Zurück zum Peymann-Kind: Sehen Sie sich auch in der Peymann-Tradition?
Ja! Peymann ist ein regieführender Intendant, der davon überzeugt ist, dass man als guter Theaterchef den Kontakt zur Bühnenpraxis nie verlieren darf. Er sieht das Theater als politischen Ort und ist ohne seine Autoren, etwa Thomas Bernhard und Peter Handke, kaum denkbar. Bühnenpraxis, Stadtpolitik, Autorenpflege: Da fühle ich mich der Stuttgarter Theaterlegende sehr nahe.
Wie ist denn Ihr Kontakt zu Autoren?
Ich kümmere mich seit Jahren intensiv um zeitgenössische Dramatiker, was Mannheim zu einer ersten Adresse für Erst- und Uraufführungen gemacht hat. Das Konzept des aktuellen literarischen Theaters werde ich in Stuttgart weiterverfolgen, weshalb sich das Publikum auch hier auf neue Stücke von Roland Schimmelpfennig und Theresia Walser – um nur die bekanntesten Namen zu nennen – freuen darf. Auch meine Kontakte in die USA sollen weiterhin Früchte tragen. Sowohl Tracy Letts’ „August: Osage County“ als auch Tony Kushners „Ratgeber für den intelligenten Homosexuellen“ habe ich nach Mannheim geholt, um als Regisseur die europäische Erstaufführung zu besorgen . . .
. . . die beiden Dramen haben danach ihren Siegeszug durch die Theater angetreten und sind auch in Stuttgart nachgespielt worden . . .
. . . und ich hoffe, dass ich solche Glücksgriffe auch künftig machen kann. Seit einiger Zeit arbeite ich mit Noah Haidle zusammen, der von „Theater heute“ 2015 zum Autor des Jahres gewählt wurde und die Komödie „Alles muss glänzen“ geschrieben hat, die zuletzt mit Maria Furtwängler in Berlin zu sehen war. Auch diesen stilistisch originellen Dramatiker, der wie Letts und Kushner mittlerweile für Hollywood arbeitet, will ich nach Stuttgart locken.
Nach Mannheim haben Sie ihn schon gelockt. In Ihrer Abschiedsspielzeit wird Haidle der Hausautor des Nationaltheaters sein. Wird er es auch in Stuttgart werden?
Das Hausautoren-Konzept halte ich auf jeden Fall für sinnvoll. Wenn ein Autor einen festen Platz im Theater hat, lernt er das Ensemble, das Publikum und die Stadt kennen, also alles, wofür er dann gezielt arbeitet. Das Publikum wiederum verfolgt über einen längeren Zeitraum das Schaffen des ans Haus gebundenen Dramatikers: eine Win-Win-Situation, die ich auch in Stuttgart gerne herstellen würde. Aber noch ist nichts fixiert.
Lassen Sie uns auf Ihre Regisseure zu sprechen kommen. Die beiden jüngsten Mannheimer Premieren stammten von Frauen. Wird das Stuttgarter Theater unter Ihrer Intendanz weiblicher werden, als es derzeit ist?
Es werden viele Frauen inszenieren, das steht auf jeden Fall fest. Sie werfen nicht nur einen anderen Blick auf Theaterstoffe, sondern bringen auch einen anderen Ton in hausinterne Diskussionen. Das ist mir wichtig. Aber es wird keine Quote geben, was zählt, ist die Kunst. Und bei den Männern werden Sie unter anderem auf zwei Regisseure treffen, mit denen ich häufig in Mannheim gearbeitet habe, die aber auch eine Stuttgarter Geschichte haben: Elmar Goerden und Calixto Bieito.
Schön und gut, aber wie wollen Sie mit diesem Personal vermeiden, dass Stuttgart nicht nur eine Kopie von Mannheim wird?
Ich werde hier zum Beispiel die Autorenpflege weiter verfolgen, stimmt. Aber ich weiß, dass hier ein ganz anderes Theater nötig und auch möglich ist, allein schon wenn ich auf die Größe des Ensembles schaue. Wenn man sich wirklich auf die Stadt einlässt, entstehen automatisch andere Themensetzungen und dadurch eben auch ein anderes Theater.