Das Mannheimer Nationaltheater feiert sein 175-jähriges Bestehen. Schauspielchef Burkhard Kosminski fordert die Einführung eines Solidaritätszuschlags für Kultur und Bildung. „Sonst sehe ich schwarz“, warnt er.
14.09.2014 - 13:49 Uhr
Mannheim – - Das Mannheimer Nationaltheater schmückt sich mit einem Superlativ: 1839 von einem Hoftheater in städtische Trägerschaft überführt, ist es das älteste kommunale Theater der Welt! Zu danken ist diese Errungenschaft dem Engagement der Bürger, an das im Jubiläumsjahr wieder angeknüpft werden soll. In einem offenen Brief an Bundes- und Landesminister schlägt der Mannheimer Schauspieldirektor Burkhard Kosminski die Einführung eines Solidaritätszuschlags für Kultur und Bildung vor. „Sonst sehe ich schwarz“, warnt der 52-jährige Kosminski.
Herr Kosminski, warum möchten Sie den Solidaritätszuschlag in eine Kultur- und Bildungsabgabe umwidmen?
Weil ich mich um die Kultur- und Bildungslandschaft in Deutschland sorge. In meinem offenen Brief beschreibe ich ja die fatalen Auswirkungen der Schuldenbremse auf unsere Gesellschaft. Wenn diese Schuldenbremse in Bund und Land 2020 greift, wird als erstes bei den freiwilligen Ausgaben gekürzt: bei der Kultur. Ich befürchte, dass Kultur und Bildung dann jenen Stellenwert in der Politik verlieren, den sie über Jahrhunderte hatten. Ich sehe da wirklich schwarz.
Und warum sorgen Sie sich als Theatermann, der Sie sind, um die Bildung?
Auch da liegt vieles im Argen. Nehmen wir Baden-Württemberg. Es gibt hier sehr gute Empfehlungen für kulturelle Bildung, die aber nicht umgesetzt werden, weil sie in den Bildungsplänen einfach nicht auftauchen. Das finde ich sehr bedauernswert. Denn Kultur braucht Bildung, Bildung braucht Kultur. Das sind wesentliche Bereiche unserer Gesellschaft, die sich nicht mehr voneinander trennen lassen. Ein weiteres großes Problem ist der gewaltige Sanierungsstau in Bildungs- und Kultureinrichtungen. Er stellt die Kommunen vor schier unlösbare Probleme.
Und Sie wollen Kultur und Bildung retten?
Ich will zumindest meinen bescheidenen Teil dazu beitragen. Wir wissen doch alle, dass derzeit über die Zukunft des Solidaritätszuschlags geredet wird. Der Soli wurde 1991 eingeführt, um den Aufbau Ost mitzufinanzieren. 2019 läuft er in der jetzigen Form aus – und Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich schon öffentlich dafür ausgesprochen, den Soli zu erhalten und künftig auch den Ländern zugute kommen zu lassen. Und weil es eine Stärkung der Kultur- und Bildungseinrichtungen auch im Sinne der Generationsgerechtigkeit braucht, halte ich es für sinnvoll, den Soli entsprechend umzuwidmen.
Sie wissen schon, dass a) Finanzminister Schäuble den Soli ganz abschaffen will und b) unser Finanzsystem zweckgebundene Steuern sowieso nicht erlaubt . . .
Ja, das weiß ich. Aber als Theatermacher bewegt man sich immer im Utopischen.
Und Sie gehören zu denen, die noch an die Kraft der Utopie glauben?
Unbedingt. Man muss visionäre Gedanken formulieren, denn nur so können wir die Gesellschaft verändern, nur so finden wir Gehör in der Politik. Im übrigen hielt ich bis vor kurzem eine im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse ja auch für utopisch . . . Aber es kommt mir mit meinem Vorschlag, den Soli umzuwidmen, auch auf etwas Grundsätzliches an: auf eine öffentliche Wertedebatte.
Wozu?
Unsere Gesellschaft kennt keine Ziele mehr jenseits des Sparzwangs. Dass nur noch in ökonomischen Kategorien gedacht wird, finde ich höchst erschreckend. Mit dem Hinweis aufs Sparen kann jede Diskussion im Handumdrehen abgewürgt werden.
Und wie sähe die Debatte konkret aus?
Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern. Und da frage ich mich, wie ihre Zukunft aussehen wird, in welcher Gesellschaft sie in zwanzig, dreißig Jahren leben werden. Ich bin überzeugt, dass unser Zusammenleben um so humaner wird, je mehr Kultur und Bildung wir haben. Schauen Sie auf Griechenland, Spanien, Frankreich: wie schnell bricht eine Gesellschaft in Krisenzeiten auseinander! Wie schnell radikalisiert sie sich! Um aufs Theater zurück zu kommen: sie sind Streiträume für gelebte Demokratie im Herzen jeder Stadt, sie verhindern Intoleranz und radikale Strömungen. Darüber sollten sich Politiker im Klaren sein, bevor sie das Sparen zur neuen Religion erheben.
Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren offenen Brief bisher erhalten?
Positive. Und jetzt hat sich auch der Deutsche Bühnenverein in die Debatte eingeschaltet und gefordert, den Solidaritätszuschlag über 2019 hinaus zu verlängern und zur Stärkung der Kommunalfinanzen in ganz Deutschland einzusetzen. So könnten auch künftig die freiwilligen Ausgaben von Städten und Gemeinden finanziert werden.
Haben Sie auch schon Antworten der von Ihnen gezielt angeschriebenen Landes- und Bundesminister bekommen?
Theresia Bauer, die baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, hat mir sofort geantwortet. Mittlerweile haben wir uns auch getroffen und ein sehr konstruktives Gespräch geführt. Von den anderen Ministern, etwa von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, habe ich noch keine Antwort erhalten. Nun ja, mein Brief kam ja auch in den Sommerferien . . .