Matthias Klopfer, neuer Chef der Sportregion, spricht über persönliche Erfolge und Niederlagen als Athlet – und fordert mehr Kompetenzen für die Region.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Schorndorf - Kritiker sagen, die Sportregion führe ein Schattendasein. Die Organisation bekommt jährlich 250 000 Euro vom Verband Region Stuttgart. Doch selbst viele Sportler wissen nicht, dass es die Sportregion überhaupt gibt. Matthias Klopfer, Oberbürgermeister in Schorndorf, wurde jetzt zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er gehört zur Garde der selbstbewussten, pragmatischen SPD-Politiker in der Region, die klare Vorstellungen haben – und sie lieber im Rathaus umsetzen, als im Parlament darüber zu diskutieren. Im Interview sagt er, wohin die Reise geht.

 

Herr Klopfer, waren Sie heute morgen schon sportlich unterwegs?
Nur kurz joggen, leider nicht mehr. Ich hatte nur wenig Zeit.

Machen Sie oft Sport?
Viel zu selten, ich versuche es zweimal in der Woche. Aber das schaffe ich nicht immer. Im Sommer fahre ich am liebsten Rennrad und Mountainbike. Da kann ich das Remstal nur empfehlen.

Haben Sie eine große Sportvergangenheit?
Das könnte man so sagen – aber keine übermäßig erfolgreiche. Ich habe lange Leichtathletik gemacht, war bei den württembergischen Staffelmeisterschaften dabei. Da erlebte ich übrigens meine größte Niederlage, als ich das Staffelholz verlor. Ich habe auch ganz gut Volleyball gespielt. Das war alles ambitionierter Leistungssport, aber kein Spitzensport. Nur für das Fußballspielen habe ich kaum Talent.

Mit dem neuen Amt als Vorsitzender der Sportregion haben Sie jetzt noch weniger Zeit zum Joggen und zum Radfahren.
Ich hoffe nicht. Man muss sich eben neu organisieren und auch delegieren können.

Läuft eine Wahl bei der Sportregion so ähnlich ab wie bei vielen Vereinen – wer nicht rechtzeitig in Deckung geht, ist gewählt?
So ähnlich könnte man es beschreiben. Der Sindelfinger OB Bernd Vöhringer hat auf der letzten Vorstandssitzung mitgeteilt, dass er aufhört. Im allgemeinen Aufbruch hat er dann zu mir gesagt: Du machst das jetzt. Dann haben sich alle angeguckt, und die Sache war gegessen. Ich habe dabei gelernt, wie ich es anstellen muss, wenn ich den Stab mal weitergebe.

Wie lange wollen Sie das Amt ausüben?
Ich bin jetzt noch für zwei Jahre als Oberbürgermeister gewählt. Und wenn ich in Schorndorf wiedergewählt werde, würde ich mich freuen, wenn ich auch bei der Sportregion weitermachen könnte.

Was hat Sie für den Vorsitz motiviert?
Ich bin ein absoluter Anhänger der regionalen Idee – nicht nur im Sport. Ich hoffe sehr, dass das Regionalparlament zusätzliche Kompetenzen bekommt. Die Großen Kreisstädte stehen zwar im Wettbewerb untereinander, ich denke aber in regionalen Zusammenhängen. Wir leben in der Region. Schorndorf und alle anderen Städte profitieren von Stuttgart – und Stuttgart profitiert von den 24 Großen Kreisstädten und 154 Gemeinden in der Region.

Wie kann eine bessere regionale Zusammenarbeit in der Sportregion aussehen?
Zunächst einmal müssten zumindest alle Großen Kreisstädte Mitglied werden. So will ich versuchen, meinen Kollegen und Parteifreund aus Bietigheim-Bissingen, Jürgen Kessing, zu überzeugen. Wir machen schließlich alle Sportpolitik und können voneinander lernen.

