Die US-Band Interpol hat im Theaterhaus gastiert. Die Musiker wirken dabei wie eine Schwarz-weiß-Aufnahme aus dem London der späten Achtziger.

Stuttgart - Für Szenebands war Stuttgart zuletzt eher eine No-go-Area als ein Hot Spot. Nun hat mit Interpol nach langer Zeit mal wieder eine Ikone der Indiebranche richtige Autobahnausfahrt nach Stuttgart gefunden. Und was gab es zu sehen? Ein zwar ordentlich gefülltes, aber keineswegs ausverkauftes Theaterhaus. Waren also weite Teile der heimischen Szeneklientel im Urlaub? Oder spielte da nur noch eine ehemalige Kultband mit inzwischen beschränkter Anziehungskraft – obwohl dem Trio aus New York mit dem jüngsten Werk „El Pintor“ ja ein prächtiges Comeback gelungen ist?

 

Im Theaterhaus präsentierte sich die Formation, durch Gastkeyboarder und –bassisten zum Quintett aufgestockt, als eine im besten Sinne fortschrittsresistente Autorität des Postpunk. Nahtlos, aber eben ohne jeglichen Innovationswillen knüpfen die Songs von 2014 an das Debüt „Turn on the bright Lights“ von 2002 und den Nachfolger „Antics“ an. Material aus den drei Alben mit den Hits „Evil“, „C’mere“ und „Obstacle 1“ als Ankerpunkten dominierte denn auch das 75 Minuten kurze Set, gespielt mit routinierter Lässigkeit, die gerade noch die Kurve bekam vor einem Auftritt Marke Dienst nach Vorschrift.

Rauhe Lärmigkeit, statt Schönklang

Der Bewegungsradius des Sängers und Gitarristen Paul Banks umfasste kaum mehr als den berühmten Bierdeckel; ähnlich statisch agierte auch der Rest der Truppe. Optische Attraktionen? Fehlanzeige. Ein zwar üppig dimensioniertes, aber einfach strukturiertes Bühnenlicht mit dem typischen Interpol-Rot als Leitfarbe reichte fürs Theaterhaus. Dieser minimale Aufwand genügte allerdings für beachtliche Intensität. Die strenge Stimme von Banks, die schweren Drums von Sam Fogarino und Daniel Kesslers Heulbojen-Gitarre, die das ganze Spektrum zwischen kantig, sphärisch und singend auslotete, die Achtelnoten splittern ließ und insgesamt so klirrend kühl klang, dass manchmal Eiszapfen von den Saiten zu fallen schienen: zwischen diesen Eckpfeilern entwickelte sich ein Spannungsfeld, das rauher Lärmigkeit und unkalkulierbarer Nervosität den Vorzug vor bloßem Schönklang gab und durch Tempo und Dringlichkeit überzeugte. Die durchgehend druckvolle Gangart ließ allerdings kaum dramaturgische Abwechslung zu.

Als Szeneband geht man damit anno 2015 nicht mehr durch. Eher wirkte dieser Auftritt wie eine Schwarz-weiß-Aufnahme aus dem London der späten achtziger Jahre. Aber wie diese britischste aller amerikanischen Bands mit ihrem heißkalten Postpunk das Theaterhaus in einen Drei-Sterne-Kühlschrank verwandelte, das hätten auch die Genre-Kollegen aus England kaum besser hingekriegt.