Exklusiv Die Autorin Juli Zeh hat sich dem Protest gegen den Online-Riesen Amazon angeschlossen. Ihre Bücher aber bestellt sie weiter dort. Sie fordert ein höheres Maß an Solidarität unter den Verlagen, sieht jedoch vor allem die Politik in der Pflicht.

Kultur: Stefan Kister (kir)
Stuttgart - - Der Widerstand gegen die Praktiken des Online-Händlers Amazon weitet sich aus. Mehr als tausend deutschsprachige Autoren haben sich diese Woche in einem offenen Brief dem Protest ihrer amerikanischen Kollegen angeschlossen. Der Konzern setze Verlage unter Druck, die sich weigerten, höhere Rabatte zu gewähren. In Deutschland ist davon die Bonnier-Gruppe betroffen, zu der Ullstein und Piper gehören. Auch die Schriftstellerin Juli Zeh hat den Brief unterzeichnet.
Frau Zeh, vor einiger Zeit haben Sie sich wohnortbedingt – Sie leben auf dem Land – als zwar kritische, aber doch regelmäßige Nutzerin von Amazon zu erkennen gegeben. Hat sich durch die jüngsten Entwicklungen daran etwas geändert?
Nein, ich habe keine Wahl. Weil ich in der Provinz fernab jeder Infrastruktur wohne, bestelle ich viele Dinge im Internet, auch Bücher. Natürlich kann man auf andere Anbieter ausweichen. Aber ich halte es damit wie mit meiner Teilnahme an Facebook und anderen Social-Media-Diensten: Ich will gar nicht boykottieren müssen und in die Selbstverteidigung gehen. Mir wäre es lieber, wir würden das gesellschaftlich lösen. Nicht, indem der Einzelne entscheidet, irgendwelche Dinge nicht mehr zu benutzen, sondern indem wir eine Antwort auf die Probleme finden, die durch die neuen Technologien entstanden sind.
Aber den Protestbrief haben Sie unterzeichnet. In welcher Hoffnung?
Es hat sich ja immer wieder gezeigt, dass gerade die Internetkonzerne noch mehr als die klassische Wirtschaft sehr stark abhängig sind von ihrem Ruf und der Reputation bei den Kunden. Der Erfolg geht sehr schnell zurück, wenn das Image in Verruf gerät. Solche Proteste wie der offene Brief der Schriftsteller in verschiedenen Ländern und die darauffolgende Berichterstattung haben einen direkten Effekt. Ich bin mir sicher, dass diese Botschaft bei Amazon ankommt. Aber sie müsste auch bei der Politik ankommen, weil es deren Aufgabe wäre, sich langsam einmal zu überlegen, wie weit man auf bestimmten digitalen Märkten regulierend eingreifen muss.
Schießt sich Amazon mit der Strategie nicht ins eigene Bein, die Auslieferung von Büchern missliebiger Verlage zu verzögern? Wer auf einen Harry-Potter-Band des zu der  erpressten Bonnier-Gruppe gehörenden Carlsen Verlages eine Woche warten muss, weicht ja sicher nicht auf ein anderes Buch, sondern auf einen anderen Händler aus.
Das kommt drauf an. Ich glaube, ganz falsch ist deren Taktik nicht, die machen das ja nicht erst seit gestern. Das fällt jetzt nur langsam auf, weil es massiver wird und die Leute dagegen protestieren. Es gab schon vor Jahren den Versuch von Diogenes, sich gegen Rabatt-Erpressung zu wehren. Der Verlag hat es aber nicht geschafft, andere Häuser hinter sich zu versammeln. Diogenes wäre sicher erfolgreicher gewesen, wenn andere Verlage erklärt hätten, ihre Verträge mit Amazon nicht zu verlängern. Es ist nicht so, dass die andere Seite keine Macht hat, sie ist nur gespalten.