Was tut die Sportregion überhaupt, außer einmal pro Woche per E-Mail einen Newsletter zu verschicken?
Die Sportregion hat eine tolle Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Im vergangenen Jahr ging es um Sport und Mobilität, dieses Jahr heißt das Thema Olympia. Im Mittelpunkt stehen dabei die Schul-Sport-Spiele, die wir in 17 Kommunen machen. Dazu setzen wir unseren Sporttalk zu aktuellen Themen fort. Auf den Treffen sollen sich die sportpolitischen Akteure besser kennenlernen.

Die Doppelstrukturen auf regionaler und auf Kreisebene gefallen nicht allen Akteuren. Kritiker sagen, das Geld, das die Sportregion ausgibt, wäre besser angelegt, wenn es über die Sportämter direkt an die Wettkämpfer oder die Vereine verteilt würde.
Über Strukturen kann man grundsätzlich immer nachdenken. Im Großraum Stuttgart mit seinen rund 2,6 Millionen Einwohnern ist die regionale Organisation aber ganz bestimmt sinnvoll. Wir wollen nicht die absoluten Spitzenathleten fördern, sondern die Topnachwuchssportler in allen Sportarten. Ihnen verschaffen wir über die Sportregion noch mehr Aufmerksamkeit und mehr Öffentlichkeit. Das sind sehr wichtige Signale. Wir unterstützen den Sport vor den nationalen und internationalen Wettbewerben mit Regio-Cups, in denen sich Nachwuchssportler optimal präsentieren können.

Wie ist das Verhältnis zum Profisport?
Die Förderung von professionellen Spitzenmannschaften, etwa im Fußball, im Handball oder im Basketball, ist nicht Hauptbestandteil unserer Strategie. Mit dem Bundesligabrunch für Erst- und Zweitligisten bieten wir aber eine regelmäßige Austauschmöglichkeit.

Sind Sie zufrieden mit der politischen Unterstützung für die Sportregion?
Die Sportregion ist gut aufgestellt und unumstritten. Wer sich das Geld für die Sportregion sparen will, muss konkret sagen, was wir alternativ machen sollten. Wir setzen auf eine gute Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt, und ich würde jedem empfehlen, Regionalpolitik immer mit und nicht gegen Stuttgart zu machen.

Wie beurteilen Sie denn die regionale Rolle der Landeshauptstadt?
Ich wünsche mir, dass Stuttgart der Motor ist – in allen Bereichen. Und umgekehrt: Stuttgart soll die Stärken der 178 Kommunen in der Region noch stärker nutzen.

Was kann die Region besser machen als die Kreise und die Stadt Stuttgart alleine?
Den Nahverkehr könnte die Region besser bündeln. Mehr Kompetenzen im Bereich Krankenhäuser könnte ich mir auch sehr gut vorstellen. Die neue Landesregierung sollte in diesen Fragen mehr Mut beweisen.

Mit Ihnen und Christof Bolay aus Ostfildern stehen zwei SPD-Oberbürgermeister an der Spitze der Sport- und der Kulturregion. Ist das eine regionale SPD-Strategie?
Nein, die gibt es nicht. Dass jetzt zwei Sozialdemokraten vorne stehen, ist reiner Zufall. Ich kam nicht als SPD-Mann zu der Sportregion, sondern weil alle wussten: der kommt aus dem Sport.

Ist Ihr neuer Posten ein Sprungbrett für weitere regionalpolitische Ambitionen?
Nein. Ich muss mich erst Ende 2013, Anfang 2014 entscheiden, ob ich für das Regionalparlament kandidieren will. Das ist aber unabhängig von der Sportregion. Man kann auch Einfluss haben, wenn man nicht im Regionalparlament vertreten ist.

Plant die Sportregion neue Projekte?
Mir ist die Mitgliederakquise besonders wichtig. Nicht jede Kommune wird immer unmittelbar profitieren. Aber die Sportregion hat auch etwas mit Solidarität zu tun. Ich würde mich freuen, wenn von den 179 Städten und Gemeinden in der Region möglichst viele mitmachen. Die Sportverbände sind ja längst fast alle dabei.

