Im Interview blickt Bezirksvorsteherin Andrea Krueger auf das Jahr 2013 im Bezirk Nord zurück.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)
Die Flüchtlinge, der Takt der SSB, Diskussionen über das geplante Bürgerhaus, und immer wieder Baustellen und Bauarbeiten: Es passiert viel im Bezirk Nord. Mit unserer Zeitung lässt Andrea Krueger das Jahr 2013 Revue passieren und berichtet, was 2014 ansteht.
Frau Krueger, im Juli hat der Bau des U 12-Tunnels im Europaviertels begonnen. Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, hat die Patenschaft des stadtauswärts führenden Tunnels übernommen, Sie diejenige für den stadteinwärts verlaufenden Tunnel. Wie fühlt man sich als U 12-Tunnelpatin?
Gut, sehr gut sogar. Es ist mir eine Ehre und etwas, was mich unheimlich begeistert. Zum einen ist die Stuttgarter Straßenbahnen AG für die Stadt eine ganz wichtige Institution, eine, die das Leben in der Stadt erleichtert und angenehm macht. Natürlich kann man immer noch weitere Wünsche an die SSB haben. Die haben wir ja auch als Bezirksbeirat, zum Beispiel, was die Taktung am Killesberg oder die U 15 in der Friedhofstraße angeht. Aber wenn man es mit anderen Städten vergleicht, ist unser ÖPNV ausgesprochen gut und die SSB ein zuverlässiger Träger. Mit der U 12 und der Haltestelle einschließlich der Fuß- und Radwegebrücke rückt das Nordbahnhofviertel noch näher an die Innenstadt. Zum anderen finde ich es schön, wenn Menschen an bestimmten Traditionen festhalten, in diesem Fall die Tunnelbauer, die Mineure am Schutzpatronat der Heiligen Barbara. Das hat auch damit zu tun, dass diese Menschen, jeden Tag mit der Gefährlichkeit ihres Arbeitsplatzes konfrontiert sind. Das Bewusstsein, dass der Mensch ein kleines Etwas im großen Weltgefüge ist und eben nicht alles bis ins Letzte beherrschen kann, hat viel für sich und schützt vor Überheblichkeit. Die U 12-Baustelle verläuft aber nach Plan, es ist Gott sei Dank bis auf einige kleinere Unfälle und Verletzungen auch nichts Schlimmeres passiert.
Die U 12-Baustelle ist nicht die einzige im Bezirk Nord. Wie ist bei den anderen Baustellen der Stand der Dinge?
Wir sind auf Jahre hinaus gesehen der Bezirk, der das größte Entwicklungspotenzial für Wohnungsbauflächen vorweisen kann. Es gibt das Azenberg-Areal, den Bereich Staiger-Areal/Nordbahnhofstraße, die Killesberghöhe, die nach und nach vollends bezogen wird, das W1-Gebiet am Kochenhof, das aufgesiedelt wird, die Pläne für die Rote Wand. Auch die Bauarbeiten für Stuttgart 21 haben begonnen. Schon jetzt ist die zusätzliche Verkehrs- und die Staubbelastung zu spüren, insbesondere im Nordbahnhofviertel. Die ist aber zu weiten Teilen leider nicht zu vermeiden. Insgesamt verlaufen die Bauvorhaben in geregelten Bahnen. Dennoch wird es im Zuge der weiteren Planungen sicher noch den einen oder anderen geben, der sagt, das gefällt mir nicht. Natürlich hat jeder gerne die grüne Wiese vor der Haustür. Doch gerade wenn der Innenentwicklung und Nachverdichtung Vorrang gegeben wird, kann das so nicht funktionieren. Aber unterm Strich sind wir auf einem guten Weg mit den Bauvorhaben. Was ich vor einem Jahr noch etwas anders eingeschätzt habe, ist das Thema Nachnutzung Bürgerhospital-Areal/Betriebshof der Abfallwirtschaft (AWS). Da wollten wir eigentlich schon im Herbst in die Bürgerbeteiligung gehen, was aber leider aus verschiedenen Gründen verschoben werden musste: wie zum Beispiel den Verzögerungen bei der Verlagerung des AWS-Betriebshofes an der Türlenstraße und beim Auszug des Bürgerhospitals, in dessen Gebäude inzwischen Flüchtlinge untergekommen sind.
Stichwort Flüchtlinge: Knapp 400 Asylbewerber sind im Bezirk Nord untergebracht, davon rund 220 auf dem Bürgerhospital-Areal – ohne dass der Bezirksbeirat rechtzeitig informiert wurde. Die Stadt muss nun weitere Flüchtlinge aufnehmen, Oberbürgermeister Fritz Kuhn spricht davon, die Bezirke mit einer „Task Force“ und einer Lenkungsgruppe zu unterstützen. Hätte das für den Bezirk Nord nicht schon früher kommen müssen?
Ich glaube, es richtig so, wie man es jetzt macht. Nachdem wir im Norden erst einmal gegen die mangelhafte Einbindung laut protestieren mussten, hat man offenbar verstanden, dass man es anders angehen muss. Wir sind mittlerweile in unserem Stadtbezirk ganz gut aufgestellt. Man muss sich aber klarmachen; der Bezirk Nord hat nicht einmal 4,5 Prozent Anteil an der Gesamtstadtbevölkerung, wir haben aber 25 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen, die in den vergangenen zwölf Monaten nach Stuttgart gekommen sind. Dabei sollen die Flüchtlinge, soweit es geht, in den Bezirk mit Hilfe seiner Infrastruktur an Kindergärten, Schulen, ärztlicher Versorgung und so weiter integriert werden. Auch darf das dankenswerterweise vorhandene große ehrenamtliche Engagement nicht überstrapaziert werden. Bezirksintern läuft die Kommunikation mit den beiden Einrichtungen gut und schnell. Die politische Unterstützung im Bezirk ist da. Was ich an Kritik geäußert hatte, richtete sich ja nie gegen die Einrichtungen, sondern war an die Stadtverwaltung adressiert.
