Frauen werden im Beruf noch immer benachteiligt, sei es bei Führungspositionen oder im Gehalt. Doch manchmal haben auch Männer das Nachsehen, wie eine wissenschaftliche Studie in sechs Ländern zeigt.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Berlin - Eine Diskriminierung beim Bewerbungsprozess gilt als ein Grund, dass Frauen es auf dem Arbeitsmarkt im Schnitt schwerer als Männer haben. Eine Studie, die in der Zeitschrift „European Sociological Review“ erschienen ist, versucht, eine mögliche Diskriminierung zu messen. Die Autoren sprechen in einer Pressemitteilung von der „ersten länderübergreifenden Feldstudie zur geschlechtsspezifischen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt“.

 

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Die Forscher erstellten dabei in Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Großbritannien und den USA für 4300 Bewerbungsschreiben fiktive Profile von 22- bis 26-jährigen Frauen und Männern für offene Stellen in sechs Berufen. Als Frauen- bzw. Männerberufe wurden Berufe definiert, in denen der Anteil der Frauen bzw. Männer bei mindestens 66 Prozent lag. Frauenberufe waren Lohnbuchhaltung, Empfang und Verkauf, ein Männerberuf die Softwareentwicklung. Verkauf und Koch/Köchin galten als geschlechterneutrale Berufe.

Frauen und Männer waren im gleichen Alter und hatten die gleichen Qualifikationen. Um eine Diskriminierung wegen des Nachnamens auszuschließen, trugen sie alteingesessene Nachnamen.

Die Forschergruppe fand dabei für die sechs Berufe in keinem der Länder Hinweise auf eine systematische Benachteiligung von jungen Frauen – auch nicht in der von Männern dominierten Softwareentwicklung. Dafür wurden junge männliche Bewerber benachteiligt, wenn sie sich für Stellen in der Lohnbuchhaltung, im Empfang und Verkauf bewarben – das allerdings nur in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien. Hier war im Schnitt die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein möglicher Arbeitgeber auf eine Bewerbung meldet, zwischen fünf und neun Prozent geringer als bei Frauen.

Für den Verkauf hatten es männliche Bewerber besonders schwer

„In Deutschland mussten bei Stellenangeboten als Verkäufer männliche Bewerber zum Beispiel fast doppelt so viele Bewerbungen schreiben, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen oder um weitere Informationen gebeten zu werden“ sagt Jonas Radl, Forscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

Laut Radl gebe es in der Forschung allgemein Hinweise, dass Frauen in Frauenberufen und Männer in Männerberufen besser gestellt sind als das andere Geschlecht. „Eine Feldstudie, die für Deutschland zeigt, dass Frauen in einem Männerberuf nicht schlechter gestellt werden, ist neu.“

„Wir müssen unsere Annahmen überprüfen, dass Frauen immer die benachteiligte Gruppe sind“, sagt Studienautorin Gunn Elisabeth Birkelund von der Universität Oslo. „Geschlechtsspezifische Diskriminierung ist offensichtlich komplexer.“

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Radl betont aber, dass man die Studie im Kontext sehen müsse. „Im Schnitt sind Frauen im Berufsleben klar schlechter gestellt als Männer“ – etwa, was Bezahlung und Führungspositionen angehe. Zudem sei bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Männerberuf wieder aufgeben, recht hoch. Das treffe aber ebenfalls für Männer in Frauenberufen zu. „Die Geschlechterrollen verfestigen sich, leider hat sich hier noch nicht so viel getan“, so Radl.

Darüber hinaus zeigt sich, dass, einmal in der Vorstandsetage angekommen, die Verdienstmöglichkeiten für Frauen sehr hoch sind. Einer Analyse des Beratungs- und Prüfunternehmens EY zufolge verdienen Frauen in der Topetage börsennotierter Firmen in Deutschland im Schnitt inzwischen knapp ein Drittel mehr als ihre Vorstandskollegen. Anders als Geschlechtsgenossinnen, die teilweise auf weniger kommen als Männer, bauten Managerinnen im Vorstand ihren Gehaltsvorsprung im vergangenen Jahr in der Summe aus. Der Abstand war demnach mit 31 Prozent so deutlich wie nie zuvor.

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