Er hat die Schulden seines Vorgängers getilgt – und die Stuttgarter Schauspielbühnen in ruhiges Fahrwasser geführt: der Intendant Manfred Langner.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Wenn Ende nächster Woche „Die Perle Anna“ in der Komödie im Marquardt abgespielt sein wird, kann Manfred Langner aufatmen. Das Stück stand unter keinem guten Stern. Langner hatte es mit Anita Kupsch in der Hauptrolle inszeniert. Bei der Premiere in der Komödie Frankfurt wurde die Volksschauspielerin bejubelt, wurde dann aber krank – und für die zweite Station in der Komödie im Marquardt musste Langner die Rolle umbesetzen mit Christiane Rücker. Ohne die schillernde Hauptfigur zeigt sich aber umso deutlicher, wie verheerend schlecht und muffig das Stück selbst ist.

 

Langners Coup ist aber zumindest finanziell aufgegangen: Denn „Die Perle Anna“ ist die erste Co-Produktion mit einem anderen Theater – und ein weiterer Versuch, der „strukturellen Unterfinanzierung“ entgegenzuwirken. Denn das Alte Schauspielhaus und die Komödie im Marquardt müssen die Hälfte ihrer Ausgaben selbst erwirtschaften. Deshalb ist der Intendant Langner dabei, das Tourneegeschäft noch auszubauen. Nicht nur das Theater Heilbronn übernimmt zwei Produktionen pro Saison, es gehen auch drei bis vier Stücke pro Spielzeit auf Tournee.

Ein Geschäft, das „keine Arbeit macht und Geld bringt“, sagt Langner. Die Organisation übernimmt ein Tourneeveranstalter, das Theater bekommt „einen festen Betrag pro Vorstellung“. Einige Produktionen sind lang unterwegs – wie „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“. Seit sechs Jahren ist die Komödie schon auf Tournee, allerdings nicht mehr mit den Kessler-Zwillingen wie bei der Stuttgarter Premiere. Auch „Rain Man“ ist sehr erfolgreich und wird an die hundert Male gastieren, das Musical „Blue Jeans“, das kürzlich im Alten Schauspielhaus lief, ist auch schon gebucht. Langner ist es gelungen, die Zahl der Gastspiele zu verdreifachen. Mehr als 100 000 Euro bringen sie pro Jahr ein – und haben es Langner ermöglicht, das Defizit abzutragen, das ihm sein Vorgänger Carl Philip von Maldeghem hinterlassen hatte.

Langner ist nun in seiner dritten Spielzeit

Langner ist inzwischen in seiner dritten Spielzeit, und es wird immer deutlicher, wie stark er sich von seinem Vorgänger unterscheidet. Dabei wollte er den Erfolgskurs von Carl Philip von Maldeghem fortsetzen und hat fast alles übernommen, was er initiierte: das International Theatre und die Musicalproduktion zu Weihnachten, das Design der Spielpläne, die schwäbischen Stücke in der Komödie und die Musikproduktionen, bei denen um ein paar Hits ein Stück gestrickt wird.

Das Konzept ist geblieben, die Intentionen aber sind deutlich anders. Denn Carl Philipp von Maldeghem trat mit großem Ehrgeiz an. Er wollte die Station in Stuttgart als Sprungbrett benutzen und sich profilieren, was ihm letztlich auch gelungen ist und ihm die Leitung des Salzburger Landestheaters verschaffte. Von Maldeghem hat nicht nur frischen Wind in die Schauspielbühnen in Stuttgart gebracht, sondern deutlich versucht, auch künstlerisch Akzente zu setzen. Er suchte ungewöhnliche Stücke, originelle Besetzungen und eigenwillige Konzepte – wie „Scherenschnitt“, eine Komödie zum Mitmachen. Er engagierte Oli P. und Johannes Heesters, beauftragte John von Düffel, ein Stück über Shakespeares Sonette zu schreiben und brachte den Enthüllungsroman „Monrepos“ zum Filz im Ländle auf die Bühne. Von Maldeghem hat kein radikales oder innovatives, aber sehr wohl ambitioniertes Theater gemacht – und viel Herzblut in sein Programm gesteckt.

Solche Leidenschaft ist Manfred Langner fern. Er wirkt eher wie ein Routinier, der wenig Aufhebens um seine Person macht, aber auch um nichts kämpft, weder Experimente wagt noch hoch hinauswill. Langner macht solides Theater in einem solide geführte Betrieb. Die Publikumszahlen sind stabil, Langner hat bei den Abonnements die 200 000er-Marke erreicht. Und vor allem: die Kasse stimmt.

Denn das war die Kehrseite des Erfolgsmannes von Maldeghem: Seine Experimentierfreude hat die Theater viel Geld gekostet. Er hatte zunächst Glück, sein Vorgänger Elert Bode hatte ihm beträchtliche Rücklagen hinterlassen. Als die jedoch aufgebraucht waren, setzte von Maldeghem seinen ambitionierten Kurs ungebrochen fort und häufte ein Minus an von 200 000 Euro – die Langner nun mühsam abbezahlt hat mit dem Geld, das ihm die Tourneen gebracht haben.

Er wollte nicht nur unterhalten, sondern legte Wert auf Qualität und Inhalt

Von Maldeghem wollte sein Publikum nicht nur mit Gefälligem abfüttern, sondern es auch öffnen für Stücke und Ästhetiken jenseits der Konvention. Er wollte in der Komödie im Marquardt nicht nur unterhalten, sondern legte Wert auf Qualität und Inhalt. So hat er zum Beispiel „Kunst“ von Yasmina Reza ins Programm genommen. Das Stück ist in zahllosen Bühnen ein riesiger Erfolg, das Stuttgart Komödienpublikum tat sich aber schwer damit. Langner dagegen scheut sich nicht, ein rückwärtsgewandtes Stück wie „Die Perle Anna“ von Marc Camoletti zu spielen. Wobei dem Publikum die Geschichte über fremdgehende Eheleute durchaus gefiel.

Im Alten Schauspielhaus versucht Langner, zumindest gelegentlich aktuelles Theater zu machen. „Kohlhaas 21“ war eine Mischung aus Kleists Novelle und dem Stuttgarter Bahnhofsprotest – und war das bisher Gewagteste. Es gab durchaus Diskussionen (wozu Theater ja eigentlich da ist), aber auch hier war für Langner klar: ein Stück, bei dem das Publikum womöglich Türen schlagend geht, kann er sich finanziell nicht leisten.

Während bei von Maldeghem die überregionale Presse immer wieder vorbeischaute oder im Alten Schauspielhaus ein bundesweiter Theaterkongress stattfand, mehrt Langner die Bekanntheit der Schauspielbühnen auf seine Art. Auch wenn die Schauspielbühnen aus künstlerischer Sicht keine Rolle mehr spielen – nicht in der Stadt und schon gar nicht überregional, versucht Langner den Ruhm der Bühnen zu mehren. Die Tourneen der Stuttgarter Stücke „dienen dem Renommee“, sagt er – und ist stolz, dass „Komiker aus Versehen“, ein musikalischer Abend über Theo Lingen aus der Komödie im Marquardt nach Düsseldorf und Berlin reist. „Das ist doch erfreulich“, sagt Manfred Langner, „wenn unser Name und die Stadt gut repräsentiert werden.“