Als die kulturübergreifende Veranstaltungsreihe 1996 ins Leben gerufen wurde, bestand sie nur aus ein paar Vorträgen. In diesem Jahr beteiligen sich rund 30 Veranstalter. Und die Arbeit des Integrationsausschusses scheint wichtiger denn je.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Göppingen - So viele Sprachen und Religionen treffen wohl selten in einem Raum aufeinander: Da begrüßen sich Familien mit „Come stai?“, in den Stuhlreihen sitzen Frauen mit bunten Kopftüchern neben Männern, die eindeutig aus einem asiatischen Land stammen, und die Integrationsbeauftragte Dragica Horvat wünscht den muslimischen Gästen gleich zu Beginn ein schönes Opferfest. Am Mittwochabend wurde die 20. Auflage der Interkulturellen Wochen eröffnet.

 

120 Nationen leben laut dem Oberbürgermeister Guido Till (CDU) in Göppingen, 80 Sprachen werden gesprochen und neun Religionen ausgeübt. „Integration ist bei uns Realität“, sagte Till bei der Eröffnung im Foyer des Rathauses. „Und die ganz große Mehrheit der Göppinger ist sich einig im Kampf gegen extremistische Gewalt.“ Er bedankte sich bei allen, die dazu beitrügen, dass sich die Menschen in Deutschland wohl und sicher fühlten, die aus Krieg oder Not geflohen seien.

Viel Musik zwischen den Wortbeiträgen

Die Integrationsbeauftragte und Moderatorin des Abends Dragica Horvat zog ein Fazit der vergangenen zwei Jahrzehnte: „Die Interkulturellen Wochen haben sich zu einem viel beachteten Ereignis etabliert.“ Waren es 1996 nur ein paar Vorträge, gibt es diesem Jahr 26 Workshops, Feste und Kulturveranstaltungen.

Eine Ausstellung wurde sofort eröffnet. Sie trägt den etwas sperrigen Namen „Streynsch_xD_über_identität_über_fremde_s_und_andere_impulse_“, die noch bis Freitag, 16. Oktober, im Rathaus zu sehen ist. Der Mittelpunkt der Schau sind Auszüge aus einem Gespräch in einem Internetforum, bei dem sich 18 Menschen aus verschiedenen Kulturen über ihre Herkunft und ihr Leben in Deutschland unterhalten haben.

Zwischen den Wortbeiträgen sangen der VHS-Integrationschor und die Band „The Lemons“ der Haierschule, außerdem brachte die Mädchentanzgruppe des Haus der Jugend Hip-Hop auf die Bühne.

„Wir werden heute stärker gehört“ – Die Integrationsbeauftragte Dragica Horvat im Interview

