Das Internet hat viel demokratisches Potenzial. Doch Firmen wie Google nützen dies auch aus. Das löst bei den Netzaktivisten durchaus Unbehagen aus.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Das mächtigste Internetunternehmen stellt sich gerne auf eine Ebene mit den Graswurzelaktivisten im Netz. „Der Einsatz von fast 300 000 Netzverteidigern und mehr als 11 Millionen Besuchern hat sich gelohnt“, so schreibt das US-Unternehmen Google mit einem Jahresumsatz von 50 Milliarden Dollar (rund 38 Milliarden Euro) in seiner Bilanz der Kampagne gegen das in Deutschland geplante Leistungsschutzrecht. Das Gesetz, das Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichten soll, für die Nutzung verlegerischer Inhalte einen Obolus zu entrichten, wurde im März von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Doch Google setzt darauf, dass es sich wegen einiger vager Formulierungen etwa zur maximalen Länge von gratis zitierbaren Textabschnitten als undurchführbar herausstellen wird.

 

Die Initiative von Google sei so dreist wie durchsichtig gewesen, kritisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU): „Sie beruht offensichtlich auf dem doppelten Missverständnis, das Netz für eine Google-Domäne zu halten und beides zusammen für den virtuellen Gesetzgeber.“ Doch bemerkenswert ist vor allem, wie eng beim Kampf gegen das Gesetz der freiheitliche Elan von Internetnutzern mit den Geschäftsinteressen eines Quasimonopolisten verbunden wurde. Das Internet habe eine neue Art von öffentlichem Raum geschaffen, das werden die auf der Re:publica vertretenen Aktivisten nicht müde zu betonen.

Netzaktivisten wollen nicht kommerzielle Interessen unterstützen

Der prominente Internetblogger Sascha Lobo kritisierte jedoch in Berlin, dass die Internetgemeinde sich kaum aus eigener Kraft politisch durchsetze. Immer öfter wird deren Engagement von mächtigen Internetunternehmen für eigene Interessen benutzt. So ermöglichte Google beispielsweise durch Links auf seiner Kampagnenseite, dass Bundestagsabgeordnete massiv mit Protesten bombardiert werden konnten. Das löst bei den Netzaktivisten durchaus Unbehagen aus. Es solle nicht der Eindruck entstehen, rein kommerzielle Interessen von Google zu unterstützen, schreibt etwa der Chaos Computer Club (CCC): „Wir alle beobachten den Kampf der Publikationsgiganten des alten und neuen Zeitalters – und dabei stehen nicht die Interessen der Nutzer im Vordergrund.“

Doch bis jetzt funktioniert die Allianz von Geschäftsinteressen und der Netzgemeinde in den meisten Fällen reibungslos. Vorreiter der deutschen Kampagne, die unter die pathetische Überschrift „Verteidige dein Netz“ gestellt wurde, war eine erfolgreiche politische Aktion vor einem Jahr in den USA. Dort hatten große Medienunternehmen versucht, ein Gesetz zum Schutz von Urheberrechten durch den Kongress zu bringen. Doch kommerzielle Betreiber wie Google und Graswurzelaktivisten konnten es dank eines gut organisierten, kollektiven Aufschreis stoppen. Die alte Garde des Lobbyismus sei geschlagen worden, schrieb die „New York Times“: „Die Machtzentren im Netz konnten mit Rückendeckung von Aktivisten dank Internetblackouts und Kaskaden an Kritik den Widerstand gegen das Gesetz mobilisieren.“ Dieser Sieg sei ein Wendepunkt für Washington, schrieb das Blatt. Ein Gesetz, das überparteiliche Unterstützung besaß, sei von einer Graswurzelkoalition weggefegt worden.

Google unterdrückt bei der Schnellsuche Inhalte

„Googles Botschaft ist einfach: Wer für Internetfreiheit ist, muss für Google kämpfen“, kommentiert „Spiegel-Online“, Deutschlands meistbesuchte Internet-Nachrichtenseite, den Versuch Googles, die Nutzer als Sachwalter der eigenen Interessen einzuspannen. Doch der Konzern entscheide oft eigenmächtig, welche Inhalte er etwa in seiner Schnellsuche unterdrücke. „Man darf den Kampf um die Internetfreiheit nicht einem Konzern überlassen, der Lesben als anstößig bewertet und die Meinungsfreiheit von Menschen in Libyen und Ägypten manchmal geringer schätzt als die von US-Bürgern“, so hieß es mit Verweis auf ein nach antiamerikanischen Ausschreitungen vom Portal Youtube entferntes, angeblich islamfeindliches Video.