Die Erfolge des 16-jährigen Video-Podcasters Philipp Riederle aus dem bayerischen Burgau lassen die Werbeindustrie aufhorchen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Burgau - Welches Privileg, mit 16 Jahren aller Welt mitteilen zu dürfen, wie man die Welt sieht. So geht es Philipp Riederle. Er ist im Besitz eines Geheimnisses, das alle Heranwachsenden in sich hüten, doch mit diesem Jungen ist plötzlich jemand da, der verspricht Antworten auf die Fragen, die so viele Verkaufsförderer und Marketingleute unruhig machen: Wie ticken Jugendliche? Was wollen sie und was auf keinen Fall? Auf welchen Kanälen lassen sie sich erreichen? 

 

Er kann nichts dafür. Philipp Riederle ist ein netter, gerade gewachsener Kerl, über den die Ereignisse geschwappt sind, der technikverrückt ist und darüber zum Experten seiner Generation wurde. Kein Erfinder, kein Bill Gates in jungen Jahren, kein angehender Steve Jobs, sondern ein sogenannter Digital Native reinsten Wassers, der Lust an öffentlichen Auftritten hat und für sein Alter außerordentlich pointiert formulieren kann. Kostprobe: "Wir Jugendlichen werden aus allen Richtungen mit Werbung bombardiert. Konventionelle Werbung prallt größtenteils an uns ab."

Jugend informiert sich über das Netz

Da horchen sie auf, die Podcaster, die Chefs der Werbeetagen, die Recruiting-Hoffnungen von Kommunikationskonzernen, die alle schweigen, wenn der Gymnasiast Philipp Riederle auf den Bühnen großer Säle quer durch die Republik erzählt, was Sache ist. "Die Nutzung linearer Medienangebote nimmt stark ab. Wir schauen kaum noch Fernsehen oder hören Radio", gibt er bekannt. Wir, das sind er und seine Altersgenossen. Praktisch alle Informationsaufnahme geschehe gezielt übers Internet. Philipp Riederle ist ein höflicher Interviewpartner. Er unterlässt den Hinweis, dass unter die linearen Medien selbstverständlich auch die Tageszeitungen fallen.

Der Glaube an die Charts hat den 16-Jährigen aus dem bayerischen Burgau (Kreis Günzburg) salonfähig gemacht, genauer die Fixierung auf die I-Tunes Podcast Charts. In dieser Rangliste stürmt der Jugendliche mit seinen Internetbeiträgen regelmäßig an die Spitze, schlägt dabei Produktionen von ProSieben, ARD oder RTL. Nach eigenen Angaben hat dieser Junge mehr als eine Million Zuschauer pro Jahr. Los ging es 2008, als seine Liebe zu einem brandneuen, faszinierenden Gerät entflammte, das ihm die Großmutter unbedingt aus den USA mitbringen musste: dem I-Phone der Firma Apple.

"Ich hab schon immer gern geredet"

Er wollte alles wissen über dieses Smartphone und seine Möglichkeiten, er scrollte, blätterte, googelte, schlug in Handbüchern nach. Nirgendwo fand er Beschreibungen, wie er sie sich erwartete. Er dachte, anderen Besitzern müsse es genauso gehen. Gerade 14 Jahre alt, beschloss er, einen eigenen Podcast mit dem Titel "Mein I-Phone und ich" ins Internet zu stellen. Die nötige Videokamera kaufte er von seinem Taschengeld. "Ich hab schon immer gern geredet und mich vor andere Leute gestellt", erzählt Philipp Riederle. "Ich war begeistert, wenn ich an Weihnachten beim Krippenspiel mitmachen durfte."

Bald 150 Folgen hat der 16-Jährige mittlerweile im früheren Partykeller seines Großvaters abgedreht und ins Netz gestellt, immer allein, wenn auch mit zunehmend professionellerem Gerät. Seit vergangenem Jahr hat seine Homepage einen eigenen Sponsor, einen Webshop für I-Phone-Zubehör, Programmierer geben beim Gymnasiasten Demobänder für I-Phone-Apps in Auftrag. Vater Martin, Chef einer Möbelbaufirma, sagte dem Sohn, er müsse eine Produktionsfirma gründen, "auch wegen der Haftung". Die "Phipz Media UG" wurde aus der Taufe gehoben. Der Vater ist nicht nur Geschäftsführer und Berater in Sachen Urheberrechtsfragen, er legt auch die Einnahmen an. "Er soll sein Ding machen. Aber die Nummer eins ist die Schule", mahnt der Vater. "Momentan brauche ich das Geld nicht", sagt folgsam der Sohn.

Facebook macht Freundschaften oberflächlicher

Oft bis spätabends sitzt Philipp Riederle vor dem Computer, und das hat nicht nur mit den florierenden Geschäften zu tun, sondern auch mit dem vom 16-Jährigen beschriebenen Nutzungsverhalten des Internets, dessen Tiefen und Untiefen er zwar treffend beschreiben kann, die ihn aber auch selber bedrohen. Facebook im Besonderen habe eine "süchtigmachende Wirkung", ließe "Beziehungen und Freundschaften immer oberflächlicher werden", räumt der Schüler ein. Aber das wird eben mitgekauft. "Über die Social Networks spielt sich das ganze Leben ab. Partyeinladungen, Schulinformationen, alles." 

Der aktuelle Durchschnitt der Schulnoten deutet nicht darauf hin, dass Philipp Riederle übernächstes Jahr ein verfehltes Abitur als Preis für seine Leidenschaft wird zahlen müssen. Facebook und Co. haben, zumindest bisher, auch seinen Träumen nichts anhaben können, und das kann eine beruhigende Zwischennachricht für Eltern sein, die sich verdammt noch mal fragen, ob in den Köpfen ihrer halbwüchsigen Kinder fundamentale Fähigkeiten des menschlichen Miteinanders zusammenschmoren, während sie in der Freizeit vor dem Bildschirm sitzen. "Ich hätte Lust, Schauspieler zu werden", sagt der Jungunternehmer. In jedem Fall wolle er studieren, nach einer "lerntechnischen Pause".

Karriere in der Medienwelt?

Oder vielleicht doch der hauptberufliche Einstieg ins Mediengeschäft? Philipp Riederle lässt die Mundwinkel sinken. "Ich weiß nicht, ob mir das dann zum Hals raushängt." Am Schluss könnte er selber noch da unten landen, im Parkett großer Säle, mitten unter den Anzugträgern, denen er heute erzählt, dass Authentizität und Individualität das ist, was im Denken und Leben junger Menschen wirklich zählt.

Mehr von dem Digital Native unter www.philipp-riederle.de.