Die CDU-Kreisrätin Daniela Braun und der CDU-Stadtrat Jürgen Kienle fordern einen Notfallfonds für die Opfer der Erdhebungen in Böblingen. Mit staatlichem Geld wollen die beiden Härtefälle entschädigen. Braun gehört selbst zu den Betroffenen.

Böblingen - Die CDU-Politiker Daniela Braun und Jürgen Kienle fordern, dass die Opfer der Erdhebungen in Böblingen mit Steuergeld unterstützt werden. Dabei bleiben sie, obwohl feststeht, dass die Allianz-Versicherung für die Schäden aufkommen muss. Im Interview sprechen sie über ihre Argumente und kritisieren den bisherigen Verlauf des Verfahrens.

 
Frau Braun, Sie sind selbst betroffen. Welche Reparaturen sind an Ihrem Haus nötig?
Braun: Die Erdhebungen haben sich nach den Sanierungen verstärkt, weil Zement mit hohem Druck in die Ringräume verfüllt wurde und das verdrängte Wasser vermutlich in den Anhydrit lief. Die Risse an unserem Haus und die Unebenheiten im Garten sind gewachsen. Aber andere haben ganz andere Schäden. Wir lassen die Sanierung momentan ruhen, solange unklar ist, wie es mit der Regulierung weitergeht.
Laut Schlichterspruch haftet die Allianz. Warum fordern Sie trotzdem nach wie vor einen Hilfsfonds des Landes?
Braun: Die Allianz ist die juristische Schiene. Dieser Weg kann noch Jahre dauern. Wir bedienen die politische Ebene. Wir wollen den Menschen eine Stimme geben.
Kienle: Das sind ältere Damen, die den Verkauf ihres Hauses dazu nutzen wollten, um das Altersheim zu finanzieren, aber das Haus ist nichts mehr wert. Junge Familien, die umschulden wollen, bekommen kein Geld von der Bank. Tut mir leid. In solchen Fällen sollte schnell und unbürokratisch geholfen werden. Die Menschen können nichts dafür, dass sie dort wohnen, wo Bohrungen genehmigt wurden.
Sie meinen also einen Fonds für dringende Reparaturen oder für Härtefälle?
Kienle: Man kann nicht die Gießkanne benutzen, aber die Zeit bis zur endgültigen Regulierung muss überbrückt werden. Für Leute, denen es hinten und vorne fehlt, sollte ein Notfallfonds greifen. Wie hoch er sein muss, muss man diskutieren, wenn die Schäden erfasst sind.
Wer soll sie erfassen: das Land, die Interessengemeinschaft Erdhebungen (IGE), der Landkreis?
Kienle: Die Genehmigungsbehörde war das Landratsamt. Von daher müsste von dort die Handreichung kommen. Denn wenn etwas genehmigt ist, muss man sich darauf verlassen können, dass es in Ordnung ist. Ich unterstelle mal, dass eine solche Arbeit auch überwacht gehört.
Sie sind beide Christdemokraten. Einen Fonds müsste das Land auflegen. Was sagen Ihre Parteikollegen im Landtag dazu?
Kienle: Schwierig. Sie werden keinen Landtagsabgeordneten finden, der freudestrahlend sagt: Ja, wir legen ein Programm auf. Die Kollegen sagen: Wir gucken, was man tun kann und warten aber ab. Das sind aber letztlich alles nur Ausflüchte.
Braun: Vor zwei Jahren war der Grünen- Umweltminister Franz Untersteller zu Besuch im Haus einer älteren Dame und zeigte sich tief schockiert. Der Landrat Roland Bernhard hat vor über einem Jahr zugesagt, ein Notprogramm aufzulegen, wenn innerhalb eines Jahres keine Einigung mit den Versicherungen gelingt. Die Leute verlassen sich darauf, dass solche Aussagen nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben.
Die Allianz muss zahlen, versucht aber, ihren Schaden eng zu begrenzen. Wie empfinden sie dieses Verhalten?
Braun: Die Allianz hat sich bekannt. Wie viele Jahre es allerdings noch dauert, bis dieser Prozess beendet ist, weiß keiner. Das ist aber Lebenszeit, die diese Menschen niemals zurückbekommen.
Aber Sie haben Hoffnung, dass die Allianz einen Großteil der Kosten übernimmt?
Braun: Nein. Im Gespräch sind eine Million je Hebungsgebiet. Das reicht nicht.
Kienle: Man hat zwar die Allianz im Boot, ich vermute aber, dass es in ferner Zukunft auf einen Vergleich herausläuft.
Braun: Es wird dann interessant, ob sich das Land bereiterklärt, den Differenzbetrag zu übernehmen. Die Geothermie wurde von der Landesregierung mit Steuergeld gefördert. Wenn man so etwas fördert, braucht man auch einen Plan, wie Schäden ausgeglichen werden. Stattdessen werden die Bürger auf den Klageweg verwiesen: Gegen den Insolvenzverwalter, die Versicherungen, unter Umständen gegen einen Nachbarn, der hat bohren lassen.
Kienle: Die Landesregierung geht wahrscheinlich davon aus, dass so etwas nicht geschieht, weil der Klageweg teuer ist. Aber was würden Sie persönlich machen, wenn Ihnen das Wasser bis zum Hals steht?
Es besteht Hoffnung, dass die Erde zur Ruhe kommt. Sind Sie denn mit dem Verlauf der Bohrlochsanierungen zufrieden?
Braun: Klar ist es positiv, dass man Bohrlöcher saniert hat. Aber vier von 17 Bohrlöchern sind momentan nicht sanierbar, dafür wird erst geforscht. Solange die letzte Sonde nicht verfüllt ist, kann keine Ruhe ins Erdreich einkehren. Für solche Probleme hätte es vorher Lösungen geben müssen. Es ist zu spät, Lösungen erst zu suchen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Kienle: Die Stadt hat ja auch Straßenarbeiten, Kanalarbeiten, Leitungsarbeiten. Man macht die eine Straße zu, dann gleich die andere auf, weil sich die Erde bewegt. Die Böblinger Verwaltung sollte daran interessiert sein, dass das endlich zum Ende kommt, denn das kostet unendlich Geld, und am Ende muss das jemand zahlen.
Wie beurteilen Sie die Informationspolitik der Stadt und des Landkreises?
Braun: Unser Oberbürgermeister lässt uns ziemlich im Stich. Von ihm hört man eigentlich nichts. Es gibt auch schon Stimmen, die resignieren, die sagen: Es wird keine Entschädigung geben. Die Leute erwarten eine politische und moralische Unterstützung.
Kienle: Als Gemeinderat habe ich Möglichkeiten, mir Informationen zu besorgen. Die haben Bürger nur eingeschränkt. Für sie müsste ein Forum geschaffen werden.
Kommt Geothermie als alternative Energie für Sie überhaupt noch in Frage?
Braun: Nicht für unser Stadtgebiet, das mit Anhydrit durchzogen ist, in anderen Gebieten nur mit vorherigen Erkundungsbohrungen. Dann kennt man die Gesteinsformationen. So hätte der Schaden vermieden werden können. Stattdessen hat das Landratsamt Böblingen erst im Nachgang Erkundungsbohrungen durchgeführt, eine direkt bei uns vor dem Haus.
Kienle: In einem Gebiet wie Böblingen wäre mir das Risiko zu hoch. In Gegenden, wo der Untergrund ein anderer ist, bleibt Geothermie bestimmt eine Alternative.