Chelsea Morris ist 22 Jahre jung, Studentin und lebt in South Carolina. Im Interview spricht sie über den Sieg von Donald Trump, die Sorgen ihrer Freunde aus der LGBT-Community und erklärt, warum auswandern für sie dennoch nicht in Frage kommt.

Stuttgart - Nur wenige Tage ist es her, dass Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Vielerorts hat die Wahl für Bestürzung und zu einer Art Schockstarre geführt. So auch in der Studentenstadt Columbia, in der die 22-jährige Chelsea Morris (aufgewachsen in Atlanta) Deutsch und Linguistik studiert. Nach dem ersten Schock folgt bei ihr und ihren Freunden nun aber der Tatendrang, wie sie im Interview erzählt.

 
Frau Morris, wie fühlen Sie sich heute – ein paar Tage nach der Wahl?
Ich bin bestürzt und böse. Die Wahl ist nur ein paar Tage her und man hört seither so viele schlimme Dinge, die passieren: Hakenkreuze auf Wänden, Afroamerikaner, die tagsüber bedroht werden, Frauen, die in der Öffentlichkeit sexuell belästigt werden. Es scheint, als signalisiere Trumps Sieg der Bevölkerung, dass es okay sei, solche Dinge zu tun.
Wen haben Sie gewählt und warum?
Ich habe für Hillary Clinton gestimmt, weil ich sie für qualifiziert halte und vor allem weil sie – im Gegensatz zu Trump – viele konkrete und anschauliche Pläne für Amerika hat. Meiner Meinung nach war Clinton die astronomisch bessere Kandidatin.
Wie haben Sie die Wahl erlebt, wo sind Sie an dem Tag gewesen?
Ich habe mir die Wahl gemeinsam mit ein paar Freunden Zuhause bei einem Freund angesehen. Wir waren alle sehr aufgeregt, weil es so lange gedauert hat, bis jeder Staat ausgezählt war. Unsere größte Sorge aber waren die Auszählungen in Ohio und Florida, weil sie letztendlich entscheidend waren. Als wir am Mittwoch nach der Wahl in der Uni waren, waren alle sehr ruhig und traurig. Nur die Hälfte aller Studenten ist überhaupt zur Uni gekommen.
Was haben Sie als Erstes gedacht, als klar wurde, dass Trump gewinnen wird?
Ich habe Ekel und Ärger empfunden. Ekel, weil das amerikanische Volk für jemanden gestimmt hat, der Frauenfeindlichkeit und Rassismus fördert. Ärger, weil unser System unrecht ist. Hillary hat die Volkswahl für sich entschieden, Trump hat die Wahl des Electoral Colleges gewonnen. Das erscheint mir und vielen meinen Freunden ungerecht.
Ergeht es Ihren Freunden ähnlich?
Eine meiner Mitbewohnerinnen kommt aus Bangladesch. Sie hat total ängstlich und panisch reagiert. Sie fürchtet, dass all die Arbeit, die ihre Familie hier in Amerika geleistet hat, umsonst war und dass sie nun in Gefahr sind. Ich habe viele Freunde aus der LGBT-Community, also der Community von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trensgender, die nun ebenfalls Angst haben. Sie machen sich Sorgen um ihre Rechte unter der Präsidentschaft von Trump.
Wäre Clinton wirklich die bessere Wahl gewesen?
Sie wollte Amerika verbessern; Trump instrumentalisierte die Ängste des vernachlässigten Mittelstands. Er hat den Wahlkampf auf einen rassistischen und nationalistischen Absatz geführt und keiner weiß, was er jetzt machen wird. Er ist unberechenbar.
Was bedeutet es für Amerika und auch für die restliche Welt, dass Trump gewonnen hat?
Ich weiß nicht, was uns in den nächsten Jahren erwarten wird. Anders als Clinton hat er während des Wahlkampfs wenig über konkrete Pläne gesprochen. Ich fürchte, dass er Amerikas Handelsbeziehungen beschädigen wird – ganz zu schweigen von unseren internationalen Beziehungen besonders mit Europa und der Nato. Wir wissen, dass er Obamacare aufheben möchte und dass er eine Mauer zwischen Amerika und Mexiko bauen will. Das wäre schrecklich für die Betroffenen und würde nichts als kulturelle Isolation bedeuten.
Einige Amerikaner, darunter auch viele Prominente haben nach der Wahl beteuert, nun auswandern zu wollen. Geht es Ihnen genauso?
Vor Trumps Sieg wollte ich auswandern, weil ich in Deutschland arbeiten und leben will. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich denke, es wäre besser, hierzubleiben und etwas zu verändern. Ich will nach Deutschland gehen, aber ich will Amerika in einem guten Zustand verlassen. Meinen Freunden und mir ist klar geworden, dass wir etwas unternehmen müssen, wenn wir das politische System verändern wollen.
Wie haben Sie sich das vorgestellt?
Ich lebe in Columbia. Das ist eine Studentenstadt, in der sich bereits viele engagieren und Demonstrationen veranstalten wie zum Beispiel „Black Lives Matter“ – eine Aktivisten-Bewegung, die sich gegen Gewalt gegen Schwarze einsetzt. Einige meiner Freunde und ich können uns vorstellen, in die Politik zu gehen, um das System direkt beeinflussen zu können. Für dieses Wochenende organisiert meine Freundin Clarie gerade eine Demonstration gegen Trump. Wir müssen vor allem den älteren Generationen, die allen voran Trump gewählt haben, zeigen, dass wir uns für Politik interessieren. Ich hoffe, wir können etwas verändern.