Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Besteht die Gefahr, dass die Arbeitgeberverbände künftig weniger gehört werden?
Diese Gefahr besteht bei einer Großen Koalition ganz sicher. Aus Demokratiegesichtspunkten ist es nicht ungefährlich, wenn 80 Prozent der Parlamentarier den Regierungsparteien und 20 Prozent den Oppositionsparteien angehören.
Es ist doch auch eine große Chance angesichts der enormen Gestaltungsmehrheit in Bundestag und Bundesrat?
Wenn wir sie richtig nutzen, ja. Union und SPD sollten sich als Große Koalition für Vollbeschäftigung verstehen – inklusive einer Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge unter 39 Prozent und ohne weitere Strompreiserhöhungen.
Für die Wirtschaft sind die ungelösten Fragen der Energiewende eine Investitionsbremse. Sollten all die Fragen in einem Energieministerium gebündelt werden?
Die Zersplitterung auf diverse Ministerien war sicher nicht erfolgreich. Es muss eine klar geregelte Zuständigkeit geschaffen werden, die in einem neuen Ministerium oder in einem bestehenden Ministerium angesiedelt ist. Ich gehe auch davon aus, dass es eine Zusammenführung an einer Stelle gibt. Dieses historische Projekt einer Energiewende bedarf einer verantwortlichen Führung und eines Masterplans. Nach Stand der Dinge ist das Vorhaben bis 2022 sonst nicht umzusetzen.
Sie mahnen zwar schnelle Lösungen der Politiker an, doch werden die Koalitionsverhandlungen noch Monate andauern.
Bei aller Notwendigkeit, so schnell wie möglich zu Lösungen zu kommen, sage ich: Genauigkeit geht vor Geschwindigkeit.
Auch aufgrund der Erfahrungen vor vier Jahren mit Schwarz-Gelb?
Zum Beispiel. Damals wurden Überschriften für die Planungsaufträge abgestimmt und schnell die Ministerposten verteilt.
Sie haben in Ihrem Amt drei Bundeskanzler erlebt: Kohl, Schröder, Merkel. Mit wem haben sie am liebsten zusammengearbeitet?
Mit Schröder war die Zusammenarbeit sehr konstruktiv. Er war aufgeschlossen und hat sich auch überzeugen lassen. 2002 hat mir Schröder beispielsweise nach einem Vier-Augen-Gespräch in die Hand versprochen: Solange er Kanzler sei, werde es keinen Mindestlohn in Deutschland geben. Das sehen die Sozialdemokraten von heute leider anders. Mit Frau Merkel gibt es eine hervorragende Gesprächsebene in allen europapolitischen Fragen. Sie macht bei der äußerst schwierigen Bewältigung der Staatsschuldenkrise einen ganz ausgezeichneten Job. Mit Helmut Kohl hat sich eine ganz persönliche Verbindung entwickelt, die bis heute anhält. Wir hatten auch privat schöne gemeinsame Erlebnisse, sind in Österreich gewandert und haben auch gut gegessen. Er war für mich immer wie ein väterlicher Freund.