Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Was sind Ihre größten Misserfolge?
Der größte tarifpolitische Fehler war sicherlich 1995 die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroindustrie. Allerdings haben wir daraus die richtige Konsequenz gezogen und die Flexibilisierung der Arbeitszeit ständig erweitert. Rückblickend hatte die Entwicklung somit sogar etwas Positives.
Exzessive Managervergütungen, hohe Boni und Abfindungen haben den Eindruck verstärkt, vielen Wirtschaftsführern gehe es nur um das eigene Wohl. Sehen Sie sich in einer Mithaftung?
Wir dürfen ärgerliche Einzelfälle nicht verallgemeinern. Eine Zeit lang gab es jedoch in unserer gesamten Gesellschaft diesen Trend. Geiz war geil – und damit der Eigennutz. Wenn Sie speziell an die Investmentbanker denken, sind wir auf dem Weg, dass überzogene Vergütungen reduziert und abgestellt werden. Die Bankinstitute konzentrieren sich zunehmend wieder auf die Realwirtschaft.
Sie gelten als ein Patriarch, dem im eigenen Betrieb das Wohlergehen seiner Mitarbeiter am Herzen liegt. Stirbt dieser Unternehmertyp in der globalisierten Welt aus?
Wir werden weiterhin eine relativ stark mittelständisch geprägte Unternehmenslandschaft haben. Dadurch wird die sozialpartnerschaftliche Kultur erhalten bleiben. Die IG Metall hat gerade eine große Beschäftigtenumfrage gemacht, und ich finde es gut, dass sie zu den Ergebnissen steht, die eine funktionierende Zusammenarbeit in den Unternehmen nachweisen.
Abseits der Metall- oder Chemieindustrie zerbröseln die Flächentarifverträge, weil immer mehr Arbeitgeber aussteigen. Dies haben sie als Arbeitgeberpräsident auch nicht verhindern können?
Ich bin nicht der Meinung, dass die Flächentarifverträge zerbröseln. Wir hatten in den letzten Jahren eine leicht rückläufige Entwicklung in der Tarifbindung der Unternehmen. Es werden aber unverändert 80 Prozent der Beschäftigten entsprechend den Tarifverträgen oder zumindest daran orientiert behandelt.
Für den Dienstleistungssektor gilt das sicher nicht.
Wir bekommen zunehmend tarifliche Regelungen, etwa in der Zeitarbeit, im Friseurhandwerk und bald auch in der Fleischindustrie. Ich bin überzeugt, dass die Tarifverträge als Grundgerüst für Entgelt und Arbeitsbedingungen weiterhin wichtig sein werden. Franzosen, Österreicher und andere bewundern, wie wir die Krise mit unseren angepassten tarifvertraglichen Regelungen gemeistert haben.