Auf Internetportalen wie Ebay entscheiden gute Bewertungen darüber, bei wem der Kunde kauft. Experten gehen davon aus, dass 20 bis 30 Prozent der Onlinebewertungen gefälscht sind. Was raten Experten den Verbrauchern?

Stuttgart - Auf 99,8 Prozent positive Bewertungen und 12 200 Bewertungspunkte bringt es ein Verkäufer bei Ebay. Aber es gibt auch einen mit 100 Prozent Positivbewertungen und dem gleichen Artikel im Angebot – und schon diese 0,2 Prozentpunkte machen den Unterschied: die Kunden kaufen eher bei ihm. Das verdeutlicht, welche zentrale Rolle die Bewertungspunkte beim Onlinehandel spielen: sie sind unsere Reputation im Internet, die Grundlage für das Vertrauen, das wir einander im anonymen Umfeld entgegenbringen. Wieso sollten wir einem Unbekannten in Vorauskasse Geld überweisen? Wieso seine Wohnung für einen Urlaub mieten, wie bei Airbnb? Woher wissen wir, dass wir nicht betrogen werden? Weil es offenbar bei Tausenden anderer Nutzer auch gut ging. 80 Prozent der Onlinekäufer verlassen sich laut TNS Infratest auf die Bewertungen anderer Kunden.

 

Ebay hat die Internetbewertungen im Netz populär gemacht. Schon beim Start konnten sich Käufer und Verkäufer gegenseitig bewerten. Nahezu jede Plattform, auf der Nutzer in geschäftlichen Kontakt miteinander treten, hat heute ein eigenes Bewertungssystem – und erfolgreich ist der mit den meisten Punkten und Sternchen. Weil unsere Reputation im Netz auf diese Art zur sozialen Währung geworden ist, erzieht dieses System die Menschen erstaunlich effizient: Verkäufer bei Ebay antworten sofort und meist überaus freundlich auf jede noch so nervige Nachfrage zu einem Produkt. Und auch bei Airbnb, durch dessen Vermittlung täglich Tausende Nutzer Wildfremde in ihrer Wohnung übernachten lassen, kam es noch selten zu größeren Schäden, im Gegenteil: oft gibt es Blumen zur Begrüßung des Mieters und Dankeskarten für den Vermieter. Jede dieser Gesten könnte schließlich gute Punkte und neue Kundschaft bringen.

Nicht alle Bewertungen sind echt

„Der eigene Ruf ist Kapital“ bezeichnete Airbnb-Gründer Nathan Blecharzyk das Phänomen kürzlich treffend in einem „Zeit“-Interview. Aber weil die Bewertungspunkte mindestens ebenso über den Geschäftserfolg entscheiden wie das Produkt, bringen sie auch Streit mit sich. So verpflichtete das Oberlandesgericht München nach der Klage eines Händlers einen Käufer dazu, eine negative Bewertung auf Ebay zurückzunehmen. Der Kunde habe sich vor der Bewertung nicht an den Händler gewandt oder die fehlerhafte Ware zurückgeschickt, so das Gericht.

Und so ganz astrein ist das Geschäft mit den Punkten zudem nicht. Viele Anbieter werben penetrant um eine gute Bewertung und stellen Vergünstigungen in Aussicht. Ein US-amerikanischer Anbieter kämpft derzeit vor Gericht darum, negative Bewertungen in seinen Geschäftsbedingungen auszuschließen. Andere wiederum kaufen sich gute Reputation: Experten gehen davon aus, dass 20 bis 30 Prozent der Onlinebewertungen gefälscht sind – unter anderem von eigens dafür gegründeten Agenturen, denn anders als bei Ebay können auf vielen Plattformen auch andere Nutzer als der Käufer Produkte bewerten. Das Portal „Kleiderkreisel“, ein deutsches Pendant zu Ebay, stand kürzlich wegen gefälschter Bewertungen in der Kritik: einige Verkäufer bewerteten sich schlicht selbst. Inzwischen können dort auch nur Käufer und Verkäufer einander bewerten.

Was raten Experten? Fake-Bewertungen erkennt man häufig am hölzernen Sprachstil und sich wiederholenden Floskeln oder daran, dass ein Account vor allem die Produkte einer Firma bewertet. Und wer auf der sicheren Seite sein will, sollte im Zweifel lieber Angebote aus der eigenen Stadt aussuchen und eine persönliche Übergabe von Ware und Geld vereinbaren, rät die Verbraucherzentrale NRW. So wird das Internet auf einmal ganz lokal.