Der Vereinsvorsitzende Alexander Reil träumt trotz der aktuellen Erfolge der MHP-Riesen nicht von der Basketball-Meisterschaft. Im Interview spricht er über die schwierige Suche nach Sponsoren, die Bedeutung seines Clubs für die Stadt – und die schwäbische Mentalität.

Ludwigsburg - Platz sechs in der Basketball-Bundesliga, Erfolge im Eurocup, steigende Zuschauerzahlen: den MHP-Riesen geht es so gut wie selten zuvor. Dabei stand der Verein vor nicht allzu langer Zeit am Abgrund. Der Vorsitzende Alexander Reil spricht über die schwierige Suche nach Sponsoren, die Bedeutung seines Clubs für die Stadt – und die schwäbische Mentalität.

 
Herr Reil, vor zweieinhalb Jahren: sportlich abgestiegen, Sponsor weg, miese Stimmung. Wenn Sie auf die aktuellen Erfolge blicken, glauben Sie manchmal, Sie träumen?
Ich bin kein Träumer. Die Situation zeigt, dass es damals richtig war, die Wildcard zu kaufen und so den Abstieg abzuwenden. Es kann immer Krisen geben. Entscheidend ist, wie man darauf reagiert.
Was war die wichtigste Entscheidung?
In einem Verein zählt vor allem der sportliche Erfolg. Der wesentliche Faktor war, mit John Patrick einen Trainer zu verpflichten, der zu uns passt und bewiesen hat, aus weniger mehr machen zu können.
Warum hat es so lange gedauert, bis der Richtige gefunden war?
Das ist kein Wunschkonzert. Es muss auch jemand auf dem Markt sein, der passt.
Sie wurden nach dem Kauf der Wildcard von Anhängern des Vereins massiv kritisiert. Spüren Sie heute Genugtuung?
Da geht es nicht um Genugtuung.
Bestätigung vielleicht?
Auch nicht. Es geht um den Verein. Uns ist es gut gelungen, die Krise zu meistern, darauf kommt es an. Aber so ist es im Sport: wenn wir viermal verlieren, ist alles schlecht. Wenn man gewinnt, ist alles gut.
Geht es dem Verein so gut wie nie?
Wirtschaftlich waren wir immer sehr solide aufgestellt. Sportlich gab es 2005 und 2006 schon einmal eine ähnlich erfolgreiche Phase, aber die Zeiten kann man nicht vergleichen. Damals hatten wir, im Vergleich zu den anderen Teams, mit 2,5 Millionen Euro fast einen durchschnittlichen Etat. Seither ist unser Etat um eine Million Euro gewachsen, der Durchschnittsetat der Liga liegt aber bereits bei 5,4 Millionen Euro. Es ist schwerer geworden, und deshalb bleiben wir realistisch. Wir träumen nicht von der Meisterschaft. Wir wissen, wo unsere Grenzen liegen.
Wo?
Das fängt bei der Hallenkapazität an, die ist limitiert auf rund 4400 Plätze, andere haben da 2500 mehr. Unser Logen-Bereiche sind voll ausgelastet, auch da sind wir limitiert, und das ist ein wichtiger Einnahmefaktor. Und auch wenn die Leute das nicht gerne hören: ich denke, der Standort an sich ist ebenfalls limitiert.
Inwiefern?
Wenn ich mich mit einem potenziellen Sponsor aus, sagen wir Hamburg, treffe, dann kann es passieren, dass der fragt: Ludwigsburg, schön und gut, aber wo liegt das überhaupt? Aber auch Unternehmen aus der Region Stuttgart, die grundsätzlich an Sponsoring interessiert sind, wollen sich nicht unbedingt in einer, nun ja, eher kleineren Stadt engagieren. Obwohl wir momentan, nach dem VfB, sicher der erfolgreichste Verein bezüglich Zuschauerzahlen und Medieninteresse in der Region sind.
Generell tun sich zahlreiche Firmen in Baden-Württemberg schwer mit Sponsoring.
Das stimmt, das ist auch eine Mentalitätsfrage. Es gibt viele Unternehmen, die machen in diesem Bereich gar nichts. Und es gibt wenige, die sagen: hier engagieren wir uns langfristig und nachhaltig, hier helfen wir, etwas aufzubauen. Darunter leidet meines Erachtens auch der VfB. Oder die Bietigheim Steelers im Eishockey, die Serienmeister in der Zweiten Liga sind, aber den Sprung in die Erste Liga bisher nicht wagen konnten.
Der Vertrag mit dem Hauptsponsor MHP läuft am Saisonende aus. Hoffen Sie nach den Erfolgen auf bessere Konditionen?
