Der stellvertretende Bundesvorsitzende Alexander Gauland will trotz Petrys Rückzieher an einem Spitzenteam festhalten. Beim Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Landeschef Björn Höcke könnte es auf dem Parteitag Überraschungen geben.

Berlin - Der Kölner Parteitag der Altnerative für Deutschland (AfD) könnte noch Überraschungen bieten. Der AfD-Vize macht im Interview deutlich, dass er in wichtigen Fragen nicht mit der Parteivorsitzenden Frauke Petry übereinstimmt.

 
Herr Gauland, der AfD-Bundesvorstand ist vom Rückzieher der Parteivorsitzenden Frauke Petry bei der Spitzenkandidatur überrascht worden. Was sagt das über die Zusammenarbeit in der Führung aus?
Das müssen Sie Frauke Petry fragen. Frau Petry ist nicht verpflichtet, mich vorher zu informieren. Ich hätte mir das natürlich gewünscht. Aber es geht auch so.
Was bedeutet das für den Parteitag? Werden Sie andere Kandidaten für die Spitzenkandidatur vorschlagen?
Darüber wird der Parteitag befinden. Das kann nicht von mir oder irgendjemand anderem entschieden werden. Der Parteitag wird beschließen, ob er ein Spitzenteam will und wenn ja, wer dazugehört und aus wie vielen Mitgliedern es bestehen soll.
Halten Sie ein Spitzenteam für notwendig?
Ich habe zusammen mit anderen Mitgliedern des Bundesvorstands immer deutlich gemacht, dass ein Spitzenteam sinnvoll ist. Die Mitglieder haben dies in einer Umfrage favorisiert. Insofern liege ich ganz auf der Linie der Partei: Ich glaube, dass ein Spitzenteam die Breite der Partei besser abbildet als ein einziger Kandidat.
Stehen Sie für solch ein Team zur Verfügung?
Ja, das habe ich immer gesagt. Ich stehe für ein Spitzenteam zur Verfügung, aber nicht für eine Einzelkandidatur.
Die Vorsitzende Petry hat in ihrer Videobotschaft Vorwürfe erhoben, dass es zum Thema Spitzenkandidatur immer wieder Indiskretionen und Spekulationen von Führungsleuten der AfD gegeben habe. Ist die Kritik berechtigt?
Da ich nicht weiß, wen und was Frau Petry meint, kann ich das nicht kommentieren. In politischen Gremien aller Parteien wird es immer wieder dazu kommen, dass kurz nach einer vertraulichen Sitzung Inhalte an die Medien gelangen. Das gehört halt zum politischen Geschäft. Ob es darüber hinaus Vorwürfe gibt, weiß ich nicht. Frauke Petry hat mir dazu nichts gesagt.
Die Wähler verschreckt, dass wir uns in der Frage, wie man mit der Rede von Björn Höcke umgeht, nicht einig sind. Das Parteiausschlussverfahren habe ich immer für einen Fehler gehalten. Deshalb kann ich die Wähler auch verstehen, die uns das zum Vorwurf machen.

Viele verschreckt, dass Äußerungen wie die vom Mahnmal der Schande überhaupt möglich sind.
Ich wüsste nicht, was in Höckes Dresdner Rede die Leute verschrecken sollte. Herr Höcke hat mehrfach erklärt, wie er das gemeint hat. Warum haben dieselben Leute, die jetzt aufschreien, 1998 kein Erschrecken gezeigt, als das der frühere Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein gesagt hat. Augstein hat genau dasselbe gesagt, sogar in schärferer Form. Er sprach von New Yorker Rechtsanwälten, denen zuliebe das Mahnmal entstanden ist. So würde das Herr Höcke nie sagen. Es kann aber nicht sein, dass etwas, was im „Spiegel“ stand, ganz normal ist. Wenn sich aber Herr Höcke ähnlich äußert, ist der Aufschrei groß.
Der Bremer Landesverband fordert, die Einleitung des Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke zu stoppen. Was halten Sie davon?
Die Landesvorsitzenden haben sich klar positioniert und gesagt, das sollen jetzt die Schiedsgerichte entscheiden. Ich habe aber nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich das Ausschlussverfahren gegen Herrn Höcke von Anfang an für falsch gehalten habe. Da werde ich nicht plötzlich anderer Meinung sein, wenn der Bremer Landesverband solch einen Antrag einbringt.
Das heißt, Sie würden für den Antrag auf Aussetzung des Parteiauschlussverfahrens stimmen?
Wenn es zur Abstimmung kommt, würde ich den Antrag unterstützen.
Der frühere AfD-Bundesvorsitzende Konrad Adam sagt in einem FAZ-Interview, er frage sich, ob die AfD noch die Partei ist, die er gewollt habe. Er beklagt in der AfD eine Gleichgültigkeit gegen Satzung, Recht und Anstand. Muss die Kritik eines Insiders nicht wachrütteln?
Ich habe das Interview gelesen. Manches ist richtig, was Konrad Adam sagt. Insgesamt handelt es sich aber um ein Interview eines Menschen, der durch die Entwicklung verbittert ist. Da ist man nie gerecht. Es ist auch schwierig, eine Partei danach zu beurteilen, ob sie dem entspricht, was man selbst einmal gewollt hat. Parteien sind wie Lebewesen. Sie entwickeln sich und ändern sich. Sicherlich ist manches nicht mehr so, wie ich mir das ursprünglich vorgestellt habe. Das ist so bei Parteien.

