Herr Wimmer, zu Ihrer aktiven Zeit waren Sie Spielmacher. Ist man da als Trainer etwas nachsichtiger, wenn die eigene Mannschaft die Defensivarbeit ein wenig vernachlässigt wie zuletzt bei Borussia Dortmund?
Nein, dafür habe ich natürlich kein Verständnis. Jeder hat defensive Aufgaben, da kann sich niemand rausnehmen. Ich habe früher als Spieler ja auch versucht, in der Defensive meinen Job zu machen. In Dortmund hat uns die gegenseitige Unterstützung gefehlt, es war kein Miteinander. Im Training unter der Woche ist es aber wieder in die richtige Richtung gegangen. Die Spieler haben selbst gesehen, dass es so nicht funktioniert.
Haben Sie eine Erklärung für den schwachen Auftritt?
Wir haben eine junge Mannschaft, da gehören Schwankungen ein Stück weit dazu. Gegen den VfL Bochum und Arminia Bielefeld hat man gesehen, dass Qualität in uns steckt. In Dortmund war der Start unglücklich mit dem sehr frühen Rückstand. Danach haben wir dem BVB viel zu viel Platz gelassen. So dürfen wir nicht mehr auftreten.
Sie sind jetzt seit knapp drei Wochen Chefcoach beim VfB, waren davor jahrelang Co-Trainer. Was ist der größte Unterschied?
Dass ich die Entscheidungen treffe. Die Arbeitstage waren vorher ähnlich lang. Aber ich habe jetzt eine ganz andere Verantwortung. Und meine Fitness droht etwas in den Keller zu gehen: Früher bin ich vor dem Training noch eine Runde Joggen gegangen, jetzt sitze ich hier mit Ihnen beim Gespräch (lacht).
Haben Sie all die Jahre auf die jetzige Chance in der Chefrolle gewartet?
Gewartet nicht, nein. Aber für mich war immer klar, dass ich irgendwann als Cheftrainer arbeiten will, wenn sich die Möglichkeit ergibt und es für mich passt. Ich habe ja vor zwei Jahren nicht umsonst die Lizenz zum Fußballlehrer gemacht. Das ist wie mit dem Führerschein. Den macht man auch, um dann Auto zu fahren.
Laut Sportdirektor Sven Mislintat sind Sie einer von drei Trainerkandidaten. Spüren Sie einen besonderen Druck, sich beweisen zu müssen?
Ganz ehrlich? Daran denke ich gerade überhaupt nicht, sondern nur an das kommende Spiel gegen den FC Augsburg. Sich Gedanken über die Zukunft zu machen kostet Energie. Und ich brauche die Energie für Augsburg.
Können Sie sich überhaupt noch vorstellen, als Co-Trainer unter einem neuen Chefcoach in Stuttgart zu bleiben?
Gleiche Antwort: Ich beschäftige mich nur mit dem Hier und Jetzt. Und wenn die vier Spiele Mitte November vorüber sind, wird man sich an einen Tisch setzen.
Der Verein will Sie auf jeden Fall halten.
Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Es zeigt, dass man meine Arbeit hier positiv sieht.
Hatten Sie eigentlich Kontakt mit Pellegrino Matarazzo seit seiner Entlassung?
Ja, mehrfach. Wir haben am Tag nach seiner Freistellung länger gesprochen. Rino hat mir viel Glück für die Aufgabe gewünscht und uns auch nach den beiden Siegen gegen Bochum und Bielefeld gratuliert. Das zeichnet ihn als Person aus.
Sie haben gesagt, Ihre Idee vom Fußball sei sehr ähnlich wie die Matarazzos. Wie würden Sie diesen Ansatz beschreiben?
So zielstrebig wie möglich und so kontrolliert wie nötig.
Dennoch mussten Sie ja etwas ändern, um neuen Schwung reinzubringen.