Wir sprechen gerade darüber, schauen wir mal. Die Zusammenarbeit war für beide Seiten gut, und ich bin optimistisch, dass wir sie fortsetzen.
Sie haben mal gesagt, Schwaben falle es schwer, auf einen Club stolz zu sein. Ist auch das eine Mentalitätsfrage?
Klar ist jedenfalls, dass beispielsweise die Identifikation mit Borussia Dortmund im Ruhrpott stärker ist als die in Schwaben mit hiesigen Vereinen. Außerdem gibt es hier eine enorme Konkurrenz, viel mehr Sportvereine, auch das Freizeitangebot ist groß.
Ist das der Grund, warum Sie in den Werbekampagnen zunehmend das Wir-Gefühl in den Vordergrund stellen, die Verbundenheit Ihres Vereins mit der Stadt?
Das Ziel ist, die Stadt und die Region enger mit uns zusammenzubringen. Und das funktioniert. Unser Zuschauerschnitt ist stetig gestiegen und liegt jetzt in der Bundesliga bei fast 4000 Fans pro Spiel.
Geht noch mehr?
Die Arena ist zu 90 Prozent ausgelastet, viel mehr geht also nicht, denn eine größere Halle wird hier sobald wohl nicht gebaut. Und man muss zugeben: auch diese Zahlen hängen vom sportlichen Erfolg ab. Fehlt der, bringt die schönste Kampagne nichts. Aber wir merken durchaus, dass sich die Stimmung in Ludwigsburg gegenüber dem Verein positiv entwickelt hat.
Woran machen Sie das fest?
Überall in der Stadt stehen Masten mit unseren Fahnen, das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen, da hat die Verwaltung immer argumentiert: so etwas können wir nicht zulassen, es gibt hier doch noch 50 andere Vereine, und wir dürfen die Basketballer nicht bevorzugen.
Und das hat sich geändert?
Die Zusammenarbeit mit der Stadt hat sich sehr verbessert. Man hat erkannt, dass wir nicht nur der wichtigste Mieter der Arena sind, sondern auch ein Aushängeschild für Ludwigsburg. Es muss ja nicht jeder Basketball mögen. Aber es gibt hier keine Veranstaltung, die den Städtenamen so nach außen transportiert wie wir. Ich will jetzt nicht in einen Wettbewerb mit der Kultur treten, die Schlossfestspiele sind toll. Aber fragen Sie mal jemanden in Berlin, was er mit Ludwigsburg verbindet: Er wird vermutlich nicht das Festival nennen, Basketball vielleicht schon.
Die Riesen treten diese Saison im Eurocup an. Ihr jüngstes Spiel wurde auf Eurosport gezeigt – und sogar in Australien.
Ja, das ist ein Imagefaktor, und sportlich bringt uns diese Erfahrung ebenfalls weiter. Für viele Spieler ist es wichtig, sich international zu zeigen – für die wird unser Verein dadurch attraktiver. Das Problem ist, dass sich mit dem Eurocup momentan kaum direkt Geld verdienen lässt.
Spüren Sie auch in der Jugendarbeit ein größeres Interesse?
Die Ludwigsburger Basketballakademie hat mittlerweile 14 Partnervereine und unzählige Partnerschulen in der Region, in denen regelmäßig 2500 Jugendliche Basketball spielen. Der Andrang ist so enorm, dass wir ihn mangels Kapazität nicht vollständig bedienen können. Und machen wir uns nichts vor: das alles wäre ohne ein Aushängeschild, ohne eine Bundesligamannschaft nicht möglich.
Was ist für die Riesen langfristig möglich?
Ich denke, unser Ziel muss sein, unter den ersten acht Teams zu sein und in die Playoffs einzuziehen – nicht nur hin und wieder, sondern regelmäßig. Das ist bei unseren Möglichkeiten ein hohes Ziel.
Haben Sie keine Lust, irgendwann zu einem der großen Vereine zu wechseln?
Ich bin bei einem Club, der sich sehr solide entwickelt hat. Wir haben hier etwas aufgebaut, und mir ist wichtig, dass wir eine schlanke Struktur mit einer klaren Rollenverteilung haben, so dass nicht 50 andere Leute bei jeder Entscheidung mitreden. Ich würde nicht woanders hingehen, nur weil ich dort mehr Geld verdiene. Das Umfeld ist für mich entscheidend.
Sie haben früher bei Daimler gearbeitet und sind eher zufällig zum Basketball gekommen. Ist es denkbar, dass Sie irgendwann wieder etwas ganz anderes machen?
Ja, ist es. Ich habe immer gesagt, dass ich diesen Job nicht bis zur Rente machen werde, und das gilt immer noch.