Bei der Internationalen Bauausstellung in Stuttgart wollen die Architekten möglichst unabhängig von der Politik sein. Nur einer stellt die Frage, wer am Ende das Risiko trägt. Die Antwort: natürlich die Politik.
Stuttgart - Namhafte Architekten aus dem In- und Ausland haben die Initiatoren einer Internationalen Bauausstellung (Iba) in Stuttgart und der Region aufgefordert, rasch konkrete Ziele für das Projekt zu formulieren. Das vor drei Monaten vorgestellte Memorandum, in dem die Wirtschaftsförderung des Verbands Region Stuttgart, einen „Aufruf zum Wandel“ formulierte, fliege zwar hoch, sagte der Schweizer Architekt Patrick Gmür bei einer Expertenrunde, die auf Einladung des Bundes Deutscher Architekten (BDA) in Stuttgart zusammengekommen war. „Aber an den Stellen, wo man Farbe bekennen muss, fehlt es an Griffigkeit“, kritisierte er.
Zwar sei eine Iba immer ein Lernprozess – allerdings einer, bei dem man Rückgrat zeigen müsse, sagte der Fachmann aus Zürich, der dem neuen Gestaltungsbeirat der Stadt Stuttgartvorsteht. „Wir Architekten sind die Macher der Iba“, betonte Gmür. Er forderte eine maximale Unabhängigkeit der Kreativen von den Politikern: „Sonst besteht die Gefahr, dass die Prozesse wichtiger werden als die Inhalte.“ Bei einer Internationalen Bauausstellung wolle er aber „Exzellenz sehen, Überraschendes entdecken, Innovatives zeigen“. Keinesfalls dürfe versucht werden, mit einer Iba „die Aufgaben zu erledigen, die sowieso gemacht werden müssen“.
Konkurrenten im Kampf um das Geld des Landes
Das sieht Michael Braum genauso. Das Stuttgarter Memorandum sei „ein Blumenstrauß mit vielen Blüten, der aber noch keine Iba macht“, konstatierte der Geschäftsführer der Bauausstellung, die zurzeit in Heidelberg läuft und womöglich bald mit jener in Stuttgart um die Fördermittel des Landes konkurriert. Beim von ihm verantworteten Projekt habe man sich ganz auf ein Motto fokussiert: „Wissen schafft Stadt“. Dies folge der Überzeugung, „dass Wissenschaft und Bildung die zentralen Entwicklungsfaktoren für eine Gesellschaft im 21. Jahrhundert sind“. Daraus ergebe sich die Frage: „Wie bauen wir eine Stadt, in der sich Wissen vernetzt?“ Einen Teil der Antwort gab Braum gleich selbst: „Auf keinen Fall, indem man einen Bürgerbeteiligungsprozess aufsetzt.“
Dem widersprach der in Argentinien geborene und in Berlin arbeitende Landschaftsarchitekt Martin Rein-Cano zumindest indirekt. Sein Büro Topotek 1 hat vor fünf Jahren in Kopenhagen das Projekt „Superkilen“ realisiert. Es sei um einen Stadtteil gegangen, „in dem 90 Prozent Ausländer wohnten“. Mit ihnen habe man besprochen, was für sie und ihr Land charakteristisch sei. Daraus habe man eine Ortscollage gebildet, in der – ähnlich wie bei einem englischen Landschaftsgarten – Zitate aus fremden Kulturen stünden. Das Ergebnis sei ein neues, buntes Quartier, sagte Rein-Cano, gab aber gleichzeitig zu, „dass es natürlich leichter ist, so ein Projekt aus einem Problemviertel heraus zu entwickeln als dort, wo alles stimmt“.
Hamburger Iba-Macher formuliert eine große Idee
Rein-Cano bezog sich auf eine Einschätzung des früheren Chefs der Hamburger Iba, Uli Hellweg. Der hatte die fünf zurzeit laufenden Bauausstellungen unterteilt in solche, die aus Problemen heraus entstehen, und jenen, die vor allem Chancen böten. Stuttgart sei eindeutig in der Chancen-Kategorie. Aus dieser Position der Stärke heraus könne ein wirklich großer Wurf gelingen – etwa in der Frage, wie eine prosperierende, aber polyzentrische Region Wohnen, Arbeiten und Mobilität neu definiert. „So einen Ansatz gab es noch nie“, sagte Hellweg. Um Erfolg zu haben, sei, wie auch von den anderen Experten gefordert, „eine eigene kuratorische Verantwortung der Iba-Macher“ unabdingbar. Doch die Kreativen müssten sich auch fragen, wer am Ende das Risiko trage. Das seien die Politiker, sagte Hellweg und betonte, dass er in Hamburg stets die Rückendeckung der Bürgermeister gehabt habe: „Ohne Ole von Beust und Olaf Scholz wäre es nicht gegangen.“