staatstheater vor zwei Wochen zu den Opernhäusern in Kopenhagen und London an Erkenntnissen mitgebracht?
Erstens, dass die Arbeitsbedingungen in Stuttgart nur noch bedingt wettbewerbsfähig sind. Diese beiden Häuser, aber auch München und Dresden, demnächst dann Köln und Berlin, sind uns in der Bühnentechnik, den Arbeitsplatzbedingungen und der Gastronomie weit voraus. Unser räumlicher Mehrbedarf ist zu sechzig Prozent rechtlichen Vorschriften geschuldet. Selbstverständlichkeiten wie Brandschutz, Arbeitsstättenverordnung, Hygienebestimmungen erfüllen wir in vielen Bereichen nicht oder nur im Rahmen des Bestandschutzes. Zweitens: wenn wir sanieren und am Ende kommt keine adäquate Bühnenlandschaft heraus, stellt sich für das gesamte Projekt die Sinnfrage. An der Erweiterung zur „Kreuzbühne“ führt kein Weg vorbei. Und drittens sollte man dieses Projekt immer im städtebaulichen Zusammenhang sehen, wie Covent Garden in London zeigt, das zu einem baulichen Ensemble gehört. Für uns könnte das heißen, wie gestalten wir gemeinsam das Gegenüber zur Staatsgalerie?

Die Kreuzbühne würde das Angebot im Spielplan erhöhen

Was bringt die Kreuzbühne?
Wir können mehr Vorstellungen anbieten, den Opernspielplan erweitern, also mehr als heute 20, 22 Stücke je Spielzeit spielen und vielleicht entwickeln wir ästhetisch noch spannendere Bühnenbilder.
Oft führen Theatersanierungen zu enormen Baukostensteigerungen, wie lässt sich das verhindern?
Zur Klarstellung: wir betreiben ein Theater, aber wir sanieren es nicht. Bauherr ist das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die staatliche Bauverwaltung. Wenn die Vorplanungen von exzellenter Qualität sind, dann ist viel gewonnen. Mit dem Gutachten von Kunkel Consulting haben wir eine solche hervorragende Grundlage.
Sehr umstritten ist der Standort eines Ausweichquartiers während der Sanierung. Wenn Sie frei entscheiden dürften, was würden Sie favorisieren?
Das hängt davon ab, was wir in welcher Reihenfolge realisieren. Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen. Kennen wir das Sanierungsszenario, leitet sich daraus der Standort für die Interimsbespielung ab. Insofern kann ich die zweite Frage nicht vor der ersten beantworten. Zwei Aspekte sollte man immer beachten: erstens, dass man betriebliche Abläufe nicht auseinanderreißt. Das heißt, dass der Saal, in dem gespielt wird, immer mit den Werkstätten zusammengedacht wird. Zweitens sollte man für das Interim keinen Ort wählen, der das Theater aus dem Zentrum an die Peripherie führt. Wir kennen Beispiele, bei denen das nicht beachtet wurde. Nach Rückkehr ins alte Haus war es schwer, verlorenes Publikum zurückzugewinnen. Wir haben selber entsprechende Erfahrungen bei der Sanierung des Schauspielhauses gemacht. In die Türlenstraße ist uns damals der Zuschauer gefolgt, ins Nord schon eher nicht. Wir können uns bei drei, vier Jahren Schließzeit nicht leisten, dass viele ihr Abo erst einmal auf Eis legen.