Schon im 20. Jahr werden jetzt in Göppingen die Interkulturellen Wochen gefeiert. Dragica Horvat (63), die Integrationsbeauftragte der Stadt, erzählt, wie sich die Veranstaltungsreihe entwickelt hat, und gibt ihre persönliche Veranstaltungsempfehlung ab.
Frau Horvat, die Interkulturellen Wochen feiern jetzt ihr 20-Jahr-Jubiläum. Was hat sich seit 1996 verändert?
Auf Initiative des Ökumenischen Ausländerbeirats organisierten vor knapp 20 Jahren der Weltladen, der Ausländerbeauftragte des Landkreises und der Flüchtlingsrat die erste Interkulturelle Woche. Daran beteiligte sich eine Handvoll Veranstalter. Der Schwerpunkt lag auf Vorträgen und Informationsabenden. In diesem Jahr gestalten mehr als 30 Veranstalter das Programm, wobei der Fokus auf interkulturellen Begegnungen liegt. Außerdem hat sich die vorher zum größten Teil ehrenamtliche Koordination professionalisiert. 2002 wurde ich als Integrationsbeauftragte eingestellt und leite mit dem Arbeitskreis Interkulturelle Wochen die Organisation. Doch das Ehrenamt ist nach wie vor eine tragende Säule.
Können Sie eine Veranstaltung empfehlen?
Es fällt mir schwer, eine auszusuchen. Aber worauf ich persönlich total gespannt bin, ist das Musikprojekt „Trimum“. Juden, Muslime und Christen musizieren dabei gemeinsam. Sie bieten am 4. Oktober ein Offenes Singen im VHS-Haus an. Das ist außergewöhnlich, da die drei Religionen unterschiedliches Liedgut und je einen anderen Zugang zur Musik haben.
Worin besteht die tägliche Arbeit des Integrationsausschusses?
Der Ausschuss arbeitet an der Entwicklung des Integrationsplans. Dafür gibt es vier Arbeitsgruppen, die sich mit Bildung, Wohnraum, Vernetzung und interkultureller Öffnung beschäftigen. Im Ausschuss werden integrationsrelevante Themen auf den Weg gebracht, über die anschließend im Gemeinderat diskutiert wird. Außerdem bieten die Mitglieder mit Migrationshintergrund ehrenamtlich Dolmetscherhilfe an, was jetzt gerade bei der Arbeit mit Asylsuchenden sehr gefragt ist.
Wie war das früher?
Früher hatte das Gremium den Status eines Beirats und hieß auch Integrationsbeirat. In ihm wurden hauptsächlich Informationen ausgetauscht, es konnten keine Anträge gestellt werden. Ein Ausschuss hat natürlich mehr Rechte und Pflichten und dadurch auch Eingriffsmöglichkeiten. Die sachkundigen Mitglieder werden heute stärker gehört und ihr Votum auch für die Entscheidungen des Gemeinderats eingeholt.
Was sind Ihre Wünsche für die Interkulturellen Wochen in den nächsten Jahren?
Wir müssen versuchen, noch stärker Asylbewerber in das Programm einzubeziehen. Eine kontinuierliche Zusammenarbeit gestaltet sich derzeit noch schwierig, da die Menschen oft nur für ein paar Monate hier untergebracht sind. Ansonsten hoffe ich, dass sich die Interkulturellen Wochen so weiterentwickeln, wie sie das in den letzten Jahren getan haben.

Programmübersicht der Interkulturellen Wochen

Poetry Slam
Aufgewachsen ist er in Kirchheim, mittlerweile schreibt Pierre Jarawan von München aus. Der internationale Poetry-Slam-Meister 2012 moderiert am Samstag von 20 Uhr an den Abend voller Geschichten und Gedichte im Club Bambule an der Ulrichstraße 29. Der Eintritt beträgt drei Euro.

Film
Ob mit älteren pflegebedürftigen Einwanderern kultursensibel umgegangen wird, haben Nilgün Tasman und Paul Schwarz versucht herauszufinden. Daraus ist der 45-minütige Dokumentarfilm „Bittersüße Reise“ entstanden. Am Sonntag wird der Film von 18 Uhr an im Alten E-Werk in der Mörikestraße 18 mit einer anschließenden Podiumsdiskussion gezeigt. Der Eintritt kostet fünf Euro.

Kunst
Beim Malen ist die Sprache unwichtig. Das sollen Kinder zwischen acht und zwölf Jahren bei dem Kunstworkshop „Obskure Projekte“ am Mittwoch von 15 bis 17 Uhr in der Kunsthalle an der Marstallstraße 17 erfahren. Die Teilnahme ist kostenlos.

Lebensgeschichten
Nicht nur klassische Medien, sondern auch „lebendige Bücher“ können am Mittwoch in der Stadtbibliothek am Kornhausplatz 1 von 16 bis 18 Uhr ausgeliehen werden. Menschen verschiedener Herkunft erzählen eine halbe Stunde aus ihrem Leben und beantworten Fragen dazu. Der Eintritt ist frei.

Theater
Zwei Jahre lang haben zwei Schülerinnen mit Kindern in der Asylbewerberunterkunft Pappelallee an einem Theaterstück über das Erwachsenwerden geprobt. Dies zeigen sie am Donnerstag um 18 Uhr im Alten E-Werk. Der Eintritt ist frei.

Programm
Noch bis Sonntag, 11. Oktober, gibt es zahlreiche Workshops, Feste und Kulturveranstaltungen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://stzlinx.de/ikw15