Der 30-jährige Einzelhandelskaufmann Bastian Langbehn hat für die Satire-Partei „Die Partei“ mit 831 Stimmen einen Sitz in Lübecks Bürgerschaft errungen. Ein Gespräch über rote Pappnasen und Postengeschacher in der Politik.

Lübeck – Eher aus Versehen ist Bastian Langbehn bei der jüngsten Kommunalwahl im Rat der Stadt Lübeck gelandet. 831 Bürger gaben dem Abgeordneten der Satire-Partei des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Martin Sonneborn ihre Stimme. Zunächst sah es sogar so aus, als hinge von dem 30-jährigen Einzelhandelskaufmann die politische Zukunft der Hansestadt ab. Dann kam alles anders. Vor einigen Tagen tagte der Rat zum ersten Mal.
Prost, Herr Langbehn! Sie haben es als erster V-Mann des Satiremagazins „Titanic“ in ein Parlament geschafft. Womit wollen wir anstoßen, mit stillem Wasser oder Sprudel?
Lieber mit Bier. Das ist bei uns in der Partei so Usus. Ich bin ja nebenbei auch noch Landesvorsitzender, und als ich in dieses Amt gewählt wurde, hat mein Hamburger Amtsbruder gesagt: Du musst einen gewissen Pegel halten, und das geht mit Bier besser.

Sie sind auch der erste Rat eines als Partei getarnten Stammtisches für Satiriker. Alle Augen sind jetzt auf Sie gerichtet. Denn sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Grün fehlt genau eine Stimme für die Mehrheit. Ist jetzt Schluss mit lustig?
Nee, diese Mehrheitsgeschichte haben wir aufgegeben. Wir bilden jetzt eine Zwei-Mann-Minderheitenregierung zusammen mit dem einzigen Piraten im Parlament.

Scherz beiseite: so eine historische Chance lässt man sich doch nicht freiwillig entgehen, oder?
Könnte man meinen. Aber Politik ist ein abgekartetes Spiel. Rot-Grün hat sich längst einen Vertreter der Initiative Freie Wähler geschnappt und mit dem einen Deal gemacht: Du behältst deinen Vorstandsposten in der städtischen Tourismus-Gesellschaft, dafür machst Du bei uns die Mehrheitsprostituierte. Warum die den genommen haben, weiß ich auch nicht.

Wofür setzt der sich denn ein?
Ich glaube für Rotwein. Das hat sich schon am Wahlabend abgezeichnet. Da sollte dieser Kandidat interviewt werden, er hatte aber keine Zeit. Ein Reporter meinte, er sitze im Ratskeller und habe schon eine rote Nase. Damals wusste ich nicht, was er meint. Heute ist mir das klar. So also funktioniert Politik . . .

. . . mit Wein geht alles leichter . . .
Kann man so sagen. Dabei kann ich nie viel Alkohol vertragen, deshalb bin ich nach der Schule nicht zur Marine gegangen. Nun sitze ich in der Politik. Ein Teufelskreis.

Schade, eigentlich. Man hätte doch zu gerne gewusst, wie weit die großen Parteien gegangen wären, um Ihre Stimme zu bekommen.
Wir hatten schon gewisse Ansprüche. Und als die CDU das erfuhr, wollte sie doch nicht. Ich habe zum Beispiel gesagt, wenn ich schon zu Euch komme, werde ich Stadtpräsident. Leider kam der Vorschlag zu spät. Einen Präsidenten hatten die schon.

Vielleicht besser so. Oder hätte man die Schnittmenge mit der CDU auch ohne Mikroskop erkennen können?
Ja, Sie werden es nicht glauben. Bis auf die SPD hatten alle Parteien unser Wahlprogramm gelesen und festgestellt: Verflucht, was da steht, das wollen wir auch – es ist nur anders formuliert.

Jetzt kommen Sie aber bitte nicht mit der Einrichtung eines Swingerclubs im Holstentor, den Sie den Lübeckern im Wahlkampf versprochen hatten.
Nein, ich denke da eher an die Forderung: „Keine Kita-Maut! Die Lütten sollen nicht noch Gebühren von ihrem Taschengeld zahlen müssen.“ Das steht bei fast allen anderen Parteien im Programm, habe ich mir sagen lassen. So gesehen wären auch andere als Partner in Frage gekommen. Außer der SPD natürlich.

Warum nicht?
Die Partei hat erst die Fünf-Prozent-Hürde im Kommunalwahlrecht abgeschafft. Jetzt hat sie Angst, dass ich ihr die Show stehle. Mich erinnert diese Partei an ein Kind, das seinen Schnulli zurück will.

Sie haben den Einzug ins Parlament mit 831 Stimmen geschafft. Hat Lübeck Humor - oder leben in der Stadt überdurchschnittlich viele schräge Vögel?
Jemand hat mal geschrieben, Lübeck sei die Stadt der Asis. Ich muss das entschieden dementieren. Viele Mitglieder der oberen Zehntausend - okay, in Lübeck sind das wahrscheinlich nur hundert - reden vernünftig mit uns, sogar über richtige Politik

In der Opposition können Sie jetzt das machen, was sie am liebsten machen: Quaken.
Man muss auch auf die Außenwirkung achten. Wenn wir uns bei CDU oder SPD angewanzt hätten, hätten wir gar nicht so gut Missstände anprangern können. Dann wäre auch das Interesse ganz schnell weg.

Was gibt es denn in Lübeck anzuprangern?
Wir haben wieder für öffentliche Uhren gesorgt. Die waren alle verschwunden, nachdem die Stadt einen neuen Werbepartner bekommen hatte. Alle rannten wild durcheinander, weil keiner wusste, wie spät es war. Ich glaube, 400 unserer 831 Bürger haben uns nur wegen der Uhren gewählt.

Trotzdem haben Sie sich für die erste Sitzung als Politiker verkleidet.
Den Anzug hatte ich schon vorher. Er ist aus hundert Prozent Polyester, also klimatisiert und absolut kugelsicher. Das gibt mir ein sicheres Gefühl, wenn ich da vorne stehe. Nicht, dass es mir mal so ergeht wie John Lennon . . .

Optisch sieht man Ihnen also gar nicht an, dass Sie nur ein Politiker-Darsteller sind?
Die SPD hat in einem Medienbericht laut darüber nachgedacht, ob ich mit einer Clownsnase auftrete. Zu meinem ersten Auftritt habe ich extra eine bestellt, damit ich sagen kann: Liebe SPD, ihr seid schlimmer als die CDU. Wenn ihr so weiter macht, gibt es Euch in fünf Jahren nicht mehr.

Die Bundespartei will jetzt ihre Zulassung zur Bundestagswahl erstreiten. Sind Sie nicht der beste Beweis dafür, dass es Ihnen, um den Bundeswahlleiter zu zitieren, an Ernsthaftigkeit fehlt, „Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen?“
Wir wollen ja die politische Willensbildung fördern. Wir wollen die Bürger motivieren, wieder zu wählen.

Was würde sich denn in der Politik ändern, wenn der nächste Bundeskanzler Martin Sonneborn hieße? Würde Lübeck Bundeshauptstadt werden – oder stünde ein Swingerclub diesem Aufstieg im Wege?
Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Politiker ganz gerne in solche Einrichtungen gehen.
Nein, um Gottes Willen, Lübeck soll höchstens Landeshauptstadt werden, das reicht. Was hätten wir sonst für ein Politiker-Gesocks in der Stadt? Furchtbar.