Welche Rolle nimmt für Sie die Figur der Kundry ein? Sie ist die einzige Frau im Tempelbezirk der Gralsburg, eine Frau am Rande einer Männerwelt.


Als ich mit Christiane Iven, unserer Kundry, zu proben begann, habe ich zu ihr gesagt, wir reden erst einmal nicht viel über die Rolle. Kundry ist alles, Mutter, Liebe, Wildheit, alles.

Und sie ist dies für beide Seiten, für die Ritter ebenso wie für die sündenvolle Gegenwelt des Klingsor?


Ja. Das ist aber nicht negativ, Kundry hat ungewöhnliche Fähigkeiten, Liebe zu geben. Ich liebe den Text dieser Figur, er ist so verschieden von den oft verrückten Texten der anderen Figuren, die mich an meine Jesuitenschule erinnern, wo die Leute auch viel Verrücktes sagten. Kundry ist viel positiver, sie ist die Erde, die Mutter, die Liebhaberin. Ich mag sie, und ihre Beziehung zu Klingsor hat sich während der Proben überraschend entwickelt - sie hassen sich, sie lieben sich, sie brauchen sich, eigentlich ist das sehr traurig.

Das wäre Ihre Antwort auf die Schlussworte der Oper, die bis heute eigentlich niemand so recht verstehen kann: Erlösung dem Erlöser?


Ja, das wäre meine Antwort. Natürlich ist das sehr ambivalent, und es werden erneut einige verrückte Rituale vollzogen. Ich kenne diese Rituale nur zu gut, ich musste sie als Schüler jeden Donnerstag mitmachen und habe schnell entdeckt, dass gar nichts dahintersteckt. Aber es geht doch immer etwas im Kopf der Menschen vor, oft auch viel Positives, und ich denke, es ist gut, "Parsifal" offen enden zu lassen mit der Aussicht, dass das Leben doch weitergeht. Das ist mir sehr wichtig.

Aber wenn ich Sie recht verstehe, kann dieses Leben nur auf der Basis von Individualität weitergehen und nicht mit Gruppenzwang?


Ja, richtig, darum geht es mir. Die Geschichte sagt uns, dass jedes Mal, wenn eine Idee zum Symbol oder zur Institution gerinnt, Grausamkeit, Mord und Frustration hervorgerufen werden. Ich glaube, ich habe einen sehr humanistischen "Parsifal" gemacht, im speziellen Sinn des Wortes: Ich habe aus einem Status der Unschuld auf das Stück geblickt. Und ich empfinde die Figuren als äußerst vielschichtig, ich war fasziniert von diesem besessenen Priester Gurnemanz, der das ganze Stück trägt. Er hält diese Gemeinschaft überhaupt am Leben, er ist der größte Manipulator.