Exklusiv Benedict Cumberbatch ist schon 37 Jahre alt – dennoch gilt er in Hollywood derzeit als Shooting-Star. Nun spielt der Brite, der durch die BBC-Serie „Sherlock“ berühmt wurde, den Wikileaks-Gründer Julian Assange.

Berlin – - Er ist der Sherlock Holmes der Neuzeit: mit der Titelrolle in der BBC-Serie „Sherlock“ wurde Benedict Cumberbatch weltweit berühmt. Doch der 37-Jährige ist längst über die Rolle des Meisterdetektivs hinaus gewachsen. Hollywood überhäuft den charismatischen Briten mit Rollenangeboten. Von nächster Woche an ist Cumberbatch als Julian Assange in „Inside WikiLeaks – die fünfte Gewalt“ im Kino zu sehen. Die Grundlage für den Film lieferte das Buch des ehemaligen Assange-Vertrauten Daniel Domscheit-Berg, der im Film von Daniel Brühl verkörpert wird. Assange wirft Domscheit-Berg ein „gesteigertes Maß an Niedertracht“ vor.
Sie haben den Mann gespielt und können uns die Frage beantworten, die wir uns alle stellen: Wer ist Julian Assange?
Haben Sie den Film gesehen?
Natürlich.
Dann erzählen Sie mir, wer er ist. Ich weiß nicht mehr als Sie. Es ist ein sehr komplexer, fulminanter, provokanter und faszinierender Charakter. Und er hat der Welt etwas gegeben, das wir dringend brauchten. Wir feiern ja Wikileaks und was er damit erreicht hat in unserem Film. Und aus genau diesen Gründen bin ich voll der Bewunderung für seine Arbeit.
Wie hat Assange eigentlich auf das Projekt reagiert? Hat er sich in Ihren Computer gehackt, um eine Nachricht zu hinterlassen?
(Lacht). . . Bisher noch nicht. Aber er hat den Film auch noch nicht gesehen, glaube ich. Vielleicht kommt da noch etwas. Aber ich habe ihm zu Beginn der Dreharbeiten eine E-Mail geschrieben.
Was haben Sie ihm geschrieben?
Das bleibt unter uns. Aber es ist kein Geheimnis, dass er nicht besonders begeistert davon war, dass wir diesen Film machen und ich ihn spiele. Ich habe argumentiert, warum es trotzdem ein positives Projekt ist. Mehr kann ich nicht sagen.
Und was waren Ihre Argumente?
Wir haben ein differenzierteres Porträt eines Mannes geschaffen, der in der Boulevardberichterstattung lediglich als der weißhaarige Typ bekannt ist, der in einer Botschaft festsitzt, weil er wegen Vergewaltigung verhaftet werden soll. Wir zeigen den Menschen hinter den Schlagzeilen. Man hat ja schon beinahe vergessen, dass dieser Mann Wikileaks gegründet hat. Wikileaks hat unser Verständnis von Demokratie verändert und zwar weltweit. Wir fordern heute eine ganz andere Transparenz und Glaubwürdigkeit von offiziellen Informationen ein.
Würden Sie Juliane Assange trotzdem noch gerne treffen?
Sehr gerne. Aber erst, wenn er den Film gesehen hat. Dann stehen wir sozusagen beide vor vollendeten Tatsachen.

Was halten Sie eigentlich von Ihrem deutschen Co-Star Daniel Brühl?
Er ist fantastisch. Ehrlich. Als ich hörte, dass er für die Rolle von Daniel Domscheit-Berg gecastet wird, war ich begeistert, denn er passt perfekt zu dieser Rolle. Ich bin ein Fan von ihm, seitdem ich ihn in „Good Bye, Lenin“ gesehen habe. Er berührt dich und kann gleichzeitig komisch sein.
An welchem Punkt dachten Sie: jetzt weiß ich, wie ich Julian Assange spiele.
Das denke ich nie. Ich gehe als Schauspieler am Ende eine Drehtages nie vom Set und denke: das war der perfekte Tag. Im Gegenteil, ich hinterfrage mich ständig selbst. Aber ich glaube, Schauspieler, die sich am Ende des Tages für besonders gut halten, spielen ein gefährliches Spiel. Denn das ist unmöglich. Ich diene dem Augenblick und dem Text des Drehbuches. Das ist eine Zusammenarbeit mit den Kollegen und dem Regisseur. In diesen Prozess lasse ich dann andererseits auch nie meine Ängste einfließen, wie ich dann im fertigen Film auf der Leinwand wirken könnte. Das wäre bizarr. Wenn ich mich einmal entschieden habe, dann blende ich diese Gedanken aus. Die Bedenken hatte ich, bevor ich diese Rolle angenommen habe. Ich hatte große Zweifel, weil ich sehr wenig über Assange wusste. Denn wie sollte ich der Sache auf Basis dieser dünnen Informationslage gerecht werden? Und das sind dann die einzigen Bedenken, die ich mit zur Arbeit nehme: Werde ich der Figur gerecht? Balanciere ich das richtig aus? Es geht nicht darum, wie ich wahrgenommen werde, sondern um die Figur, die ich spiele.
Können Sie Ihren Erfolg genießen?
