Die Schwedin Alicia Vikander erzählt im Interview mit Patrick Heidmann von ihrem Weg nach Hollywood, darüber wie sie ihre aktuelle Rolle als Roboter-Mädchen angelegt hat und warum sie um ihre Privatsphäre im Netz fürchtet.

Stuttgart - Als Kind wollte Alicia Vikander noch Ballerina werden, doch dann verschlug es die Schwedin als Jugendliche vor die Kamera. Internationale Aufmerksamkeit erregte sie an der Seite von Mads Mikkelsen in „Die Königin und der Leibarzt“, was Vikander prompt ihre erste englischsprachige Rolle in „Anna Karenina“ einbrachte. Zurzeit ist die 26-Jährige in dem Fantasy-Film „Seventh Son“ und nun auch als Roboter in „Ex Machina“ auf den deutschen Leinwänden zu sehen. Beim Interview in einem Designhotel im Londoner Stadtteil Soho erinnerte sich die Schauspielerin sofort an ein früheres Treffen mit ihrem Interviewpartner.
Miss Vikander, Sie wurden 2011 auf der Berlinale als Shootingstar geehrt, es folgten Rollen in „Die Königin und der Leibarzt“ und „Anna Karenina“. Nun sind Sie 2015 gleich in einer Handvoll von Filmen zu sehen . . .
Wobei es ein Zufall ist, dass die jetzt alle gleichzeitig ins Kino kommen. Ein Film wie „Seventh Son“ braucht einfach lange, bis der durch die technische Nachbearbeitung auch wirklich fertig ist. Von außen mag es aussehen, als habe ich zwei Jahre auf der faulen Haut gelegen. Aber in Wirklichkeit habe ich seit „Die Königin und der Leibarzt“ konstant durchgearbeitet. Für mich war das also eine langsame, kontinuierliche Entwicklung, die nun eher aus Versehen in diesem Jahr kulminiert. Mir hat das so auch ganz gut gefallen, denn so hatte ich noch ein bisschen Zeit jenseits der öffentlichen Aufmerksamkeit, konnte spannende Leute kennenlernen und mich ganz auf die eigentliche Arbeit konzentrieren.
Waren Sie denn überrascht, wie schnell sich für Sie als Schwedin eine internationale Karriere ergeben hat?
Einerseits vielleicht schon. Natürlich ist es nicht die Regel, dass man als europäische Schauspielerin die Chance bekommt, an so vielen tollen englischsprachigen Projekten mitzuwirken. Da schätze ich mich sehr glücklich. Andererseits hat sich die Filmindustrie in den vergangenen Jahren auch sehr verändert. Wie in allen anderen Branchen geht es um Globalisierung. Landesgrenzen werden immer unwichtiger, und nach Talent hält man überall Ausschau.
Dass Ihr Englisch wirklich exzellent ist, hilft natürlich sehr.
Die Sprache ist auf jeden Fall das Wichtigste, wenn man international arbeiten muss. Da bin ich bei „Anna Karenina“ ins kalte Wasser gesprungen. Ich habe unglaublich intensiv an meinem Akzent gearbeitet – und muss wirklich sagen, dass es verdammt schwer war. Aber mir wurde auch klar, dass genau das der Knackpunkt ist: wenn ich es hinkriegen würde, den Akzent loszuwerden, gab es keinen Grund, warum es nicht klappen sollte mit einer Karriere außerhalb Schwedens.

