Ali Mitgutsch kennt praktisch jedes Kind. Jetzt wird der Erfinder der Wimmelbücher achtzig und hat seine Autobiografie „Herzanzündungen – Mein Leben als Kind“ veröffentlicht. Die StZ-Autorin Ulrike Frenkel hat sich mit ihm unterhalten.

München – - Er hat Millionen Kinder inspiriert, vor allem mit seinen wuseligen Bildern aus Stadt und Land, vom Wasser, aus der Ritterburg und vom Piratenschiff. Jetzt hat Ali Mitgutsch zu seinem achtzigsten Geburtstag am Freitag zusammen mit Ingmar Gregorzewski seine eigenen Kindheitserinnerungen unter dem Titel „Herzanzünder – Mein Leben als Kind“ veröffentlicht.
Herr Mitgutsch, wenn Sie eine Lieblingsszene aus einem Ihrer berühmten Wimmelbücher aussuchen müssten, welche würden Sie wählen?
Ich würde alle wählen. Jede einzelne hat mir so viel abverlangt, dass die Bindung groß ist. Würde ich eine vorziehen, würde ich das als Verrat an den anderen ansehen. Das bringe ich nicht übers Herz.
Sie feiern demnächst Ihren achtzigsten Geburtstag. Das Leben, so scheint es auf Ihren bunten Alltagsbilderbögen, ist für Kinder ein einziges Spiel. Haben Sie das so erlebt?
Ja, ich muss sagen, dass ich meine Kindheit, so oft ich konnte, als Spiel angesehen habe. Bei jeder Gelegenheit war ich auf der Suche nach dem Spielerischen, mit Neugier, großer Abenteuerlust und viel Fantasie. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass meine Kindheit unbeschwert war.
In Ihrer gerade erschienenen Autobiografie „Herzanzünder – Mein Leben als Kind“ schildern Sie Ihre Münchner Kindheit während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs als voller Abenteuer, aber alles andere als einfach . . .
Für Kinder hatten die Erwachsenen damals keine Zeit. Die normalen Bürger hatten große Sorgen, wie man den Alltag am Laufen hält. Der tägliche Kampf um Essen, Kleidung und Energiequellen, wie Holz, Kohle und so weiter verbrauchte alle ihre Kräfte. Das war auch in meiner Familie so. Jeder Tag forderte von den Eltern das Äußerste. Mir blieben die Ruinen von Schwabing, die Gefahren der Straße und meine Fantasie. Deshalb war ich aber kein verwahrlostes Kind, ganz im Gegenteil. Die menschliche Wärme war das Einzige, was zu Hause nie ausging.
Im Untertitel heißt das Buch „Mein Leben als Kind“. Ist das bis zum heutigen Tag wörtlich zu nehmen?
Mich haben natürlich auch eines Tages die Nöte und Zwänge eines Erwachsenenlebens erfasst. Mit der Kindheit war es dann vorbei. Endgültig. Und das war auch richtig so. Was ich wohl bewahrt habe, ist ein tiefes Verständnis für die Sorgen und Wünsche der Kinder, für ihre Ängste und ihre Träume.