Die Gemeinde verspricht sich von der Internationalen Bauausstellung 2027 einen Entwicklungsschub. Das Gebiet „Untere Wiesen“ soll ein zukunftsweisendes Quartier werden. Der Regionalplan könnte den Vorhaben jedoch Grenzen setzen.

Dettingen - Esslingen, Nürtingen, Böblingen, Kernen (Rems-Murr-Kreis), Salach (Kreis Göppingen) und Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) – alle diese Kommunen außerhalb Stuttgarts hatten bereits die Aufnahme in die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion (IBA) geschafft. In der zweiten Tranche ist jetzt auch Dettingen „zur Aufnahme ins IBA-Netz vorgesehen“. Diese frohe Kunde hat der Bürgermeister Rainer Haußmann dem neu gewählten Gemeinderat unterbreitet. Das rund 6000 Einwohner zählende Dettingen habe sich damit „für die Champions League der Baukultur qualifiziert“, erklärt der Bürgermeister stolz.

 

Der Ortskern und der Guckenrain sollen zusammenwachsen

Konkret hat sich die Gemeinde mit dem rund 6,5 Hektar großen Gebiet „Untere Wiesen“ beworben. Im Titel „Verbinden, was uns trennt“, klingt bereits eine Zielrichtung des Entwicklungskonzepts an. Bereits 1998 hatte die Gemeinde das Ziel formuliert, den alten Ortskern und das von 1949 an hinzugekommene, auf der anderen Seite der B 465 liegende Gebiet Guckenrain zusammenwachsen zu lassen.

Dettingen sei kein Einfamilienhaus-Teppich, betont Rainer Haußmann. Architektonischer Variantenreichtum mit dem klassischen Eigenheim am einen Ende der Skala und Geschosswohnungsbau mit sozialer Komponente am anderen Ende kennzeichne die Ortsentwicklung seit langem. Konsequent seien Baulücken geschlossen worden, um dem Flächenfraß vorzubeugen. Innovative Wohnformen, Nachhaltigkeit, sozial gemischte Quartiere – all diese im Einklang mit der IBA stehenden Inhalte würden in Dettingen seit zwei Jahrzehnten umgesetzt.

Bei kurzen Wegen kann auf das Auto verzichtet werden

Der Planungshorizont für das künftige Gebiet „Untere Wiesen“ reicht bis in das Jahr 2035. Wohnen, Arbeiten und Ökologie sollen hier in richtungsweisender Form am Ort unter einen Hut gebracht werden. „Wir werden von den Besten lernen“, verdeutlicht Rainer Haußmann die Bedeutung, welche die Aufnahme Dettingens in die Riege der IBA-Kandidaten habe. Der Bürgermeister verspricht sich davon einen städtebaulichen Sprung nach vorne. Mehr Kompaktheit und kurze Wege bei gleichzeitiger Steigerung der Lebensqualität visiere die Teckgemeinde an.

Um zu veranschaulichen, was gemeint ist, skizziert Rainer Haußmann diese Zukunftsvision: „Ich sehe einen Vater, der seine zwei Kinder an der Hand in die Kita bringt. Dann geht er zu Fuß ins Büro, isst hier im Hotel zu Mittag, besucht den Opa im Pflegeheim, geht dann nach Hause und die Frau hat bereits den Grill angeworfen.“ Die Familie verzichte dabei im Alltag auf das Auto. Mit dem Hotel, der vor wenigen Jahren fertiggestellten Kita Wirbelwind und dem Pflegeheim sei die Infrastruktur für ein Wachstum Dettingens geschaffen, erklärt Rainer Haußmann.

Der Bürgermeister hält den Regionalplan für überholt

Die Gemeinde könnte folglich wachsen – vorausgesetzt die Region lässt dies zu. Leider sei der Regionalplan zu restriktiv, kritisiert Rainer Haußmann, und gestatte lediglich eine Entwicklung von rund der Hälfte der vorgesehenen Fläche. Laut dem Bürgermeister ist es jedoch notwendig, die kompletten 6,5 Hektar in den „Unteren Wiesen“ zu bebauen, sonst sei das Ganze „wirtschaftlich nicht darstellbar“.

Kirchheim und Dettingen sind von der Bebauung her praktisch zusammengewachsen. Haußmann zufolge müssen die Stadt und die Gemeinde daher planerisch als Gesamtheit begriffen werden. Die scharfe Trennung nach Ortsschildern halte er für eine „technokratische Betrachtung. Der Regionalplan ist nicht mehr zeitgemäß für Gemeinden in unserer Lage“. Die IBA-Zusage ist für den Bürgermeister nicht nur der „Ritterschlag“ für seine Gemeinde, sondern auch ein Alleinstellungsmerkmal, das dabei helfen soll, der Region Zugeständnisse abzuringen.

Iba befördert Ideen für das Leben in der Zukunft

Stadtplanung
Eine Internationale Bauausstellung dient als Instrument der Stadtplanung und des Städtebaus. Sie ist als Labor auf Zeit gedacht. Es sollen soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Ideen entwickelt werden, die als Vorbild dienen. Eine IBA dauert zehn Jahre, zum Schluss werden die Projekte der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt.

Ursprung
Die erste IBA fand 1901 in Darmstadt statt. Sieben Jugendstilkünstler sollten im Sinne der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung Kunst und Handwerk zusammenführen und in einer Künstlerkolonie neuzeitliche Bau- und Wohnformen entwickeln.

Stuttgart
Es gab schon einmal eine IBA in Stuttgart, und zwar 1927. Damals entstand am Killesberg die Weißenhofsiedlung. Führende Vertreter des Neuen Bauens errichteten die 21 Musterhäuser mit insgesamt 63 Wohnungen. In ihrer schnörkellosen Modernität ist die Siedlung ein Spiegelbild der gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche des frühen 20. Jahrhunderts. Genau 100 Jahre später kommt die Internationale Bauausstellung wieder in die Region Stuttgart.

IBA’27
Bei der IBA’27 geht es um die Frage: Wie leben, wohnen und arbeiten wir im digitalen und globalen Zeitalter? Dazu haben fünfhundert Menschen aus Zivilgesellschaft, Politik, Planung, Architektur, Kunst, Kultur und Wirtschaft im Jahr 2016 ein Memorandum mit der „Vier-mal-vier-Themenwelt“ erarbeitet. Vier Leitthemen und vier Querschnittsqualitäten bilden damit das inhaltliche Grundgerüst für die Internationale Bauausstellung’27.

Vier-mal-vier-Themen
Ausgangspunkt ist das Leitthema „Baukultur einer Neuen Moderne“. In diesem Zusammenhang sollen „integrierte Quartiere“ geschaffen werden mit bezahlbaren Wohnungen für alle sozialen Gruppen. Beim Thema „Neue Technologien für die lebenswerte Stadtregion“ geht es ums moderne Bauen. Zudem soll die alte Trennung in Stadt und Land aufgeweicht werden. Motto: „Region ist Stadt und Stadt ist Region“.

Organisatoren
Gesteuert wird das Projekt von der eigens gegründeten IBA 2027 Stadt-Region Stuttgart GmbH. Gesellschafter sind die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, die Architektenkammer Baden-Württemberg sowie die Universität Stuttgart.