Sport: Jürgen Frey (jüf)
Können Sie Beispiele nennen?
Da kommt beim Kaffeetrinken ein Lied von Bob Dylan aus der Musikbox und Dagur sagt: Geiler Song – und man spricht darüber. Oder man besucht mal ein Museum. Was ich damit sagen will: Als typisch deutscher Trainer ist man total auf den Sport fokussiert und zerlegt jedes Video vom Gegner bis ins letzte Detail...
Was wichtig ist ...
...und was wir natürlich auch machen. Doch einem Nationalspieler muss ich keinen Schlagwurf mehr beibringen, ich muss ihn bei der wenigen Zeit, die wir gemeinsam haben, nicht mehr individuell entwickeln. Ich muss vielmehr schauen, dass die Rahmenbedingungen so sind, das der Spieler sich optimal entfalten kann und somit sein Potenzial zu 100 Prozent herausgekitzelt wird.

Nicht permanent im Überlebensmodus

Gehört dazu auch Eigenverantwortung?
Das ist Dagurs Philosophie. Ein Beispiel dazu: Natürlich ist ihm ein Frühstück wichtig. Doch der Spieler muss nicht punkt 7.30 Uhr auf der Matte stehen. Er muss nur bis 10 Uhr fertig sein. Natürlich haben wir auch feste Zeitpunkte, bei denen wir uns alle pünktlich gemeinsam treffen. Aber in der Zeit dazwischen muss man für die Spieler nicht alles bis ins letzte Detail regeln. Dann macht er intuitiv das, was ihm gut tut. Weder im Training noch in der Freizeit muss der Spieler permanent im Überlebensmodus agieren. Darum trainiert Dagur im Nationalteam seltener, aber dadurch mit einem hoch konzentrierten und körperlich präsenten Team.
Gegen Katar hat sich das nicht ausgezahlt – den designierten Nachfolger Christian Prokop wird’s freuen.
Wer auch immer der Nachfolger wird: Als deutscher Handball-Fan wird er sicher mit der Mannschaft mitgelitten haben. Aber was das nächste Turnier anbetrifft, stimme ich zu: Da ist der Druck sicher nicht ganz so hoch, als wenn der Vorgänger auch noch den WM-Titel geholt hätte. Andererseits muss man schauen, wie nach diesem gefühlten Misserfolg die Stimmung im Team beim nächsten Lehrgang ist.

Der Dämpfer in Frankreich

Was macht Sie optimistisch, dass das Ziel Olympiasieg 2020 erreicht wird?
Wir hatten bei der EM in Polen mit deutlichem Abstand das geringste Durchschnittsalter. Andere Nationen wie Frankreich haben den Umbruch eineinhalb Jahre nach uns eingeleitet. Wir haben mit dem jüngsten Team den EM-Titel und Olympia-Bronze geholt. Trotz des Dämpfers in Frankreich: Das Team hat Erfahrungen gesammelt und wird weiter reifen. Bis 2020 kann noch unheimlich viel passieren.
Sogar so viel, dass bei Olympia in Tokio ein Finale Deutschland gegen das Sigurdsson-Team Japan möglich ist?
Bei allem, was ich Dagur zutraue, das würde mich überraschen, andererseits hat mich Dagur schon oft überrascht.

Das Gespräch führte Jürgen Frey.