Langsames Internet in Stuttgart Surfen in Zeitlupe macht Anwohner rasend

In Wohngebieten in Stuttgart-Degerloch und Stuttgart-Sonnenberg ist das Internet denkbar langsam und schränkt Anwohner ein. Sie fordern nun die Stadt Stuttgart zum Handeln auf. Diese fühlt sich aber nicht zuständig.
Sonnenberg/Degerloch - Cornelia von Scholley bietet Sprachreisen an. Dazu gehört: Recherche, Organisation und Kommunikation. Ohne Internet ist das alles kaum noch denkbar, und genau das ist Cornelia von Scholleys Problem. Denn sie hat ihr Büro im Gebiet Bruderrain, und dort gibt es Internet nur gerade so. Die Verbindung sei einfach schlecht und bleibe weit hinter den von der Telekom versprochenen Raten zurück, sagt von Scholley. Sogar nach dem Versenden einer E-Mail müsse sie oft beim Adressaten nachfragen, ob diese auch angekommen sei. Denn sicher sei das nie. Auch für ihren Mann sei es schwierig, mal im Homeoffice zu arbeiten. Dateien hoch- oder runterzuladen dauere Ewigkeiten, sagt die studierte Lehrerin.
Sogar in der Luft sei das Internet schneller
Mit ihrem Problem ist sie nicht allein. Das gesamte Gebiet Bruderrain ist betroffen, und im nahe gelegenen Sonnenberg ist die Situation ähnlich. Michael Pfister wohnt an der Kießstraße und berichtet: „Bei uns und unseren Nachbarn kommen gerade einmal vier Megabit pro Sekunde an. Das ist meilenweit entfernt von den propagierten 250 Megabits pro Sekunde.“ Egal wohin er in den Urlaub fahre, überall sei die Internetverbindung besser als zu Hause in Stuttgart, in einem seit Jahrzehnten erschlossenen Wohngebiet – sogar in der Luft, an Bord eines Flugzeugs. Das gehe seit Jahren so.
Nun kündigt die Telekom Pfister auch noch den Festnetzanschluss. Das Unternehmen stellt auf IP-basiertes Telefonieren um. Das bedeutet, dass die Verbindung über das Internet aufgebaut wird. Pfister befürchtet, dass er dann nicht einmal mehr störungsfrei telefonieren kann, zumal auch die Mobilfunkverbindung miserabel sei. Er nahm dies zum Anlass, an Oberbürgermeister Fritz Kuhn zu schreiben. „Das kann doch nicht der Anspruch der Landeshauptstadt und ihrer Stadtverwaltung sein?!“, ist dort zu lesen. Und weiter heißt es: „Als Bürger bitte ich Sie und das zuständige Amt, im Namen der betroffenen Haushalte schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen, dass auch wir in unserer Straße und der weiteren Nachbarschaft über eine Infrastruktur verfügen, die eine zeitgemäße private und berufliche Nutzung des Internets ermöglicht.“ Die Stadt soll Stellung nehmen, wann sie „die beschriebene Versorgungslücke zu beheben gedenkt“.
Die Realität sei eine völlig andere
Pfister verweist in seinem Brief auch auf den Kooperationsvertrag zwischen der Gigabit-Region Stuttgart und der Deutschen Telekom. Dessen Ziel ist es, dass bis 2025 alle Unternehmen in Gewerbegebieten sowie die Hälfte der Haushalte einen Zugang zum Höchstgeschwindigkeitsinternet im Gigabitbereich auf Glasfaserbasis erhalten. Bis 2030 sollen 90 Prozent der Haushalte versorgt sein. „Das sind hehre Worte, aber die Realität ist eine völlig andere“, so Pfister in seiner Mail.
Bereits wenige Tage später lag ihm eine Antwort vor, nicht vom OB persönlich, aber von der Wirtschaftsförderung der Stadt. Diese bestätigt unumwunden, dass Sonnenberg ein mit Breitbandtechnologie unterversorgtes Gebiet ist. „Der Stadtverwaltung, insbesondere dem Breitbandkoordinator, ist dies bewusst. Weitere Meldungen aus der Bürgerschaft in Ihrem Wohnumfeld bestätigen Ihre Einschätzung.“ Im Rahmen des Kooperationsvertrags Gigabit-Region Stuttgart werden Ausbauabschnitte festgelegt, aktuell zum Beispiel Bad Cannstatt. Doch die Wirtschaftsförderung schreibt: „Leider ist noch nicht bekannt, welche Gebiete als nächstes für einen Ausbau von Glasfaserleitungen vorgesehen sind.“
Leute fühlen sich hängen gelassen
Die Stadt selbst sei nicht in der Pflicht, denn sie betreibe keine Internetdienste für Privatleute. „Deswegen kann die Stadt in diesem Bereich leider auch nicht aktiv werden“, lautet das Fazit der Wirtschaftsförderung. Sie schlägt Pfister vor, sich mit seinen Nachbarn zusammenzuschließen und ein Angebot für eine eigene Glasfaserleitung erstellen zu lassen. Für Pfister ist das ein Unding. „Das kann nicht sein. Das widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung“, sagt er. Schließlich müssten Kunden beziehungsweise Bürger andernorts auch nicht für die Bereitstellung der Infrastruktur zahlen, sondern lediglich für deren Nutzung. Der Sonnenberger findet: „Man lässt uns einfach hängen.“
Neu ist das Thema nicht. Im März hatte ein Anwohner der Abraham-Wolf-Straße das langsame Internet in Sonnenberg kritisiert und einen entsprechenden Vorschlag im Bürgerhaushalt eingebracht. Bei seiner DSL-Verbindung sei bei maximal sechs Megabit pro Sekunde das Ende der Fahnenstange erreicht, heißt es dort. Und der Breitbandatlas der Deutschen Telekom zeige in den Gebieten auch keine Ausbauaktivitäten. „VDSL 50 oder 100 wird überall auf VDSL 250 ausgebaut, nur die DSL-Gebiete gehen leer aus. Ist kein Kabelanschluss vorhanden, fühlt man sich ins Jahr 2000 versetzt“, kritisiert der Bürger. Er fordert: „Hier sollte die Stadt vorhandene Landes- oder Bundesförderprogramme in Anspruch nehmen.“
Unsere Empfehlung für Sie