Was kann die Sportregion künftig besser machen als in der Vergangenheit?
Es geht nicht um das Bessermachen. Wir wollen uns stark auf die Nachwuchsförderung konzentrieren. Wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Schulen und den Kommunen. Und dann sollten wir immer wieder mit den Fachverbänden internationale Spitzensportveranstaltungen in die Region holen – und in diesem Umfeld dann regionale Wettkämpfe platzieren.

Sollte sich Stuttgart noch mal um die Olympischen Spiele bemühen?
Ich glaube nicht, dass wir das noch erleben. Der Tag, als die nationale Bewerbung 2003 so klar gescheitert ist, war einer der herbsten in meinem Leben.

In der Region wird seit Jahren über neue Hallen und ihre Auslastung diskutiert. Was ist besser: mehr Konkurrenz unter den Städten oder mehr Gemeinsamkeit?
Ich plädiere für Kooperationen, sehe aber auch die Schwierigkeiten. Der Kollege Andreas Hesky aus Waiblingen ist kürzlich unter Druck geraten, weil er gesagt hat, Waiblinger Mannschaften könnten durchaus in Stuttgart spielen. Auf Dauer kann nicht jede Große Kreisstadt eine große Halle bauen. Wir brauchen in der Region auch nicht viele national wettkampftaugliche Leichtathletikanlagen. Eine reicht.

Welche Rolle spielt bei kommunalen Kooperationen die Sportregion?
Gar keine. So etwas muss immer bilateral laufen, etwa direkt zwischen Ludwigsburg und Stuttgart. Da sollte sich die Sportregion nicht einmischen. Über Sportstätten für die Allgemeinheit muss im Nahbereich entschieden werden. Wir haben hier in Schorndorf ein attraktives und sehr gut besuchtes neues Hallenbad. Spitzenschwimmer finden da kaum Trainingszeiten. Probleme wie dieses muss die Sportregion hingegen mit den Fachverbänden angehen.

Was ist eine sportfreundliche Kommune?
Sie muss gute Sportstätten haben, die das Bewusstsein der Bevölkerung abbilden. Wettkampfsport ist wichtig, Gesundheitssport vielleicht noch wichtiger. Wir müssen uns Gedanken über die Sportstätten der Zukunft machen. Es muss mehr geben als Fußballplätze und eine Laufbahn mit Kugelstoßanlage. Wir brauchen auch Angebote für Biker und kleine Rasenflächen oder eine beleuchtete Laufbahn, auf der man auch nachts laufen kann.

Wie kann die Sportregion dabei helfen?
Wir können auf Best-Practice-Beispiele aufmerksam machen, sensibilisieren, Sportamtsleiter ansprechen, zeigen, wie Ganztagsbetreuung in Kooperation mit Sportvereinen funktionieren kann.

Fehlt Sportlern, die nicht vereinsgebunden sind, eine Lobby?
Die fehlt auf jeden Fall. Diese Sportler sind für eine Kommune genauso wichtig wie die Vereine – unabhängig davon, ob sie bei der Volkshochschule, im Betrieb, bei den Landfrauen oder ganz auf eigene Faust Sport treiben. Die Schorndorfer Sportclubs haben 10 000 Mitglieder, mindestens noch einmal so viele treiben aber Sport.

Sie sind ausgebildeter Sportlehrer, wünschen Sie sich manchmal, den Job als Schorndorfer Oberbürgermeister gegen eine Lehrerstelle einzutauschen?
Nein. Wenn ich mal nicht mehr OB bin, würde ich allerdings gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Ich habe diverse Trainerlizenzen. In meinem Zivildienst habe ich Skifreizeiten mit Behinderten geleitet, das hat mir riesigen Spaß gemacht. Ich könnte mir auch gut vorstellen, mit behinderten Menschen zu arbeiten, etwa bei der Diakonie Stetten.

Dann können Sie sich ja später bewerben.
Nur: wer stellt denn schon einen ehemaligen Oberbürgermeister ein? Wir wissen doch alles besser und sind deshalb wohl ganz schwer vermittelbar.
Das Gespräch führten Thomas Durchdenwald und Martin Tschepe.