Internationale Wochen gegen Rassismus Geschichten vom Ankommen in Renningen

Das Thema der diesjährigen Internationalen Wochen gegen Rassismus ist „Menschenwürde schützen“. Foto: Geronimo Schmidt

Bei der Vorstellung eines Buches mit Fluchtgeschichten aus Renningen stehen Plädoyers für den Schutz der Menschenwürde und -rechte im Mittelpunkt.

„Angekommen in Renningen“ lautet der Titel eines Buches, das die Stadt jetzt bei einer Veranstaltung im Rahmen der Wochen gegen Rassismus im Bürgerhaus vorgestellt hat. In 15 bewegenden Geschichten erzählen Menschen ihre Erlebnisse und Erfahrungen, an deren Ende ihre Ankunft in der Rankbachstadt stand. Das reicht von der afghanischen Familie, die vor den Taliban geflüchtet ist, über die junge Kurdin, die der Krieg und die IS aus Syrien vertrieben haben bis hin zur ukrainischen Großmutter, die die Flucht ins Ungewisse angetreten und gehofft hat, nach einem Monat wieder heimkehren zu können und die inzwischen deutsche Freunde gefunden hat.

 

Das Team des städtischen Integrationsmanagements hat die Geschichten gesammelt und aufgeschrieben – und die Stadt hat sie nun als Buch herausgegeben. Bei der Premiere präsentierten sich viele der Autorinnen und Autoren, die als geflüchtete Menschen in Renningen eine neue Heimat gefunden haben, unter dem Beifall des großen Publikums im Saal.

Renningen lebt von der Vielfalt

Rund 3200 Menschen mit ausländischem Pass aus 97 verschiedenen Nationen wohnen derzeit in Renningen, erklärte die Bürgermeisterin Melanie Hettmer. Vom städtischen Integrationsmanagement werden derzeit etwa 250 Geflüchtete betreut, ergänzte die Integrationsmanagerin Christina Böhme. Sie wies daraufhin, dass die Stadt in ihrer Vergangenheit schon viel Erfahrung mit Geflüchteten gemacht habe, als es nach dem zweiten Weltkrieg das Durchgangslager in Malmsheim gab, das rund 100 000 Geflüchteten und Vertriebenen den Start in ihrer neuen Heimat im Land ermöglicht hat.

15 Menschen erzählen in „Ankommen in Renningen“ eindrucksvoll, wie sie in der Stadt am Rankbach angekommen sind. Foto: G/eronimo Schmidt

Die Bürgermeisterin Melanie Hettmer, seit Dezember 2024 im Amt, sagte, sie habe schon im Wahlkampf bemerkt, dass Renningen eine Stadt mit sehr viel Vielfalt und viel Respekt füreinander sei. „Für mich ist diese Vielfalt ein Schatz und den möchte ich bewahren“, betonte Hettmer. „Rassismus und Diskriminierung sind immer ein Denken oder Handeln zulasten anderer“, sagt sie in ihrem Geleitwort zum Buch. Die Unterstützung vieler Gruppen und Vereine helfe dabei, dass die neu zugezogenen Menschen rasch keine Fremden mehr seien.

Ist die Menschenwürde doch antastbar?

Das diesjährige Motto der internationalen Wochen gegen Rassismus lautet „Menschenwürde schützen“. Jeder Mensch habe nach dem Grundgesetz Artikel 1 das Recht, dass man ihm mit Respekt und ohne demütigende Behandlung begegnet, so Hettmer. Wie schwierig das im Alltag ist, demonstrierten Schülerinnen und Schüler der Theater-AG des Renninger Gymnasiums. Die Jugendlichen zeigten Szenen, die auf beängstigende Weise deutlich machten, wie oft Grenzen des respektvollen Umgangs überschritten werden. Und wie schnell aus dem Motto „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ein „Die Würde des Menschen ist antastbar“ werden kann.

So mobben Jugendliche einen Mitschüler wegen seiner Kleidung, ein Lehrer macht eine Schülerin so lange lächerlich, bis sie weinend das Klassenzimmer verlässt, Eltern beschimpfen ihr Kind wegen einer schlechten Note, eine Schulklasse mobbt eine Lehrerin. Die jungen Schauspieler gehen auch aus ihrem eigenen Erfahrungsumfeld heraus und zeigen eine ältere Stellenbewerberin, die wegen ihres Alters im Bewerbungsgespräch Spott erfährt.

Es geht nicht um westliche, sondern universale Werte

Zu dieser als so leicht antastbar gezeigten Menschenwürde bildete das Plädoyer für den Schutz der Menschenrechte von Joachim Rücker einen eindrucksvollen Kontrapunkt. Der frühere Oberbürgermeister von Sindelfingen, Diplomat und Kämpfer für Frieden und Menschenrechte, hat lange für die Vereinen Nationen gearbeitet, etwa als Leiter der UN-Friedenskommission im Kosovo oder als Präsident des UN-Menschenrechtsrats. Als die drei Hauptzuständigkeiten der UN nannte er Frieden und Sicherheit, nachhaltige Entwicklung sowie Schutz der Menschenrechte. Vor allem bei den Menschenrechten habe es „riesige Erfolge bei der Rechtssetzung gegeben, viele Verträge seien unterschrieben und „ein ordentliches Gebäude beim Völkerrecht“ errichtet worden.

„Dennoch sind Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern traurige Realität“, so Rücker. „Doch wollen wir hinnehmen, dass die globalen Regeln geschwächt und verletzt werden?“ fragte er. Auf dem Spiel stünden nicht westliche, sondern universale Werte wie etwa das Gewaltverbot und das Recht auf territoriale Souveränität. „Wir müssen alles daransetzen, diese globalen Regeln zu stärken“, forderte Rücker und sagte, dass alle Konflikte ursächlich der mit Verletzung der Menschenrechte begännen. „Das ist ein hartes Thema. Es ist wichtig, dass wir uns damit befassen“, so Rücker und weiter: „Menschenrechte sind Individualrechte, die eingeklagt werden können. Das sollte überall die Regel sein.“

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