Es ging nicht darum, krampfhaft etwas anders zu machen. In erster Linie mussten wir die Köpfe freibekommen. Und was man nicht unterschätzen darf: Wir hatten gegen den VfL Bochum einfach auch das Momentum auf unserer Seite, das uns in den Spielen davor gefehlt hat.
War das wirklich alles? Es reicht ja nicht, nur auf das Momentum zu hoffen.
Richtig. Aber man kann so ein Momentum auch ein Stück weit erzwingen. Wir hatten uns gegen Bochum vorgenommen, besonders zielstrebig nach vorne zu spielen. Und wenn man dann viele Szenen in Tornähe hat, steigert das auch die Wahrscheinlichkeit, das Momentum auf seine Seite zu ziehen.
Sie haben auch die eine oder andere Personalie geändert, Enzo Millot ist in die Startelf gerückt. Hatten Sie das schon als Co-Trainer angeregt?
Rino hat immer großen Wert auf die Meinungen aus dem Trainerteam gelegt. Wir wollten in den letzten Spielen mit Enzo einfach im Mittelfeld einen offensiveren Spieler auf der Achterposition reinbringen.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Sven Mislintat?
Sven und ich haben einen offenen und ehrlichen Austausch, ich spüre von ihm volles Vertrauen. Er lässt uns völlig freie Hand, sowohl bei der Aufstellung als auch bei der Trainingsarbeit. Er drängt sich nicht auf, aber wenn wir ihn brauchen, ist er für uns da.
Mislintat wird aber auch immer wieder vorgeworfen, sich in die Trainerarbeit einzumischen. Im Spiel gegen Bochum hat er lange auf Chris Führich vor dessen Einwechslung eingeredet. Fühlen Sie sich da in Ihrer Autorität nicht untergraben?
Nein, für mich ist das kein Thema. Ich bin ein Teamplayer. Und wir haben in diesem Spiel wirklich jeden Impuls von der Bank gebaucht, um die Kräfte zu bündeln. Chris hat ja auch ein Riesenspiel gemacht nach seiner Einwechslung und wurde anschließend beim Spiel gegen Bielefeld zum „Man of the Match“ gewählt. Sven muss da wirklich sehr gute Worte gefunden haben (schmunzelt).
Belastet die ungeklärte Zukunft in der Trainerfrage Ihr Verhältnis zu Sven Mislintat?
Überhaupt nicht. Es war von Anfang an klar kommuniziert, dass ich so lange Trainer bleibe, bis ein neuer gefunden ist. Es geht nicht um meine Person, sondern um den VfB. Wir müssen zusammenhalten.
Wie würden Sie sich als Person denn charakterisieren?
Ich bin jemand, der sehr gerne kommuniziert und dem der Mensch wichtig ist. Ich will wissen, wie es den Spielern geht, ich will sie verstehen. Der Mensch ist für mich neben einer klaren inhaltlichen Philosophie ein Schlüssel zum Erfolg.
Können Sie dann überhaupt ein harter Hund sein?
Ja. Wenn ich das Gefühl habe, dass es auf dem Platz nicht so läuft wie besprochen.
Sie haben selbst nie in der Bundesliga gespielt, Ihren Trainer-Lehrgang aber zum Beispiel mit Miroslav Klose absolviert. Wie haben Sie ihn erlebt?
Ich habe Miro als sehr bodenständigen Menschen kennengelernt, der sich total in die Gruppe integriert hat. Er war bereit, seine vielen Erfahrungen als Spieler mit uns zu teilen. Ein super Typ. Es freut mich sehr, dass es für ihn beim SCR Altach zuletzt wieder besser lief.
Ist fehlende Profi-Erfahrung als Spieler ein Nachteil, um als Trainer akzeptiert zu werden?
Natürlich helfen Erfahrungen als Spieler. Aber wichtig ist in erster Linie eine klare Idee, wie man Fußball spielen und Menschen führen will. Dann kann man auch ein erfolgreicher Trainer sein, unabhängig von der Vita als Profi.