Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)
Viele Eltern tun sich schwer, mit ihren Kindern offen über Sex zu reden. Wie kann man die Gesprächsatmosphäre entkrampfen?
Sie können zum Beispiel sagen: „Ich weiß, dass eure Generation einen anderen Umgang mit Medien hat als wir ihn hatten. Aber visuelle Medien machen was mit dir und können dir ein Sexualverhalten beibringen, das für eine intime Beziehung Hürden aufwirft, weil es dann um zwei reale Menschen geht.“
Sollte man anstatt zu reden lieber den Stecker ziehen und den Computer wegschließen?
Verbote reichen nicht. Das ist spätestens seit der Umgehung von Filtersoftware durch Smartphones klar. Die Eltern müssen Stellung beziehen. Etwa so: „Hör mal, es liegt an dir, wie du damit umgehst, aber Lust und Befriedigung haben etwas mit ‚Lernen‘ zu tun. Bei Pornografie füllt man sich mit Bildern ab, die man später in einer Beziehung oft kaum mehr wegbekommt. Ich werde jetzt aber nicht alle zwei Stunden in dein Zimmer kommen, um dich zu kontrollieren.“ So viel Vertrauen zwischen Eltern und Kindern muss sein.
Ob mit oder ohne Vertrauen – heimlich geguckt wird trotzdem.
Natürlich ,es ist ja auch völlig normal, dass Pubertierende Lust empfinden. Zu glauben, dass es reichen würde zu sagen: „Du darfst das und das nicht“, ist illusorisch, wenn Eltern und Erwachsene nicht eine Beziehung vorleben, in der Liebe wirklich gelebt wird. Jugendliche müssen lernen, Achtsamkeit für sich und andere zu entwickeln, und nicht alles willkürlich in sich hineinzustopfen.
Da verlangen Sie aber sehr viel.
Sexualität zu erlernen setzt eine gewisse Erfahrung und ein gewisses Alter voraus. Deshalb empfinde ich es auch als problematisch, wenn die ersten sexuellen Erfahrungen und die erste Kontakte mit Pornografie heutzutage immer früher gemacht werden.
Sollte der Online-Jugendschutz strenger geregelt sein?
Ich plädiere dafür.
Schaut der Gesetzgeber weg?
Nein. Das Problem ist ein anderes. Was wir brauchen, sind internationale Regelungen und die sind in weiter Ferne. Die meisten Anbieter von Internet-Pornografie haben ihre Server auf irgendwelchen Südseeinseln.
Führt der Konsum von Internet-Pornografie zu sexueller Verrohung?
Eher zu sexuellem Analphabetismus. Das Problem ist, dass viele, die das konsumieren einen starken Zwang entwickeln. Das heißt: Sie lernen, dass sexuelle Befriedigung umsonst zu haben ist und die „gebratenen Tauben“ einem wie im Schlaraffenland in den Schoß fallen. Viele sind dann nicht mehr in der Lage, den langen und mühsamen Weg zu einer echten Beziehung zu gehen. Wir wollen die intime Beziehung jetzt und gleich haben. Das gilt auch für Jugendliche.
Also lieber längere, intensivere Freundschaften und weniger Sex im Jugendalter?
Es kommt auf die richtige Dosierung an. Wenn ich ständig die Möglichkeit habe, andere Partner zu haben und nach immer neuen sexuellen Stimuli suche, wird mir der eigene Partner schnell langweilig. Dabei ist Sex, der nur auf Lust aus ist, total flach.