Anfangs war viel von einer Professorenpartei die Rede, mittlerweile finden sich kaum noch Professoren in Ihren Reihen.
Es gibt noch viele Professoren bei uns, auch an der Spitze mit Herrn Meuthen. Es ist aber richtig, dass wir keine Professorenpartei mehr sind. Das liegt daran, dass sich die Themen verbreitert haben. Die AfD wurde anfangs als Professorenpartei bezeichnet, weil wir uns in der Gründungsphase vor allem mit ökonomischen Themen der Eurorettung befasst haben. Das sind immer noch wichtige Fragen. Jetzt steht aber die Veränderung des Landes durch eine Million Flüchtlinge im Mittelpunkt. Die Wirkungen, die der Islam in Deutschland entfaltet, müssen uns beschäftigen. Wenn wir sehen, wie die in Deutschland lebenden Türken beim Referendum abstimmten, ist das ein erstaunliches Phänomen. Menschen, die hier unter dem Schutz des Grundgesetzes leben, treten für Erdogans Todesstrafe ein. Da muss ich mich schon fragen, ob die multikulturelle Gesellschaft der Traum von Idealisten ist. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Die AfD hat es verstanden, enttäuschte Wähler wegen der Flüchtlingspolitik an sich zu binden. Doch die Zahl der Migranten ist zurückgegangen. Mit welchen Themen wollen Sie im Wahlkampf punkten?
Es kommen nach wie vor viele Flüchtlinge nach Deutschland. Am vergangenen Wochenende sind Tausende von Flüchtlingen vor Italiens Küsten gerettet worden. Viele von ihnen kommen nach Deutschland. Das Thema wird uns noch lange beschäftigen. Das gilt auch deshalb, weil die Veränderungen in der Gesellschaft erst jetzt sichtbar sind. Deutschland ist mit den gewaltigen Integrationsleistungen überfordert.
Wieder einmal soll es beim Parteitag in Köln um Richtungsentscheidungen gehen. Die Bundesvorsitzende Frauke Petry will die AfD als realpolitische Kraft positionieren, die auch Bündnisse mit anderen Parteien eingeht. Petry fordert ein Ende der Protestpartei. Was sagen Sie dazu?
Ich halte das für eine sinnlose Spaltung. Ich habe nie eine Fundamentalopposition gefordert, wie mir das Frauke Petry unterstellt. Ich weiß gar nicht, wie Petry zu diesem Schluss kommt. Die AfD in den Landesparlamenten von Brandenburg, Sachsen oder Thüringen bearbeitet ähnliche Themen. Ich habe nie gehört, dass wir in Brandenburg eine andere Oppositionspolitik machen als Frau Petry in Sachsen. Den Vorwurf der Fundamentalopposition halte ich für eine Luftnummer. Damit wird der Eindruck von einer Spaltung in der Partei erzeugt, die es nicht gibt.
Sie haben einmal gesagt, die AfD werde in den nächsten Jahren keine Regierungskoalition mit anderen Parteien eingehen. Gilt das noch?
Ja, natürlich. Auch Frauke Petry will erst eine Koalition eingehen, wenn die AfD die stärkere Kraft ist. Das unterscheidet uns beide nicht voneinander. In der nächsten Zeit ist aber nicht damit zu rechnen, dass wir aus der Opposition in Regierungsverantwortung kommen. Ich habe meine Partei immer davor gewarnt zu glauben, als kleinerer Partner könne man in einer Koalition mit der CDU etwas bewegen.
Warum löst der Antrag von Frau Petry so viel Unruhe aus?
Der Antrag ist insofern ein Problem, weil er unsere Partei spaltet. Wenn ich einen Graben aufreiße, den es nicht gibt, dann ist das spalterisch. Solche Vorstöße bringen die Partei nicht weiter. Es gibt bei uns Stimmen, die fordern, den Antrag wieder von der Agenda zu nehmen. Das wäre eine kluge Entscheidung.

Das Gespräch führte Roland Pichler