So ist es. Dabei haben wir an einem Strang gezogen.

 

Haben Sie mit den Teilnehmern gezittert?

Als Geiger spielt man immer mit. Am Ende jedes Abends war ich fix und fertig. Es ist extrem anstrengend und irgendwie undankbar.

Juroren sollten also bei Kondition bleiben. Wie halten Sie sich gesund?

In der Tat spielen Sie viel Neue Musik. Spüren Sie eine Mission, dem Publikum solche Stücke aufzuschließen?

Wir kennen doch längst nicht alles, was wir seit Jahrhunderten hören. Das ist ein Irrglaube. Vielmehr sind wir Interpreten auch Schlüsselverwalter für Beethoven, Mozart oder Brahms. Bei ihnen sind wir keine Wiederholer, wir sind Wieder-Erleber. Deshalb braucht es immer den differenziert denkenden Musiker, der ein Werk, auch wenn es altbekannt ist, neu auferstehen lässt.

Wenn Sie Schubert spielen, haben die Geigenfreaks im Saal fraglos drei, vier andere Aufnahmen im Kopf. Spielt man als Geiger immer gegen eine virtuelle Konkurrenz an?

Ich nicht. Mich interessiert nur meine Beziehung zum Komponisten und wo ich stehe in diesem Entwicklungsprozess. Nichts anderes darf zählen. Ich will nicht meine künstlerische Unbefangenheit und Unschuld dadurch verlieren, dass ich anfange, nach rechts und links zu gucken. Das Werk ist das zentrale Fragezeichen, für das ich Antworten finden muss.

Hören Sie überhaupt Aufnahmen anderer Künstler?

Nicht absichtlich, um eine Lösung zu suchen oder zu finden, sondern zuweilen einfach aus Neugierde.

Wen schätzen Sie besonders?

Das hängt sehr vom Repertoire ab. Ich beginne jetzt das Violinkonzert von William Walton zu studieren, das für Jascha Heifetz geschrieben wurde. Dass das so ist, hört man schon im ersten Takt, und natürlich scheint er der perfekte Interpret für diese Musik zu sein.

Welchen lebenden Geiger schätzen Sie?

Gidon Kremer war immer ein Geiger, den ich bewundert habe und dessen Bach-Einspielungen ich für ein Lebenswerk halte, vor dem man sich nur verneigen kann.

Neulich haben sich zahllose junge Geiger vor Ihnen verneigt: Sie waren Jurorin beim Moskauer Tschaikowski-Wettbewerb.

Ja, zum ersten Mal. Die Geschichte dieses Wettbewerbs ist so wunderbar, dass ich meine Abneigung gegen Wettbewerbe mal für ein paar Tage überwunden habe.

Und wie war es? Hat die Jury harmoniert?

Es war fantastisch. Die Atmosphäre war sehr produktiv und getragen von dem Bemühen, die Geigenabteilung des Wettbewerbs auf einem Niveau zu halten und großen Geigern wie Victor Tretjakow die Ehre zu erweisen, der diesen Wettbewerb 1966 gewonnen hat. Da kann man den ersten Preis nicht einfach so vergeben, nur weil er vergeben werden kann.

Diesmal gab es nur einen geteilten zweiten Preis.

So ist es. Dabei haben wir an einem Strang gezogen.

Haben Sie mit den Teilnehmern gezittert?

Als Geiger spielt man immer mit. Am Ende jedes Abends war ich fix und fertig. Es ist extrem anstrengend und irgendwie undankbar.

Juroren sollten also bei Kondition bleiben. Wie halten Sie sich gesund?

Ich esse ab und zu Salat. Ansonsten mit Gottes Hilfe.

Was macht der genau?

Ich hoffe auf ihn. Joggen alleine reicht wohl nicht.

Sie laufen?

Ich renne. Ich liebe Bewegung überhaupt, ich liebe die Natur. Mich kostet es überhaupt keine Überwindung, täglich mit meinen Hunden durch Parks zu jagen.

Kein Yoga? Kein autogenes Training?

Bisher nicht, obwohl es - wie auch die progressive Muskelentspannung - sehr interessante Ansätze sind. Für mich ist schon der Aufenthalt in der Natur Erholung und Entspannung. Etwa in einem japanischen Garten zu sitzen. Oder unter einem Baum zu hocken und in die Isar zu starren. Das ist mein autogenes Training. Dafür muss ich mich nicht auf eine Gummimatte legen. Aber wer weiß, vielleicht nehme ich das noch mal in Angriff.

Haben Sie eine feste Strecke, die Sie laufen?

Ich laufe oft an der Isar, da gibt es wunderschöne Wege, die kilometerlang völlig einsam sind.

Mit Sonnenbrille, wegen Ihrer Bekanntheit?

Nein.

Aber die Leute kennen Sie doch alle und ziehen den Hut. Ist das nicht lästig?

Nein. Ich sehe das sehr entspannt.

Wenn Sie in einem Moment maximaler Entspannung Ihren hilfreichen Gott bitten könnten, dass er Ihnen einen von den großen Meistern herunterschickt: Wer sollte dann wie ich jetzt neben Ihnen Platz nehmen?

Ich würde den Nächstliegenden wählen: Mozart.

Viele Musiker haben Angst vor ihm ...

Vielleicht weniger Angst, sondern sie spüren eine tiefe Demut und Herausforderung.

Ist es Mozarts geheimnisvolle Schlichtheit, die uns so viel Respekt einflößt?

Ja bestimmt, und auch Mozarts Sparsamkeit, gerade in seiner Art, für die Geige zu schreiben. Man fühlt sich bloßgestellt.

Fühlen Sie sich bei Mozart nackt?

Ich fühle mich als Musiker immer nackt, als Interpret auf der Bühne gibt man alles. Es bleibt nichts verborgen. Bei Mozart habe ich vorher immer ein leicht flaues Gefühl im Magen - und bin hinterher umso dankbarer, wenn es gelingt.

Vom Wunderkind zum Weltstar der Klassik

Karriere Die im Badischen Rheinfelden geborene Violinistin begann ihre internationale Karriere mit 13 Jahren, 1976 bei den Festspielen in Luzern. Ein Jahr danach trat sie in Salzburg unter der Leitung von Herbert von Karajan auf - eine prägende Begegnung. Seitdem konzertiert Anne-Sophie Mutter weltweit in allen bedeutenden Musikzentren. Henri Dutilleux, Sofia Gubaidulina, Witold Lutoslawski, André Previn und Wolfgang Rihm haben der Geigerin Werke gewidmet.

Tournee Am 26. August geht Mutter auf Europatournee mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter der Leitung des ehemaligen Stuttgarter GMD Manfred Honeck, die sie unter anderem nach London, Bonn und Luzern führen wird.