Im Gemeinderat werden Stimmen laut, die der Stadt vorwerfen, bei der Kontrolle umstrittener Provisionen für das Vermitteln von Patienten aus dem Ausland in der International Unit versagt zu haben. Die SÖS Linke-Plus fordert eine Untersuchung.

Stuttgart - Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/ Linke-plus wirft der Stadt Versagen bei der Aufarbeitung von Pflichtverletzungen in der International Unit (IU) des Klinikums vor, die 2016 aufgegeben worden ist. Darüber wurde am Freitag nichtöffentlich im Krankenhausausschuss diskutiert. Kritisiert wurde erneut der „Goldene Handschlag“ für den damaligen Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz. „Man hätte ihn fristlos entlassen können“, so Fraktionschef Hannes Rockenbauch. Bürgermeister Michael Föll (CDU) soll die einvernehmliche Trennung damit begründet haben, dass man sonst Ermittlungen der Steuerfahndung gefährdet hätte. Bisher hatte es geheißen, die Trennung sei für einen störungsfreien Neuanfang an der Klinikumsspitze nötig gewesen. Die innerstädtische Aufarbeitung stagniere, klagt Linken-Stadtrat Thomas Adler: „Neben der Frage nach der politischen Verantwortung sind die strukturellen Ursachen für das Versagen jeglicher Kontrollinstanzen bis heute nicht thematisiert worden.“ Rockenbauch wirft Ex-Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) vor, Hinweisen auf Korruption, Bestechung oder Untreue nicht nachgegangen zu sein.

 

Hohe Einnahmen bedeuten hohes Ausfallrisiko

Dem wird widersprochen. Tatsächlich aber war allen mit der Klinikumsverwaltung betrauten Personen zumindest klar, dass die IU mit Patienten aus dem Ausland ein hohes Abrechnungsrisiko eingegangen war. Darüber war immer wieder im Rathaus berichtet worden. Entsprechend hoch waren aber die Erlöse; von 2010 bis 2015 betrug der Deckungsbeitrag 30 Millionen Euro. In Quartalsberichten wurden Provisionen auch stets erwähnt, die für die Vermittlung von Patienten anfielen. Offenbar habe sich kein Verantwortlicher am Geschäftsgebaren der IU gestört, solange die Kasse stimmte, so Amtsrichter Niki Sänger, der die fristlose Kündigung gegen den Abteilungsleiter Andreas Braun verhandelte.

Stadtrat Adler warf Föll in der Sitzung vor, die ehemalige Direktorin für Finanzen und Controlling, Antje Groß, zum „Sündenbock“ für das Versagen der Verwaltung zu machen. Der Bürgermeister soll daraufhin gefragt haben, ob Braun und Groß für den Skandal noch das Bundesverdienstkreuze verliehen bekommen sollten. Der Ex-Direktorin würde es wohl genügen, wenn sich der Gemeinderat nicht länger allein auf die Aussagen von Föll und den Anwälten von BRP Renaud & Partner verließe. Am Arbeitsgericht hatten sie bereits den Kürzeren gezogen, die fristlose Kündigung ist unwirksam. Die Vorwürfe, wie etwa eine unzureichende Prüfung von Rechnungen und Verträgen, sind strittig, basieren ausweislich des nun vorliegenden Urteils in Teilen auf Behauptungen des Finanz-Servicecenter-Chefs. Der Oberbuchhalter Stefan Ganzenmüller blieb, überraschend für mit der Materie befasste Stadträte, unbehelligt, während mehrere kleine Sachbearbeiter abgestraft wurden.

Als Beschuldigte in die Endausscheidung

Sitzungsbeobachter wunderten sich auch über die Aussage Fölls, er brauche keine Finanzdirektorin, die eine Rechnung ohne erkennbare Gegenleistung freigebe. Noch Ende 2016, als man Antje Groß bereits – aus ihrer Sicht zu Unrecht – mit dubiosen Provisionszahlungen in Verbindung gebracht hatte, stand die 49-Jährige mit Fölls ausdrücklichem Segen in der Endausscheidung um den Geschäftsführerposten. Am nächsten Donnerstag beschäftigt sich der Gemeinderat öffentlich mit dem Fall.