Zurück zum Bürgerhospital-Areal. Dort soll Wohnbebauung entstehen, und ein Bürgerhaus für den Norden – wenn Bürgerhospital und AWS ausgezogen sind.
Ja, an der Verlagerung des Betriebshofes der Abfallwirtschaft und des Bürgerhospitals sowie der Nachnutzung dieser Flächen hängt sehr viel. Dort ist so vieles möglich, dort könnte nachhaltiges, qualitätvolles und doch preisgünstigeres Familienwohnen entstehen, gute Infrastrukturen mit Kita, Schule, Einkaufen und ÖPNV sind vorhanden. Auch generationenübergreifende Wohnformen und soziale Einrichtungen wie ein Familienzentrum sind denkbar. Gute Qualität zu vertretbaren Preisen – hier hat die Stadt auf eigenem Gelände die Möglichkeit, dies selbst zu bestimmen, selbst zu gestalten. Es wäre ein Frevel, wenn man sich diese Chance entgehen ließe. Wo, wenn nicht in der Stadt, im Kessel selbst, könnte man solche Vorstellungen realisieren? Die Schwierigkeiten der Verlagerung des AWS-Betriebshofs verstehe ich dabei durchaus. Denn es ist nicht einfach, ein passendes Ersatzgelände zu finden, mit dem alle glücklich sind. Doch mit etwas gutem Willen sollte sich eine gangbare und auch betrieblich sinnvolle Lösung finden lassen, damit das Areal an der Türlenstraße zeitnah dem Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden kann. Beim geplanten Bürgerhaus, das in das historische Gebäude des früheren Pferdestalls soll, ist der zeitliche Zusammenhang zum Bürgerhospital-Areal wichtig. Außerdem erhöht es zweifelsohne die Planungsqualität, wenn man das gesamte Gebiet rechts und links der Türlenstraße aus einem Guss zusammen entwickeln kann. Dass der Pferdestall aus Sicherheitsgründen nicht vorzeitig zum Bürgerhaus umgewandelt werden kann, ist nachvollziehbar. Aber dieser aus dem Bezirksbeirat geäußerte Wunsch zeigt den bestehenden Druck, endlich auch für unseren Norden ein Bürgerzentrum mit einem in anderen Stadtbezirken längst üblichen Leistungsspektrum zu bekommen. Das darf man nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben, das ist jetzt eine brennende Frage. Ich habe aber leider zurzeit den Eindruck, dass die Entwicklung hier gerade etwas stagniert, da bewegt sich seit geraumer Zeit nichts.
Was war Ihr Höhepunkt des Jahres 2013 im Bezirk Nord, was Ihr Tiefpunkt?
Sehr erfreulich war die Entscheidung des Gemeinderats, nun auch für unseren Stadtbezirk Geld aus der Stadtentwicklungspauschale (Step) bereit zu stellen. Im ersten Jahr sind das 250 000 Euro, danach jährlich 300 000 Euro. Der Norden besteht eben auch aus Vierteln, die nicht ganz so bevorzugt sind, was Frei- und Grünraumgestaltung angeht. Mit der Umgestaltung des Spielplatzes an der Knapp-/Knoll-/Kleinstraße ist nun begonnen worden. Außerdem läuft auch die Entwicklung an der Nordbahnhofstraße sehr gut. Das Siedlungswerk als Bauträger ist ein guter, verlässlicher Partner. Das Wohnbauvorhaben dort bedeutet leider auch wieder Baudreck fürs Nordbahnhofviertel, aber am Ende eine Aufwertung und ein ausgewogenes Wohnungsangebot. Ein Tiefpunkt war, dass wir mit der Bürgerbeteiligung zum Areal Bürgerhospital/AWS nicht beginnen konnten. Freuen dürfen wir uns aber in jedem Fall darüber, dass wir trotz aller Unkenrufe reichlich Bewerberinnen und Bewerber für die Jugendratswahlen im Januar haben. Das ist deshalb besonders schön, weil es zeigt, dass sich junge Menschen für ihr Umfeld interessieren und es aktiv mit gestalten wollen.
Was steht für das Jahr 2014 an?
Ich hoffe sehr, dass in den nächsten Monaten eine AWS-Entscheidung in unserem Sinne fällt. Außerdem werden die neue Kita am Bürgerhospital entstehen und der städtebauliche Planungswettbewerb zur Roten Wand durchgeführt. Im Bezirksbeirat werden wir mit dem Jugendamt Sachstand und weitere Entwicklung beim Kita-Ausbau, aber auch Veränderungen in der Sozialstruktur unserer Quartiere diskutieren. Der Leiter unseres Polizeirevieres Wolframstraße wird zur Sicherheitslage im Bezirk berichten. Und es wird darum gehen, wie die Entscheidungen des Gemeinderats in den Haushaltsberatungen nun im Bezirk umgesetzt werden – unter anderem die baulichen Maßnahmen zum Ausbau des Ebelu zum Musikgymnasium oder auch die Erweiterung und damit der Erhalt des Hölderlin-Gymnasiums. Aber auch Themen wie die Verkehrs- und Radwegeplanung, Tempo 40 auf Steigungsstrecken, die Umgestaltung der Doggenburg-Kreuzung sowie der Aussichtsplattform an der Birkenwaldstraße oder die Einführung des Parkraummanagements zählen dazu. Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern des Stadtbezirks Nord wünsche ich ein glückliches neues Jahr.