Hans-Christoph Rademann dirigiert Händel, Bach, Ligeti und Messiaen

Stuttgart - Nein, die Schönheit steht hier nicht im Mittelpunkt. Im Beethovensaal dirigiert Hans-Christoph Rademann am Samstagabend einen Chor, in dem man einige neue Gesichter sieht. Gleiches gilt für das Orchester, und das mag mit daran schuld sein, dass es – bei aller Perfektion der Phrasierung und der Artikulation – um die vokale Homogenität (zumal im Sopran und in der Höhe) nicht ganz so gut bestellt ist wie zuletzt und dass die Balance zwischen den Sängern und den Instrumentalisten der Gaechinger Cantorey nicht immer optimal gelingt. Wer aber erfahren wollte, worum es dem künstlerischen Leiter der Internationalen Bachakademie vor allem geht, der ist in diesem Akademiekonzert genau richtig. Und wer gepackt werden will von Altem wie von Neuem, ist es ebenfalls.

 

Händels „Dixit dominus“, ein Stück des erst 22-Jährigen von schier unfassbarer Inspiration und Intensität (vor allem in der Textausdeutung) und Bachs Kantate „Christ lag in Todesbanden“ auf der einen, barocken Seite, A-Cappella-Werke des 20. Jahrhunderts auf der anderen: Dieser Kontrast allein hätte schon Zündstoff genug geboten. Aber Rademann, der Ligetis 16-stimmiges „Lux aeterna“ nahtlos in Bachs Kantate und danach deren „Halleluja“-Schluss nahtlos in Messiaens Motette „O sacrum convivium“ übergehen ließ, ging es zuallererst um das Nacherleben des Erklingenden. Klangpolitur ist dabei nur Mittel zum Zweck. So hörte man Händels Stück als hochspannende Geschichte, die in ihrem packendsten Kapitel einen grausamen Gott über trockenen Streicherakzenten tödlich wüten lässt. Dem „Lux aeterna“ mag eine Spur von Raumklangmagie abgegangen sein. Aber Messiaens Motette hat man so durchlebt und durchbebt wie hier lange nicht gehört. Unter den Solisten glänzen vor allem die beiden Sopranistinnen Johanna Winkel und Isabel Schicketanz. Bei Bach überzeugt auch der Countertenor Lawrence Zazzo – und der Tenor Daniel Johannsen, der in seiner Arie alles in den Dienst eines intensiven Ausdrucks stellt. Ein nicht vollends perfektes, aber auf grandiose Weise erfüllendes Konzert.