Jeden Sonn- und Feiertag komponierte Johann Sebastian Bach in seinem ersten Dienstjahr als Leipziger Thomaskantor eine Kantate. Die Internationale Bachakademie wagt nun ein Mammutprojekt und bringt das Kantatenwerk in der Konzertfolge „Vision.Bach“ zur Aufführung.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Gerade erst ging es in der Bachwoche um die Bewerbung und den Amtsantritt des Komponisten als Kantor der Thomaskirche in Leipzig im Jahr 1723, also vor genau 300 Jahren – schon nimmt die Internationale Bachakademie unter Leitung ihres künstlerischen Leiters Hans-Christoph Rademann das nächste Großprojekt in Angriff: „VISION.BACH“ heißt eine neue Konzertfolge, in der innerhalb eines Jahres alle 60 Sonn- und Feiertagskantaten aus dem ersten Leipziger Dienstjahr Johann Sebastian Bachs zur Aufführung kommen.

 

Freunde der Alten Musik wissen es: Zu den Amtspflichten des Thomaskantors gehörte es, für jeden Gottesdienst des Kirchenjahrs eigene Musik zu komponieren und aufzuführen. Manch anderer hätte sich bei einer solchen Aufgabe wohl schnell in Routine geflüchtet. Bach dagegen schuf Woche um Woche, Stück für Stück ein Kantatenwerk, das mit seiner Dichte, Intensität, seinem Formenreichtum und seiner Aussagekraft zum Meilenstein der Musikgeschichte wurde. „Für uns ist es eine einmalige historische Chance“, so der Stuttgarter Intendant Hans-Christoph Rademann, „diesen unfassbar reichen ersten Kantatenjahrgang so, wie die Leipziger ihn damals hören konnten, dreihundert Jahre später noch einmal in Gänze zu spielen und für ein heutiges Publikum erlebbar zu machen.“

Zwischen Ludwigsburg und Tübingen

Der Auftakt wird am 14. Mai in der Stuttgarter Liederhalle zu hören sein mit den Kantaten 75 („Die Elenden sollen essen“) und 76 („Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“), der vorläufige (?) Schlusspunkt wird dann über ein Jahr später am 31. Mai 2024 gesetzt, wiederum in der Liederhalle. Dazwischen liegen 21 Konzerte an unterschiedlichen Orten, darunter auch Kirchen in Ludwigsburg, Tübingen, Esslingen und Herrenberg.

Eine Brücke Zum Heute

Dass Rademann neben seiner Gaechinger Cantorey international namhafte Solisten verpflichtet hat, überrascht kaum. Keineswegs aber will die Bachakademie dem Publikum nur einen „musealen“ Hörgenuss bieten, so der Projektleiter Andreas Bomba. „Die Kantaten sind Musik, die dazu einlädt, über die condition humaine, also die Bedingungen modernen Lebens, nachzudenken.“ Deswegen sollen in jedem Konzert Gastredner eine Brücke zum Heute schlagen. Eingeladen sind Prominente wie die Landtagspräsidentin Muhterem Aras, der Journalist Jörg Armbruster und die Schriftstellerin Anna Katharina Hahn, aber auch weniger prominente Experten wie ein Meteorologe, eine Köchin oder ein Schäfer.

Alben für die Ewigkeit

Eine Kooperation mit dem Musiklabel Hänssler Classic wird das Projekt auch für die Nachwelt dokumentieren, ab Herbst 2023 erscheinen die Konzerte als Album, als Download und im Stream. Und wer einen langen Atem und ein wenig Kleingeld hat, kann für die musikalische Gesamtreise ausgesprochen attraktive „Packages“ mit vielen Zusatzangeboten buchen. Noch mehr Bach ist denkbar, aber kaum möglich.

Alle Termine und Informationen unter: www.bachakademie.de