Es fühlt sich gerade sehr gut an. Auf jeden Fall. Und ich wünschte, ich könnten diesen Moment etwas länger auskosten. Aber ich muss mich schon wieder auf meine nächste Rolle vorbereiten. Ich spiele Alan Turing in „The Imitation Game“. Keira Knightley ist da meine Filmpartnerin. Auch „Sherlock“ haben wir gerade erst abgedreht. Manchmal denke ich, es wäre nett, die Zeit anzuhalten, um sie genießen zu können, denn es ist gerade eine besondere Zeit für mich. Ich freue mich vor allem darüber, meinen Lebensunterhalt als Schauspieler zu verdienen und das man mir die Möglichkeit gibt, so viele verschiedene Rollen zu spielen.
Benutzen Sie eigentlich moderne Technik, oder lesen Sie lieber ein gutes, altes Buch?
Ich bin ein eher beiläufiger Konsument digitaler Technik. Ich benutze beides, ein Tablet zum Lesen, aber ich liebe es auch, ein Buch in der Hand zu halten. Bücher werden nie aussterben, glaube ich. Sie werden weiter ein Teil unseres Alltags sein und nicht als Hobby altmodischer Exzentriker enden. Von Computern habe ich nur begrenzt Ahnung. Ich habe zwar verstanden, was Assange mit seinem Computer gemacht hat, aber ich würde das selbst nie hinkriegen. Alles was über den täglichen Gebrauch von Computern hinaus geht, würde sich bei mir zu einem Desaster entwickeln.
Als Sohn eines Schauspielers sind Sie praktisch im Theater aufgewachsen. Wollten Sie immer den Beruf Ihres Vaters ergreifen, oder gab es eine Zeit, in der Sie ihn mit einem sehr konventionellen Job provozieren wollten?
Das hatte nichts mit Provokation zu tun. Im Gegenteil, meine Eltern wären außer sich gewesen, wenn ich Arzt, oder Anwalt geworden wären. Kurz, wenn ich einen gesunden Beruf ergriffen hätte. Sie waren wirklich sehr großzügig darin, mir alle Türen zu öffnen, um einen Beruf zu finden, der mich interessierte. Meine Eltern haben mir viel Liebe und Vertrauen geschenkt. Aber ich war mir tatsächlich lange nicht sicher, ob ich Schauspieler werden will. Der Beruf des Anwalts schien mir auch sehr interessant zu sein und so war das eine Zeit lang mein Plan. Das war so eine Fantasie, die bei mir durch die Abenteuer des Horace Rumpole in „Rumpole von Old Bailey“ entstand. Anwalt war der einzige andere Beruf, der für mich ernsthaft in Frage kam. Aber meine Eltern haben mir vergeben, dass ich Schauspieler geworden bin. Sie sind sehr glücklich, weil es gut für mich läuft.
Ist Hollywood jetzt eine interessante Option für Sie, oder bleiben Sie lieber in Europa?
Ich lese derzeit immer wieder Sätze wie: wir haben ihn an das Theater oder Hollywood verloren. Ich kann an dieser Stelle nur sagen, niemand hat mich verloren. Ich werde weiterhin Theater spielen. Und das Großartige an meinem Beruf ist ja gerade, dass er nicht mehr so ortsgebunden ist, wie früher. Wir arbeiten auf der ganzen Welt. Und von den drei US-Filmen, die ich auf dem Toronto Film Festival präsentiert habe, ist kein einziger in Hollywood entstanden. Ich finde es spannend, in den verschiedensten Teilen der Welt zu arbeiten. Und ich besitze einen Koffer, den ich gerne packe, um meiner Arbeit nachzugehen.
Was haben Sie immer im Gepäck, um sich nicht zu fremd zu fühlen?
Gute Frage! Ich trage zum Beispiel immer dieses Silberarmband, dass mir ein Freund mal vor ewigen Zeiten geschenkt hat. Ich hänge auf sentimentale Weise daran und es soll mir Glück bringen.
Sind Sie abergläubisch?
Nicht übermäßig. Für einen Schauspieler bin ich in einem normalen Rahmen abergläubisch. Und da ist noch etwas, und meine Freunde werden lachen, wenn sie das lesen: Ich habe immer Übergepäck. Immer. Am Ende sind es immer zu viele Klamotten und Bücher.
Sie stehen angeblich auch auf der Besetzungsliste des neuen „Star Wars“-Films und diverser anderer High-End-Produktionen. Wie gehen Sie mit dem Druck um, all diese Erwartungen erfüllen zu müssen?
Natürlich spüre ich einen gewissen Druck. Aber das ist doch letztendlich ein echtes Luxus-Problem. Ich beschwere mich nicht darüber.
Was spüren Sie auf der Bühne, das Sie vor der Kamera nicht spüren?
Mit einem Publikum produziere ich eine andere Art von Adrenalin. Und dieses Adrenalin nutzt du als Schauspieler auch. Bei Dreharbeiten kommt das nur selten vor. In „Sherlock“ gab es einige wenige Szenen vor Publikum, und als Julian Assange musste ich auf einer Bühne einen Vortrag halten. Und es ist interessant, da werde ich dann sofort genauso aufgeregt wie im Theater. Obwohl ich Schauspieler bin, macht es mich nervös, mich anderen Menschen zu präsentieren. Aber das geht ja allen so. Und egal, wie oft du schon auf der Bühne gestanden hast, diese Nervosität ist immer da.