In den USA kämpfen die großen Anbietern im Cloudgeschäft aggressiv um Marktanteile. Was dort Amazon, Google und Microsoft angezettelt haben, lässt inzwischen die Preise in der „Public Cloud“ weltweit purzeln.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Eigentlich müsste die Cloud-Branche auf Wolke sieben schweben: Der Markt für externe, über das Internet erschlossene Rechen- und Speicherkapazitäten dürfte in den kommenden Jahren geradezu explodieren. Allein für das Segment der offen zugänglichen, häufig auch von Privatleuten genutzten „öffentlichen Cloud“ sagt das US-Analyseunternehmen IDC bis 2017 ein jährliches Wachstum um rund ein Fünftel voraus. Binnen drei Jahren wäre dann ein weltweites Marktvolumen von etwa 80 Milliarden Euro erreicht.

 

Doch in der Branche tobt ein von den USA ausgehender heftiger Preiskampf, der auch in den Bilanzen der großen Spieler inzwischen starke Bremsspuren hinterlässt und kleinere Anbieter dazu zwingt, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Zuletzt hat vor ein paar Tagen Amazon schlechte Zahlen aus seinem bisher erfolgsverwöhnten Cloudbereich AWS melden müssen, der von Anfang an neben dem Online-Handel das zweite Standbein des Unternehmens war. Zuvor hatte der Online-Gigant angekündigt, bei dem von Microsoft und Google seit einigen Monaten angezettelten Preiswettbewerb mithalten zu wollen. Und der sorgt seit dem vergangenen Herbst für teils dramatische Einbrüche der Erlöse.

Google hat beispielsweise im März bei seinem auch in Europa auf Dollarbasis abgerechneten Angebot Google Drive den Nettopreis für 100 Gigabyte von 4,99 Dollar im Monat auf 1,99 Dollar (1,49 Euro) gesenkt. Zuzüglich der Mehrwertsteuer ist das in Deutschland ein Preis von 1,77 Euro. Im Juni hat Microsoft den Monatstarif für diese Datenmenge auf 1,99 Euro halbiert. Microsoft-Chef Satya Nadella hat den Kampf um Marktanteile in der Cloud zum Kern einer Strategie erklärt, die das Unternehmen vom Softwareverkauf emanzipieren soll. Amazon räumt Firmen inzwischen Preisnachlässe von fast 50 Prozent ein.

Kampf mit harten Bandagen

Die großen Drei im Bereich der „öffentlichen Cloud“ – Amazon, Microsoft und Google – kämpfen mit harten Bandagen. „Sie kapern einander die Mitarbeiter, streichen die Preise zusammen, reden die Konkurrenz klein und stellen ihre Strategien auf den Kopf, um einen der am schnellsten wachsenden Technologiebereiche zu kontrollieren“, schreibt das „Wall Street Journal“. „Das ist typisch für die Sturm-und-Drang-Phase von Unternehmen, die neue, innovative Technologien anbieten“, sagt das Analyseunternehmen Morningstar.

Selbst ein Anbieter wie Oracle, der wie sein deutscher Konkurrent SAP den Platz in der Cloud als Teil von umfassenderen IT-Lösungen für Unternehmen anbietet, schraubt an den Preisen. „Unsere Infrastruktur wird bei den Kosten und Preisen wettbewerbsfähig sein“, sagt der Oracle-Chef Larry Ellison– der erstmals den im Cloud-Bereich nun auch größere Firmen anvisierenden Amazon-Konzern als Konkurrenten nannte. Oracle verdient deshalb weniger. Die jüngste Quartalsbilanz sorgte wegen eines Gewinnrückgangs um vier Prozent für Enttäuschung. Den Preisdruck spüren auch Firmen wie Dropbox, die für Privatkunden Cloudspeicherplatz bis zu zwei Gigabyte gratis zur Verfügung stellen – sich aber über Abonnements finanzieren müssen. Was das Cloud-Geschäft mittelfristig abwerfen wird, ist unsicher.

Der deutsche Anbieter SAP sieht sich nach Angaben eines Sprechers allerdings nicht betroffen. Man habe seine Kunden nicht in der „öffentlichen Cloud“, sondern setze auf Softwareangebote, die auf einzelne Unternehmen zugeschnitten sind, und die sich meist in der abgeschotteten „privaten Cloud“ bewegen. Der reine Speicherplatz und die Rechenleistung sind hier nur sekundär. Auch IBM hält sich dem Preiskampf bisher fern. SAP hat allerdings seine Renditeziele für die kommenden Jahre zurückfahren müssen, weil die Kunden nicht gleich am Anfang Lizenzgebühren für Software zahlen, sondern sich die Erlöse in der Cloud über einen längeren Zeit verteilen.

Geld zu verbrennen, das ist erst einmal egal

Der Kampf zwischen Amazon, Microsoft und Google um die „öffentliche Cloud“ wird wohl noch länger andauern: „Das ist nur der erste Sprint von Giganten, denen es nicht um die Gewinnmarge, sondern um Marktbedeutung und Kundenakquisition geht“, schreibt das US-Internetportal Informationweek. Die immer niedriger werdenden Kosten würden für einen langen Atem sorgen: „Die großen Drei können in diesem Tempo noch eine Weile voranstürmen – dass sie dabei Geld verbrennen. ist erst einmal egal.“

Ruinös könnte das allerdings für eine Vielzahl von Start-up-Unternehmen sein, die nun keine Luft und Zeit mehr haben, sich auf dem Markt zu behaupten. Selbst der 2007 etablierte Anbieter Dropbox, dessen Chef Drew Houston im Mai noch verkündete, dass es keinen Grund für Preissenkungen gebe, hat inzwischen seinen ursprünglich für dieses Jahr anvisierten Börsengang auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zurzeit fallen die Preise so stark, dass es sich die eine oder andere Firma sogar überlegen kann, ob sie überhaupt noch eigene Rechen- und Speicherkapazitäten braucht. Vor allem in den USA, wo die Sorgen über die Datensicherheit in der Internet-Wolke wenig ausgeprägt sind, verlassen sich inzwischen auch große Firmen ganz auf die Cloud. Der auf Amazons Cloud setzende Internet-Fernsehanbieter Netflix, der im Herbst nach Deutschland kommen wird, ist dafür ein prominentes Beispiel. Die Server, die etwa nötig sind, um eine Internetpräsenz mit 50 Millionen Seitenaufrufen im Monat zu managen, kosten in den USA in der Cloud nur noch ein Drittel dessen, was im eigenen Rechenzentrum nötig wäre.