Kurz vor seine Rücktritt gab der damalige Bundespräsident Christian Wulff ein Fernsehinterview; das einzige überhaupt in dieser Sache. Geführt wurde es von Ihnen und Ihrer Kollegin Bettina Schausten, der Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios. Das Interview wurde hinterher vielfach kritisiert, Sie und Bettina Schausten seien zu nett zu Wulff gewesen. Was würden Sie im Nachhinein anders machen?
Es hätte länger sein müssen, dann hätten wir noch stärker nachfragen können. Für das Interview war maximal eine Viertelstunde vorgesehen. Bettina Schausten und ich haben dann kurzerhand entschieden, es einfach weiter laufen zu lassen, so dass fast 20 Minuten daraus wurden. Aber wir hätten es eigenmächtig noch mehr ausdehnen sollen, das wäre die Sache wert gewesen.

Viele Politiker dürften Fernsehstudios inzwischen als zweite Heimat empfinden. Sie sind Dauergäste in Talkshows, sitzen immer wieder auf dem Sofa bei Jauch, Will oder Illner. Was halten Sie von solchen Formaten?
Ich bin eher skeptisch, zumal wir zu viele davon haben. Ich schaue mir so etwas nur noch an, wenn ich weiß, dass wirklich jemand aus der A-Klasse als Gast dabei ist. Talkshows finden zwar immer noch ihr Publikum, aber die Zeiten einer Sabine Christiansen, deren Sonntagabendsendung um 21.45 Uhr ein absolutes Muss waren, über das am nächsten Tag geredet wurde, sind vorbei. Damals war die politische Spitze dort vertreten, heute geht die erste Garde nur noch selten in diese Shows, weil die inzwischen – mit Models und Schauspielern bestückt – zu Unterhaltungssendungen geworden sind. Weniger und kürzere Sendungen wären sinnvoll, ein Viertelstunden-Format vielleicht, in dem man den interessantesten Kopf des Tages befragt. Insgesamt: Mehr Tiefe, weniger Oberflächlichkeit.

Bundestagspräsident Norbert Lammert beklagt, dass Bundestagsdebatten im Fernsehen kaum übertragen würden und somit einen geringeren Stellenwert hätten als die vielen Polittalkshows.
Norbert Lammert hat einfach unrecht. Es wird unglaublic h viel übertragen, beispielsweise auf Phönix. Da kann man den ganzen Tag über Sitzungen verfolgen und wenn sie besonders wichtig sind, übertragen auch wir sie. Die Politiker sind selbst daran schuld, wenn sie bei den Debatten so auftreten, dass die Zuschauer keine Lust haben, sich diese anzuschauen.

Es gibt Versuche, die Attraktivität zu erhöhen, zum Beispiel durch Fernsehduelle, durch minutiös inszenierte Parteitage – alles Trends, die aus den USA stammen. Erleben wir eine Amerikanisierung der Politik?
Dass heutzutage so viel getwittert wird, kommt sicher aus Amerika. Aber inszeniert wurde früher deutlich mehr als heute, jedenfalls was die Parteitage angeht. Am schlimmsten war das unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Zu dessen Zeit gab es auf den SPD-Parteitagen regelrechte Betriebsanleitungen: links gucken, rechts gucken, klatschen – alles stand im Konzept. Solch eine Dramaturgie gibt es heute nicht mehr.

Schröder wurde nachgesagt, er sei telegen. Ist heute im Angesicht einer Finanzkrise, die kaum ein Bürger noch durchschaut, diese Art von Medientauglichkeit noch gefragter als zu Zeiten der rot-grünen Koalition?
Wir haben genügend Gegenbeispiele: Politiker, die glaubwürdig sind, aber nicht unbedingt telegen. Beispielsweise Angela Merkel. Sie strahlt Glaubwürdigkeit und auch eine gewisse Bescheidenheit aus, und sie ist fachlich mit Sicherheit kompetent. Aber telegen? Wichtiger finde ich in der heutigen Mediengesellschaft, dass man es schafft, in kurzer Zeit komplizierte Zusammenhänge zu erklären und seine Position deutlich zu machen. Die Leute müssen glauben, dass da einer ist, der sein Fach versteht. Die medientaugliche Erscheinung ist längst nicht alles. Sie wird überschätzt.