Stuttgart-Möhringen 29-jähriger Lkw-Fahrer tödlich verunglückt
Ein 29 Jahre alter Lkw-Fahrer hat auf einer abschüssigen Straße einen Anhänger einzukuppeln versucht und wurde dabei eingeklemmt. Er wurde tödlich verletzt.

Coronavirus Wo man sich auf den Fildern testen lassen kann
Vor Weihnachten waren die Termine rasch ausgebucht, doch mittlerweile gibt es immer mehr Möglichkeiten, sich zügig auf das Coronavirus testen zu lassen. Ein Überblick über die Angebote auf der Filderebene.

Winterspaß in Stuttgart-Degerloch „Doofe Idee“ für Downhill-Strecke
Die Downhill-Strecke in Stuttgart-Degerloch ist unter einer dicken Schneedecke verschwunden. Das brachte den 31-jährigen Jannick Henzler auf eine „doofe Idee“, wie er selbst sagt. Aber sehen Sie selbst...

Gastronomie in Stuttgart-Degerloch Neues Café in Ex-Kuranyi-Lokal
In Stuttgart-Degerloch soll zum 1. Februar ein neues Frühstückscafé eröffnen. Wenn auch zunächst nur mit coronabedingtem Abholservice. Der Macher ist kein Unbekannter in der Gastro-Szene in Stuttgart.

Gastgewerbe in der Krise Schick essen gehen trotz Corona-Pandemie
Ein Restaurantbesuch ist derzeit nicht möglich. Aber es gibt Alternativen. Familie Wegener vom Möhringer Hof geht neue Wege und lädt zum Wohnmobil-Dinner. Das ist mittlerweile ein deutschlandweiter Trend, in Stuttgart sind die Adressen aber noch rar.

Manfred Appel wohnt im Naturschutzgebiet Wenn er heimfährt, gibt es Scherereien
Die Gaststätte Zillertal zwischen Stuttgart-Plieningen und Stuttgart-Möhringen ist seit zehn Jahren geschlossen, die einstigen Wirte leben noch auf dem Areal. Warum ihnen fehlende Schilder und rabiate Spaziergänger das Leben schwermachen.