Im Rems-Murr-Kreis gibt es seit 20 Jahren einen Runden Tisch gegen Häusliche Gewalt, trotzdem sind sich die Verantwortlichen sicher: Es muss sich noch viel tun. Bei einem Aktionstag wird auf die schrecklichen Taten aufmerksam gemacht.
Es sind Meldungen wie diese, die fassungslos machen und Handlungsbedarf aufzeigen: Im Juni 2023 wurde in Mössingen eine 22-jährige Frau von ihrem 21 Jahre alten Lebensgefährten durch massive Gewalteinwirkung getötet. Die gemeinsame eineinhalbjährige Tochter ließ er allein in der Wohnung zurück, wo sie erst zwei Tage später von der Oma aufgefunden wurde. Die Gleichstellungsbeauftragte Fellbachs ist sich sicher: „Nur wenn mehr getan wird und es stärkeren Schutz gibt, wird sich an der hohen Zahl von solch schrecklichen Gewalttaten gegen Frauen, die oft auch Kinder ins Leid stürzen, etwas ändern. Zuletzt wurden bei uns im Kreis gleich zwei Frauen ermordet.“ Es müsse ein stärkeres Bewusstsein geschaffen werden, sagt Anneliese Roth und fügt an, dass sich schon was geändert habe, aber eben noch nicht genug. „Es gibt zu wenig Plätze in Frauenhäusern und speziell für psychisch Kranke, deshalb muss immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden.“
Der Aktionstag wird jährlich am 25. November begangen
Genau das ist Sinn und Zweck des Internationalen Tags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen. Der Aktionstag wird jährlich am 25. November begangen, um Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen zu bekämpfen. Auch im Rems-Murr-Kreis wird viel dafür getan, die Beratung für Opfer von häuslicher Gewalt zu optimieren. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise im Jahr 2004 der kreisweite runde Tisch häusliche Gewalt gegründet, der alle wichtigen Akteure, die im Rahmen häuslicher Gewalt eingebunden sind, zusammenbringt.
Die Mitglieder des Runden Tisches können auf 20 Jahre Zusammenarbeit zurückblicken. Gleichzeitig geben die erschreckend hohen Zahlen und das Ausmaß an Gewalt im häuslichen Umfeld Anlass zur Sorge. Lagen die Partnergewalt-Fallzahlen im Kreis 2014 noch bei 553 Fällen, sind sie bis 2023 auf einen Stand von 712 angestiegen. Dabei liegt der Anteil an weiblichen Opfern seit 2014 konstant bei mindestens 74 Prozent, zeigen Zahlen des Polizeipräsidiums Aalen.
Es wird auch die Idee der „Roten Bank“ aufgegriffen – als Symbol
Deshalb möchte das Netzwerk des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt in seinem Jubiläumsjahr auf die Brisanz des Themas hinweisen und ihm Raum in der Öffentlichkeit geben. Dazu wird die Idee der „Roten Bank“ aufgegriffen – ein Symbol für geschlechtsspezifische Gewalt, das ursprünglich aus Italien stammt. 2016 wurde dort die erste Rote Bank in Perugia an öffentlichen Plätzen aufgestellt, es folgten daraufhin viele weitere Städte in Italien und Deutschland. In Kooperation mit den Städten und Gemeinden im Rems-Murr-Kreis wurde die Aktion „Rote Bank“ auch in den Kreis geholt. Insgesamt beteiligen sich im Rahmen dessen zwölf Städte und Gemeinden. Über einen QR-Code an der jeweiligen Bank kommen Betroffene an hilfreiche Informationen.
In Winnenden sind alle Interessierten eingeladen, an diesem Montag um 15 Uhr zur Einweihung der dortigen „Roten Bank“ als Gedenkstätte und Zeichen gegen Gewalt in den Stadtgarten Winnenden, direkt neben der Hermann-Schwab-Halle, zu kommen.
Auch die „Orange Days“ finden statt
Ebenfalls anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen finden ab diesem Montag auch die „Orange Days“ statt. Orange deswegen, weil diese Farbe eine Zukunft ohne Gewalt gegen Frauen symbolisieren soll. Mit eigenen Aktionen und Angeboten macht das Kreisjugendamt des Kreises mit zahlreichen Veranstaltungen auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam. Eine Auftaktveranstaltung findet direkt am Aktionstag, am 25. November, im Schulzentrum in Rudersberg statt. Begleitet werden die „Orange Days“ durch kreisweite Aktionen von Jugendsozialarbeitern im Kreis.
Trotz der seit Jahren alarmierenden Zahlen gibt es immer noch viel zu wenig Unterstützung für Betroffene. Und das, obwohl Deutschland die Istanbul-Konvention unterzeichnet hat und sich damit zum Ausbau von Gewaltschutzmaßnahmen verpflichtet hat. „Aber sie wurden nicht auf den Weg gebracht“, sagt Anneliese Roth und fügt an, dass die Fellbacher Gleichstellungsstelle und die Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Waiblingen mit Kooperationspartnerinnen deshalb unter dem Motto „Wir brechen das Schweigen“ an diesem Montag, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam machen. Wie jedes Jahr setzen die leuchtend blauen Fahnen der Frauenrechtsorganisation „Terre des femmes“ am Fellbacher Rathaus und den Verwaltungsstellen ein sichtbares Zeichen.
Im und um das Rathaus Fellbach wird über das Thema informiert
Im und um das Rathaus wird über das Thema häusliche Gewalt informiert. Plakate mit Beschreibungen von Gewaltformen – Schlagen, Ohrfeigen, Beleidigen, Treten – werden beidseits des Wegs von der Stadtbahnhaltestelle Lutherkirche in den Rathausinnenhof liegen, ebenso von der Hinteren Straße in den Innenhof. Unweit des Rathauses Fellbach werden zudem am Montag um 9 Uhr Grabkerzen an alle Frauen erinnern, die im Vorjahr von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet wurden, 155 Femizide waren es 2023. „Wir werden keine große Aktion machen. Aber wir zünden gemeinsam die Kerzen an und lassen sie dann leuchten, bis sie abbrennen“, so Anneliese Roth. Auch in Waiblingen wird auf das Thema aufmerksam gemacht. „Sehen-erkennen-handeln“ – unter dem Motto steht eine Veranstaltung an diesem Montag von 18.30 bis 20.30 Uhr im Karo-Familienzentrum. Wenn gewaltbetroffene Frauen über das Erlebte sprechen, ist es oft herausfordernd, darauf richtig zu reagieren. Guido Fuchs, systemischer Berater und Therapeut, informiert darüber, wie frühe Anzeichen und Warnsignale erkannt und Betroffene unterstützt werden können.
Anlaufstellen und Beratungsangebote im Kreis – für Männer und Frauen – finden sich auf der Homepage des Landkreises unter https://www.rems-murr-kreis.de/jugend-gesundheit-und-soziales/beratung/haeusliche-gewalt. Zudem können sich Betroffene nach einer Vergewaltigung an die Soforthilfe am Klinikum Winnenden wenden. Dort können Spuren gesichert werden, ohne sofortige Anzeige.