Auf einer Fachtagung haben sich Architekten darüber unterhalten, was das bestimmende Thema der Internationalen Bauausstellung IBA 2027 StadtRegion Stuttgart werden soll. Es gab viele Vorschläge, aber noch keine Entscheidung.

Stuttgart - Elf blaue Stühle stehen am Donnerstagabend vorne im Tiefenhörsaal der Universität Stuttgart – und Farbe und Zahl haben geradezu symbolische Bedeutung. Blau, weil die Farbe die Hoffnung signalisiert, ein Fundament für die Internationale Bauausstellung Iba 2027 StadtRegion Stuttgart zu legen. Und dass die die mehrstündige Iba-Fachtagung beschließende Podiumsdiskussion elf Teilnehmer hat, beweist, wie vielstimmig der Chor noch ist, wenn es um Ziele und Motto der Iba geht – zumal wenn sie die Brücke schlagen will zur bedeutenden Werkbund-aussstellung am Weißenhof im Jahr 1927.

 

„Vor einem Jahr wären wir noch als hoffnungslose Idealisten dargestellt worden. Mit der heutigen Fachtagung haben wir die Iba-Diskussion weiter vorangebracht“, sagte Markus Müller, der Präsident der baden-württembergischen Architektenkammer zum Abschluss. Nun gelte es aus der großen Wolke an Ideen die tragfähigen herauszukristallisieren. „Das ist ein Prozess, den wir ertragen müssen“, sprach er nicht wenigen, der noch ausharrenden, rund hundert Zuhörer im anfangs ziemlich vollen Tiefenhörsaal aus der Seele. Parallel dazu werden momentan hinter verschlossenen Türen die Weichen gestellt, wie eine Projektgesellschaft für die Iba aussehen soll und wer die Personen sind, die sie leiten werden. Ob das bis zum zweiten Quartal 2017 klappt wie ursprünglich geplant, dahinter machte Regionalpräsident Thomas Bopp ein Fragezeichen: „Spätestens bis zur Sommerpause sollten wir das aber hinbekommen.“

Kulturmanager Roth fordert eine Person, die die IBA vertritt

Falls dies gelingt, dann haben die Iba-Macher zumindest einige Fettnäpfchen nicht betreten, vor denen Martin Roth, renommierter Kulturmanager und früherer Chef des Victoria-and-Albert-Museums in London, ausdrücklich warnte. „Sie brauchen bald eine funktionierende Struktur, davon hängt die Qualität ab“, sagte er. Eine Person müsse das Gesicht der Iba werden, „wenn da zu viele mitmischen wollen, ist das für Außenstehende nicht nachvollziehbar“. So ein Projekt müsse langsam wachsen, meinte Roth. Nicht alles könne schon heute entschieden werden. Wichtig sei, „um Zeit zu kämpfen“. Und dann empfahl er, sich auf ein Hauptthema zu konzentrieren. „Überfordern Sie die Öffentlichkeit nicht, sie müssen fokussieren“, riet Roth.

Ein Hauptthema – aber welches?

Das war leicht gesagt, aber worauf? Die Fachtagung, die von den vier Architekturhochschulen der Region, den Verbänden der Architekten und Stadtplaner sowie der Freunde der Weißenhofsiedlung und der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart gemeinsam veranstaltet wurde, sollte erste Antworten liefern. Architekten und Stadtplaner hatten sich deshalb schon am Nachmittag in gut besuchten Workshops im Haus der Architekten mit Fragestellungen für die Stadt von morgen beschäftigt – und anhand von Beispielen von Architekten aus London, Zürich, Berlin und Wien interessante Ideen präsentiert bekommen. Das einfache Selbstbauen in Gemeinschaften und an heruntergekommenen Ecken wie es Maria Lisogorskaya vorstellte, die Gebäudekomplexe mit hoher Dichte auch außerhalb der Stadt, die Martin Gutekunst und Thomas Friberg aus Zürich mitbrachten oder die flexibel nutzbaren Gebäude, die die Berliner Architektin Kristien Ring zeigte.

Muss eine regionale Iba sich und den Gedanken einer Bauausstellung neu erfinden, wie der Züricher Regionalplaner Angelus Eisinger forderte, und sich gleichermaßen um den Bestand und den Neubau von Wohnungen kümmern? Oder geht es „im Unterschied zu allen anderen Ibas um die Leistbarkeit des Wohnens – „eine Frage auf die die wachsenden Stadtregionen Europas noch keine Antwort gefunden haben“, wie Rudolf Scheuvens aus Wien sagte? Dabei gehe es um Dichte und Vielfalt des Wohnens, aber auch um die Auswirkungen, die beispielsweise das autonome Fahren auf die Stadt habe. Es dürfe nicht nur darum gehen, Wohnraum zu schaffen, sondern darum, „wie wir die Stadt weiterentwickeln“.

Der Esslinger Oberbürgermeister und SPD-Regionalrat Jürgen Zieger rückte in der Podiumsdiskussion den Bau von bezahlbarem Wohnraum als „größte gesellschaftspolitische Herausforderung“ in den Vordergrund. Für ihn bedeutet die Iba auch eine Chance, das Thema Wohnungsneubau, dem alle theoretisch zustimmten, ihn in der eigenen Nachbarschaft aber ablehnten, positiv zu besetzen. „Wir müssen wieder Lust machen zu bauen“, sagte er. Und er erwartet finanzielle Unterstützung des Landes. Carolin zur Brügge vom Stuttgarter Stadtplanungsamt plädierte dafür, die Menschen einzubeziehen – „mit ihren Ideen und ihrer Bereitschaft, ihren Lebensraum zu gestalten“. Deshalb sei es richtig, sich nicht schon früh festzulegen. Da war sie wieder die Streitfrage möglichst konkret oder sehr offen den Prozess der Ideenfindung zu gestalten, viele zu beteiligen oder auf eine originäre Führungspersönlichkeit zu setzen.

„Die Iba braucht auch Streit“, sagte Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförder-GmbH, die den Prozess momentan steuert. Den erwartet auch Kulturmanager Roth: Wenn Vorschläge (Zieger:„Mancher Bürgermeister wird erfahren, dass nicht jedes Reihenhaus mit einem Grasdach ein Iba-Projekt ist“.) abgelehnt würden, „werden Sie sich Gegner machen“. Aber Scheuvens empfahl für diesen Fall nicht nur ein loyales Team, sondern auch eines mit „Trüffelschweinen für gute Ideen“.