Ohne Wohnung, ohne Pause

Sie leben nicht mehr in Schweden?
Nein, schon eine ganze Weile nicht mehr. Mehr als zwei Jahre lang hatte ich gar keine Wohnung. Da habe ich nur aus dem Koffer gelebt, in Hotels oder auch mal zur Untermiete. Aber vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mich dann doch niedergelassen. Nicht in Los Angeles – da freue ich mich immer, wenn ich nach ein oder zwei Wochen wieder wegkann –, sondern in London! Viel zu Hause bin ich allerdings immer noch nicht. Aktuell drehe ich „The Danish Girl“ in der Nähe und schlafe zum ersten Mal mehr als ein paar Nächte am Stück in meinem eigenen Bett.
Sie drehen schon wieder den nächsten Film? Gönnen Sie sich nie eine Pause?
Neulich hatte ich mal eine. Für zwei Wochen (lacht). Aber ansonsten arbeite ich einfach zu gerne. Ich bin noch jung, mein Durchhaltevermögen ist gut. Warum also sollte ich nicht all die fantastischen Möglichkeiten nutzen, die sich mir gerade bieten. Abgesehen davon haben alle Schauspieler, die ich kenne, diese seltsame Dauersorge, es könnte nach der nächsten Rolle womöglich keine weitere folgen. Wobei ich nicht ohne Stolz vermelden kann, dass ich mittlerweile in der luxuriösen Position bin, sogar mal Angebote ablehnen zu können.
Wir haben noch gar nicht über Ihren aktuellen Film „Ex Machina“ gesprochen. Einen Roboter zu spielen ist vermutlich nicht ganz ohne, oder?
Das war in der Tat eine spannende Herausforderung. Alle Rollen, die man sonst so spielt, sind nun einmal Menschen. Und wie Menschen ticken, das weiß ich nun einmal. Ich kenne ihre Emotionen, ich weiß, wozu sie in der Lage sind, ich kenne ihre Welt. Womöglich kann ich sogar eigene Erfahrungen als Referenzpunkt verwenden. Das alles fällt bei einer Maschine weg. Die ist letztlich nicht mehr als ein unbeschriebenes Blatt, und der Regisseur und Autor Alex Garland und ich konnten komplett selbst entscheiden, was und wie sie ist. Das hat sehr viel Spaß gemacht, mir aber auch ordentlich Respekt eingeflößt.

Wie der Film, so die Gesellschaft

Und wie tickt dieses Robotermädchen nun in Ihren Augen?
Das Wichtigste war mir, dass sie rein und unschuldig wirkt. Denn obwohl es sich bei ihr um künstliche Intelligenz handelt und sie ein Bewusstsein hat, hat sie ja noch keinerlei Erfahrungen gesammelt. Deswegen musste ich diese mädchenhafte, unschuldige Qualität einfangen. Wobei sie dann sehr schnell lernt und sich verändert.
Sie ist sich im Film sehr bewusst darüber, dass sie von Ihrem Macher rund um die Uhr über Kameras beobachtet wird. Wie fühlen Sie sich in dem Wissen, in Ihrer Arbeit von Millionen Menschen auf der ganzen Welt angeschaut zu werden?
Hm, als Vergleich ist mir das ein bisschen zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Für mich ist das mein Beruf. Ich stelle mich bewusst vor eine Kamera und präsentiere da auch nicht mich selbst, sondern eine Rolle. Ich bin nicht in einem Raum eingesperrt, umringt von Überwachungsvideos. Die Parallele, die sich über die Geschichte des Films ziehen lässt, ist eher eine zu unserer heutigen Gesellschaft, in der diese konstante Beobachtung im öffentlichen Raum immer alltäglicher wird.
Wie denken Sie darüber?
Tja, das ist ein Thema, über das wir jetzt stundenlang reden könnten. Die Sache ist ja unglaublich komplex und alles andere als eine Schwarz-Weiß-Angelegenheit. Ich denke, dass eine solche Beobachtung viel Gutes bewirken und ein Gefühl von Sicherheit schaffen kann. Außerdem bin ich eine große Anhängerin von Transparenz, in alle Richtungen. Im Idealfall sind zum Beispiel alle Informationen jederzeit zugänglich. Aber genauso wichtig ist eben auch das Recht auf Privatsphäre. Auch ich möchte nicht, dass jeder alles über mich in Erfahrung bringen kann.
Sicherheit durch Überwachungskameras ist die eine Seite der Medaille. Abgehörte Telefonate und gehackte E-Mail-Accounts die andere . . .
Ich sage ja: ein ganz schwieriges Thema. Erinnern Sie sich noch an diesen Vorfall aus dem vergangenen Jahr, als irgendwelche Hacker Hunderte Nacktfotos von Prominenten im Internet veröffentlichten? Ich selbst war nicht betroffen, aber das war für mich eigentlich eine Art elektronischer Vergewaltigung.
Wie schützen Sie sich gegen so etwas?
Realistisch betrachtet gar nicht, denn das ist einfach nicht möglich. Wir wissen doch alle, dass im Zweifelsfall keine E-Mail zu hundert Prozent sicher ist und keine Kamera nicht irgendwie von einem Hacker in Beschlag genommen werden kann. Die einzige Konsequenz, die man daraus ziehen kann, ist eine Veränderung im Verhalten. Ich schreibe schon lange nichts mehr in eine E-Mail, was nicht zur Not auch jemand anderes lesen dürfte. Ich habe ja als Anke Domscheidt-Berg in „Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt“ mit Daniel Brühl mitgespielt. Spätestens seitdem mache ich mir über solche Themen viele Gedanken.