Was können Sie konkret bewirken?
Ich sage nur: Kriegsbergstraße 32, die ehemalige Stuttgarter EnBW-Zentrale. Der Investor war bei mir, hat das Projekt vorgestellt und um Befreiungen im Baurecht gebeten. Ich habe ihm erklärt, dass wir nicht gewillt sind, den Bebauungsplan zu ändern. Hier geht es um ein stadtbildprägendes Gebäude. In den letzten Jahren haben wir um den Erhalt vieler Gebäude gekämpft – angefangen von den Wagenhallen. Oder nehmen Sie das Wilhelmspalais oder die Eiermann-Gebäude in Vaihingen.
Architektur und Stadtplanung sind immer auch dem Zeitgeist unterworfen. In welcher Phase befinden wir uns gerade?
Den Leuten wird gegenwärtig wieder bewusst, was Stadt ist. Man hat erkannt, dass die Stadt nicht nur aus Gebäuden besteht, sondern dass die Gesamtsicht wichtig ist einschließlich des öffentlichen Raums. Das zeigt sich auch in der Bürgerbeteiligung zur Zukunft des Rosensteinviertels. Gleichzeitig wächst das Interesse an der eigenen unmittelbaren Umgebung. Die Innenstadt ist umgeben von sehr selbstbewussten Vierteln. Das Hospitalhofviertel hat sich entwickelt, das Bohnenviertel genauso, auch das Heusteigviertel, der Westen sowieso. Der Welterbestatus für die Le-Corbusier-Häuser in der Weißenhofsiedlung tut ein Übriges.
Abreißen oder erhalten? Gehen wir einige Beispiele durch: der sogenannte Gleisbogen im Nordbahnhofviertel.
Ein wichtiges historisches Zeugnis, an dem sich Eisenbahngeschichte ablesen lässt. Es gibt für dessen Erhalt tolle Vorschläge.
Die Villa Bolz, Wohnhaus des von den Nazis ermordeten ehemaligen württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz am Kriegsbergturm 44, wird voraussichtlich noch in diesem Jahr abgerissen. Die Stadt hatte keine Aktivitäten entwickelt, als es um den Verkauf ging.
Ich bedaure, dass die Villa verschwindet. Wenn man einen Sinn für Geschichte hat, auch für Familiengeschichte, dann ist es für mich unverständlich, dass die Eigentümer so etwas verkaufen. Es gibt heutzutage viele Möglichkeiten, dafür eine Lösung zu finden – angefangen von Mietsyndikaten bis Baugemeinschaften. Aber die Erben haben es einfach an ein Immobilienunternehmen verkauft. Das tut mir weh.
Die Stadt hat einen Gestaltungsbeirat eingerichtet, der sich mit stadtbildprägenden Alltagsbauten befasst. Wäre es nicht sinnvoll, dass man Stuttgart daraufhin einmal gründlich scannt?
Im ersten Moment hört sich das richtig gut an, die Schwierigkeit steckt jedoch im Detail. Wenn ich Gebäude festlege, könnte man daraus folgern, dass alle anderen nicht stadtbildprägend sind und zum Abriss freigegeben sind. Alternativ könnte man auch Ensembles definieren. Eine Überlegung ist auch, Erhaltungssatzungen so einzusetzen, dass wir damit stadtbildprägende Gebäude schützen können. Das Ganze muss ja auch immer rechtlich abgesichert sein. Ich werbe aber dafür, dass man jetzt keine vorschnelle Lösungen schafft und nachher in der Umsetzung Probleme hat. Wichtig ist, ein Verfahren zu entwickeln und ein Bewusstsein zu schaffen, wie man mit Stadtstrukturen umgeht und wie sich Stadtstruktur ändert.
Bis wann fällt die Entscheidung über die Vorgehensweise?
Bis nächsten Sommer wollen wir einen Vorschlag liefern, das wird dann auch ein Thema der Haushaltsberatungen sein.
Wenn es aber eine Abrissdynamik gibt, muss man dann nicht schnell zu einer Lösung kommen, um als Stadt auch gestalten zu können?
Es gibt keine Abrissdynamik! Wir haben in letzter Zeit gezeigt, dass wir sehr wohl gestalten können.
Umgekehrt gefragt: Sind Sie damit zufrieden, was in Stuttgart an neuen Gebäuden entsteht?
Wir haben tolle Gebäude. Man muss mal sehen, wie viele Architekturpreise wir im Wettbewerb „Beispielhafte Bauten Stuttgart 2011–2015“ der Architektenkammer bekommen haben. Da ist die Skaterhalle am Pragfriedhof, die ein Notbehelf war, weil wir das Thema Lärmschutz hatten und deswegen ein Dach über der Anlage brauchten. Da ist die Umnutzung des Berufsschulzentrums Nord an der Heilbronner Straße. Da sind tolle Kindergärten und da sind viele städtische und private Bauten. Man kann schon sagen, dass sich die Qualität verbessert hat. Auch wenn man bedenkt, was an der Kulturmeile entsteht: das Besucherzentrum des Landtags, die Erweiterung der Landesbibliothek, die Unterbringung des Stadtmuseums im Wilhelmspalais. Und so umstritten das neue Dorotheenquartier auch war, das gibt sicher einen Bau, über den man reden wird.